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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Benn, Joachim: Frankfurts Skulpturensammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0389

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Frankfurts Skulpturensammlung.


Abb. 7. Johannes der Täufer. Siena, 15. Iahrh.

geschaffenen KörpernaturaliS-
mu6 einen neuen großen
Stil. Man hat sich in
Deutschland angewöhnt, diese
neue Renaissanceklassik als
oberflächlich und süßlich ab-
zuweisen, es mag auch sein,
daß sie geistig weniger tief
ist als die Gotik, in ihrer
idealen Durchbildung des
Körperlichen neben der Heroik
griechischer Kunst blaß wirkt.
Allein man braucht nur diese
kleine aber erlesene Samm-
lung hier im LiebighauS
durchzusehen, um zu erken-
nen, waS doch noch zu be-
wundern bleibt. Daß eben
doch wieder plastisches Wissen
und Können, wie eS nur
die Griechen besessen haben,
in dieser Kunst wirksam wird,
zeigt vielleicht nichts besser
als die Wappenschilder der
Orsini und Sforza: Um einen
glatten gewölbten Rundschild
wird ein erhabener Rand
oder ein dicker Fruchtkranz
gelegt; daö Wappen selbst
wird als kleinerer Schild in
die leere Fläche des großen
gestellt, durch die sich in
leichten Windungen noch
Wappenbänder ziehen: Man
kann sich schwer Einfacheres
denken und doch kaum etwas,
was so viel plastisches Wissen,
einen solchen Geschmack in
der Zusammenordnung pla-
stischer Motive beweist, sodaß
der Marmor wie von Blut
durchzogen scheint. Aus
gleicher Höhe ist die plasti-
sche Arbeit in dem Relief
der beiden galoppierenden
Pferde, dessen impressionisti-
sche Kraft zudem etwas
durchaus Neues ist, in den
Porträtmedaillons, besonders
dem des Abtes RufinuS de
als alle griechische Kunst, und

mit der fast allzuschnell zu erfassenden Deutlichkeit der Trauergebärden in den Gesichtern und den parallel gestellten
Händen im ersten Augenblicke leicht, zu dekorativ wirkt, um durch die Inbrunst der ganzen Konzeption, die aus
eigener Kraft keinen hallenhohen Raum um sich schafft, immer wieder neu zu erschüttern. Aber waS dann mit
dem Beginn des 16. Jahrhunderts folgt, ja schon der heilige Georg Syrlins d. A. mit dem besonders schön
gearbeiteten Kopf, zeigt ein
merkwürdig verändertes Ge-
sicht: Es ist eine ganz an-
dere Feinheit und Exaktheit
der Wirklichkeitswiedergabe,
eine ausgesprochene Klassizi-
tät der Haltung, einstweilen
noch innerhalb der alten Rich-
tung, waS man jetzt zu sehen
bekommt. Der männliche
Heilige und die heilige Bar-
bara in der Art des Mathias
Kreniß aus Landshut, Jo-
hannes und Maria in der
Art von Veit Stoß (Voll-
bild): ES sind gewiß goti-
sche Arbeiten und die orna-
mentale Musik gotischer Ge-
wandfaltcn ist vielleicht nir-
gends so großartig zu be-
obachten wie gerade bei diesen
letzten beiden Figuren; aber
das gotisch-seelische Wollen
verknüpft sich plötzlich mit
einem so merkwürdig ent-
wickelten Sinn für daS Spe-
zifisch-Plastische, die Men-
schen selbst sind unter diesem
Gewände so gehalten, ihre
Mienen, schon fast natura-
listisch deutlich, haben etwas
so ausgeglichen Studiertes,
daß sie doch von dem Geist
einer ganzen neuen Epoche
zeugen. —
Man braucht nur in den
Saal zu treten, der der italie-
nischen Renaissance gewidmet
ist, um zu erkennen, waS ge-
schehen ist: Der antike Geist,
der in der Plastik die Kunst
sieht, die den organischen
Körper nachbildet, hat sich
vom Süden her neue An-
hängerschaft erworben; es
kann im Norden den Über-
schwang gotischer Bewegung
nur mildern, schafft in Jta-
lien aber in Verbindung mit
dem schon von den Römern
Lando (Abb. Z), das ebenfalls in der Darstellung des Individuellen weiter geht
doch plastisch außerordentlich gebunden bleibt, in dem Terrakottarelief der Madonna mit dem Kind aus Bologna,
daö dem Meister der Pelligrini-Kapelle zugeschrieben wird, als einer wahrhaft glanzvollen Komposition. Von
Vollfiguren ist besonders die säulengleich gebundene Maria aus der Frührenaissance in dem lieblichen Fluß ihrer
Kleider, der ihrem Antlitz entspricht (Abb. 6), zu nennen, dann der Täufer Johannes (Abb. 7) mit dem goldnen

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