Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 23.1913

DOI Artikel:
Beder, Franz Karl: Faulers Traum
DOI Artikel:
Zech, Paul: Die Wunderwirkung der Weihnacht
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26493#0496

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Taulers Traum.

gekrönt, in feierlicher Größe. Hob die Faust und schlug
auf das Herz Taulers. Daß seine Brust dröhnte und
sein Gelüng ihn schmerzte und er seine Seiten mit den
Armen preßte.
Wieder verschwand er. Eine rauschende, klingende
Helle umgab Tauler. Da sprangen wie Flammen zwölf
weitgewölbte Kelche aus dem Nichts, die wie Geister
aufschwebten, rotgolden, mit einem dumpfen Laut,
wuchsen strahlend und zerflossen in Nichts. Und es
wöbte sich über Tauler und weitete sich zu einem granit-
farbenen Grabgewölbe, gewölbt von grauem Nacht-
nebel. Ringsum standen ohne Regung schwarzgewandete
Frauen, die trugen schlanke Krüge aus schwarzem Erz.
Es öffnete sich der Kreis. Tanzend kamen herein
der Tod und ein Mönch, ein junger, über die Maßen
häßlicher Mönch. Sie hielten sich umschlungen und
tanzten. Es wirbelte die graue Kutte des Mönchs, es
wirbelte die schwarze Schleppe des Todes. Lautlos
tanzten sie einen Rundtanz, sie hüpften und stießen
sich. Endlich tat sich der stumme Kreis auf und gab sie
fort, die Nacht verschlang sie. Alles verschwand und
Gott stand wieder da wie vordem, groß, gekrönt, in
feierlicher Größe. Hob die Faust und schlug auf die
Lenden Taulers. Sodaß er aufsprang, Gott abwehrend,
und ihm war, als zerreiße das Gefüge seines Leibes.
Aber Gott verschwand vor ihm. Es erscholl ein
Wimmern und ein Helles Klagen wie von Weinenden
oder wie von hellgespielten Geigen. Eine Fülle viel-
fältiger Musik entstieg dem Nichts. Es weitete sich zum
Maigefild, blauer Himmel, Lerchenschlag, wogende Korn-
felder und die Stille eines Frühlingsmorgens rings
umher. Aber es standen in duftig aufsprießender Blu-
menfülle schöne Jungfrauen, sie standen im Kreise.
Ihre Gewänder strahlten wie von Sternen. Leuchtende
Lilien hielten sie wie Lichter in den Händen. Von
Antlitz waren sie weiß, wie die Blüten der Teichrosen,
gekrönt mit Kränzen von blutroten Blumen.
Und als der Kreis sich auftat, kam tanzend herein
aus der unermeßlichen Nacht her ein junges Paar,
nackt, von unsäglicher Schönheit. Der Jüngling üppig,
gebräunt, stark, das Mädchen weiß und weich, wie ein
Schemen, wie ein Schaumgebild, im Haar einen Kranz
von Maiglöckchen, hingegeben seiner Kraft. Beide fast
Kinder noch, die Augen verklärt ineinander, so tanzten
sie. Dann wieder öffnete sich der Lichtkreis und sie
zerflossen in der Nacht. Alles verschwand, war nicht
mehr, Gott kam nicht mehr. Gott kam nicht mehr,
Tauler rang die Hände im Wirbel seiner Gedanken und
schrie ins Dunkel nach ihm: „Gott, Gott, gewaltig
schlugst du mich und ließest mich sehen, das mein Innerstes
umwand und aufrührte aus seiner Tiefe. So löse mir
doch das alles, warum lösest du mir das nicht, so löse
mir doch alles?"
Da erhob sich aus dem Schlund der Nacht eine
Stimme so stark, als ob Berge wankten und ineinander-
stürzten.
„Der Mensch ist ein Kind in der Jrrnis," so rief
die Stimme, „wer wird es leiten, der selbst Mensch ist!"
„Der Mensch ist ein ungemessenes Meer," so rief
die Stimme, „wer wird es ergründen, der selbst Mensch

„Der Mensch ist eine ewige Nacht," so rief die Stimme,
„wer wird sie erleuchten, der selbst Mensch ist!"
Als Tauler dies hörte, fuhr er auf, saß da und starrte
ins Leere. Schweiß brach aus ihm aus, er hörte das
Sausen seines Atems und das grauenhafte Rauschen
seiner Einsamkeit.
Und er saß da und saß da und starrte ins Leere bis
der Tag kam.


ie Wunderwirkung der Weihnacht.
Von Paul Zech.

Daß nach den verklungenen Ernteglocken
eines Herbstes, der uns hell frohlocken
und erstarken ließ mit Allgewalt,
nun das Trübe der Dezemberstunden
schmerzlich rühren will an alte Wunden,
macht uns stumm und wunderlich und alt.

Aber noch sind Kinder in den Zimmern,
denen ein erträumtes Freudeschimmern
Wangen rötet wie mit Lenz betaut.
Und sie brechen wie ein Maigewitter
in das Schwere unsres Bluts, das bitter
auf Verschlossenes der Landschaft schaut.

Tausend Dinge, die ihr Hirn durchtoben,
müssen wir entkernen und beloben
zu der aufgestaunten Münder Lust.
Und was uns umschiente wie mit Eisen,
fällt zersplittert, und wir reisen, reisen,
in verlorne Reiche unsrer Brust.

Wunder kommen, die uns weiß umflocken,
und ein Hall von Eislauf, Weihnachtsglocken
jubelt totgeglaubte Zeiten wach.
Und was wir, umblaut vom Pfeifenschwälen,
wie ein Märchen träumerisch erzählen,
danken kleine Hörer mit Gelach.
Und dann sind uns Abende beschieden,
wo der rotverklärte Lampenfrieden
einem Opfersinn entgegenreift.
Wo selbst Frauen mit schneeweißen Scheiteln
ernsthaft sich bemühn, nichts zu vereiteln,
was um Enkelstirnen wünschend schweift.
Ist der Tag dann plötzlich groß erschienen,
spiegelt sich ein Glück in allen Mienen
und durchbraust wie Orgelton den Raum.
Und die Jungen tanzen mit den Greisen,
nach dem Rhythmus frommer Weihnachtsweisen,
um den festlich aufgeputzten Baum.

474
 
Annotationen