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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

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Gischler, W.: Zu den Radierungen von Hermann Kupferschmid
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https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0430

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Zu den Radierungen von Hermann Kupferschmid.

Natürlich ist das Wort Notiz hier nicht in jenem Sinn gebraucht, den es im Notizbuch erlangt.
Es wurde schon gesagt, daß die Radierung mehr versuche als die Andeutung der Skizze, daß ihre
Notiz einer bewegten Helldunkelanschauung Endgültigkeit anstrebe. Damit ist ausgesprochen, daß nicht
Geduld sondern Genie ihre Voraussetzung darstellt. Der Laie wird gern meinen, daß hierbei Genie
mit Laune zu übersetzen sei; aber gerade weil der Eindruck mit wenigen Mitteln gegeben werden muß,
sind diese Mittel im einzelnen der schärfsten Betrachtung ausgesetzt; Willkür und vage Andeutung
halten da nicht aus, das Gesetz muß nicht nur im Ganzen sondern in jedem Strich erfüllt werden,
jeder Strich muß sitzen, um in der Sprache des Handwerks zu reden. Klarheit der Anschauung und
vollkommene Herrschaft über die Mittel sind also mehr als sonst die Erfordernisse dieser Kunst, in der
zwar auch rohe Übung den Meister macht, aber nur, wo ausgesprochene Begabung vorhanden ist.
Immer wieder sehen wir denn auch, daß die Radierung wie eine Leidenschaft auf einen Künstler
fällt und die natürliche Entladung eines Temperaments wird, das dann rasch aus den ersten Ver-
suchen zu einer Sicherheit vorschreitet, die dem Fleiß und dem Geschmack allein nicht erreichbar sind.
Der Radierer von Rasse lernt die Technik im Handumdrehen handhaben; nachher entscheidet allein
die Naturkrafe seines Temperaments, wie hoch und weit er damit kommt.
Auch der Radierer Hermann Kupferschmid in Karlsruhe, zu dessen Blättern diese Zeilen geschrieben
werden, zeigt diese typischen Eigenschaften. Er kam — wie im Augustheft d. I. mitgeteilt wurde —
erst als diplomierter Architekt (1909) zur Malerei, und erst eine Pariser Reise im vergangenen
Frühjahr brachte ihn zur „schwarzen Kunst". Sein radiertes Werk, wie es heute vorliegt, stammt
also aus dem Zeitraum stark eines Jahres und zeigt in allem die Leidenschaft eines Temperamentes,
das seine natürliche Sprache gefunden hat. Deutlich genug sieht man in der Technik seines vierten Blat-

tes, dem „Mannheimer
Markt", noch den An-
fänger; aber schon das
„Selbstbildnis" gleich
hinterher zeigt den
meisterhaften Strich
der selbstsicheren Bega-
bung, die dann weiter-
hin kaum noch tech-
nische Schwierigkeiten
kennt und oft genug
ans Virtuose streift.
Als Künstler der
Jmpressionsuchternicht
die Ruhe der Landschaft
und des Stillebens,
sondern geht in die
Bewegtheit des mo-
dernen Lebens, und als
Temperament sucht er
es da auf, wo er sei-
ne größte Lebendigkeit
zeigt: auf der Straße
und bei der Arbeit.
Wer die Folge, von
der hier nur einige
Proben gegeben wer-
den können, aufmerk-

Hermann Kupferschmid. Selbstbildnis.


sam durchblickt, sieht
deutlich, wie der stoff-
liche Weg schrittweise
aus der Idylle in das
Drama der modernen
Industrie hineinführt,
wobei eine gewisse Zag-
haftigkeit nicht zu ver-
kennen ist. Auch jetzt
noch reichen die Mit-
tel nicht aus für die
letzten Steigerungen;
man könnte sagen, der
Geschmack stände ihnen
im Weg, wenn man
nicht gerade diesen Ge-
schmack gegenüber so
manchen drauflosgear-
beiteten Wildheiten
unserer Jugend als
einewohltuendeSicher-
heit empfände, die diese
Begabung immer be-
hüten wird, über die
natürlichen Grenzen
ihres Temperamentes
hinauszugehen.
W. Gischler.
 
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