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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Werner, Anton von; Best, Hans: Praktischer Unterricht in den Kunstakademien, [1]
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In eigener Sache: Unsere Stellung zu den Kunstvereinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0011

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heft I.

Die Werkstatt der Kunst.

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elfstündiger täglicher Arbeitszeit ertragen müssen. Der
Gewinn der beiden ersten Jahre war gleich Null — Ma-
terial zutragen — Küche und Dachstube ausseifen —
Löcher vergipsen — Farbtöxfe ausbrennen und auskratzen
— Pinsel waschen — oder an der Bleiweißmühle stehen.
Im dritten Jahre nicht viel besser — höchstens wenn die
Zeit ruhiger war — einen einfachen Plafond bemalen.
Diese Kunst bestand nun darin: Spiegel und Fries irr Leim-
farbe einweichen, den Fries mit drei bis vier Farben be-
fchablonieren, die Halter zu malen und einige Striche zu ziehen.
In der Geltechnik war die Ausbildung ähnlich.
Fernstehende Kreise machen sich einen ganz falschen Be-
griff eines modernen Werkstättenbetriebes. Eine Material-
kenntnis besitzen die Herren Lehrmeister meistens gar nicht
(ich habe noch bei mehreren später gearbeitet); sie wissen
nur, daß man nicht fett, sondern mager grundiert, daß
Bleiweiß besser deckt als Zinkweiß, und daß ersteres mehr
gilbt. Von der Herstellung eines richtigen Malgrundes, einer
Tempera oder vom Verhalten der Farben in Mischungen usw.
gar nicht zu reden. Wie soll da — um Herrn Kalkschmidt
zu antworten — dem jungen Künstler die heilsame Ab-
schreckung vor der Kunst werden? Er hat drei Jahre ge-
opfert (vier Monate wären genügend gewesen) und fängt
von vorne an. Allerdings — wenn er nicht Spannkraft
und Selbstvertrauen besitzt, bringen ihn die drei Jahre
um und er wurstelt weiter als sogenannter Dekorations-
maler, Grnamentenabmaler und Anstreicher und vergrößert
hier das Proletariat. Den Gewinn, den ich von meiner
Werkstättentätigkeit herüberrettete, bestand darin, daß ich
mich nicht genierte — auch nach der Akademiezeit als
„Dekorationsmaler" so lange mich zu betätigen, bis meine
Bilder gekauft wurden. Vielleicht ist dies auch letzen Endes
die Absicht des Herrn E. Kalkschmidt.
Nun zur Tätigkeit des angehenden Akademikers beim
sogenannten fertigen Künstler. Ich kann auch da mit Er-
fahrung dienen; denn ich habe mit Prof. P. gleich nach
der Akademiezeit zusammen gearbeitet und späterhin wieder
selbst solche junge Leute zu mir gewordenen Aufträgen
herbeigezogen. Ich schätze den Gewinn, den ich hatte,
ebenso gering ein, als die jungen Leute bei ihrer Tätigkeit
bei mir hatten. Man nimmt ihnen von der Palette die
erfahrungsgemäß nicht geeigneten Farben eben weg, gibt
ihnen das entsprechende Bindemittel und sonst müssen sie
eben nach der gefertigten Skizze „nachahmen"!
Der Werkstättendienst — wie er den Herren Kalkschmidt
und vr. Storck vorschwebt — müßte erst geschaffen werden
und müßte geradezu eine Sammelstätte der verschiedensten
Aufträge sein unter staatlicher Subvention.
Zum Schluffe noch einige Bemerkungen zu Or. Storcks
Ausführungen im „Türmer":
Was versteht vr. Storck unter Loslösung vom Leben
in der Kunst? Jedes „Kunstwerk", gleich welchen Vor-
wurfs, hat seine Existenzberechtigung — man kann doch
dem Künstler kein Programm aufstellen, was er schaffen
darf und was nicht! Auch nicht die Größen bestimmen!
Bezüglich der unzureichenden Technik, die vr. Storck
beanstandet, meint er wohl unzureichendes Material; darin
hat er vielfach recht — wir sind aber eifrig daran, den
Mangel zu beheben. Technik selbst, sobald sie eigen, ist
der Ausdruck des Temperaments und Erfahrungssache.
Nuus Lest.

- In eigener Sacke:-
Unsere Stellung zu cten Kunllveremen
Die „Werkstatt der Kunst" ist gegen mehrere
Kunstvereine vorgegangen, zum Teil mit großer
Schärfe, die sich aber als notwendig erwies, sollten
veraltete und längst chronisch gewordene, unzeit-
gemäße Zustände wirklich nachhaltig gebessert werden.

Man hat diese gewiß nicht angenehme, aber den
Interessen der Kunst und der Künstlerschaft dienende
Tätigkeit der „Werkstatt der Kunst" vereinzelt so
gedeutet, als ob die Institution der Kunstvereine
überhaupt bekämpft werden sollte.
Diese Auffassung ist eine durchaus irrige. Ls
wäre undankbar, wollte man den großen Nutzen,
den die deutschen Kunstvereine in der zweiten Hälfte
des verstossenen Jahrhunderts gestiftet haben, ver-
kennen. Für die Hebung des Kunstinteresses im
deutschen Publikum haben sie außerordentlich viel
getan. Den Künstlern selbst wurden weite Absatz-
gebiete durch die treue, aufopfernde und uneigen-
nützige Arbeit der Kunstvereine tatsächlich erst er-
schlossen. Auch dann, als die großen Iahresaus-
stellungen der Künstlerkorporationen das Kunstinteresse
in die größeren Zentren, in die Hauptwohnsitze der
ausübenden Künstler, zogen, auch dann noch gingen
die meisten so in die Sinne der zugereisten Beschauer
gesäeten Samenkörner erst wirklich auf, wenn sie
durch die heimatlichen Kunstvereine in sorgsamer
und unermüdlicher pflege entwicklungsfähig gemacht
wurden. So ist es noch heute und wird noch lange
so bleiben.
Nur in Linem haben sich die Zeiten gründlich
geändert: in der „Aufmachung", in der Art der
Vorführung von Kunstwerken. Und darin sind
manche Kunstvereine, besonders diejenigen, die mit
der ehrenamtlichen und uneigennützigen Art ihrer
Leitung eine lähmende Sparsamkeit zu rechtfertigen
glauben, noch sehr, sehr weit zurück. Das deutsche
Volk ist aus den ärmlichen Verhältnissen zu be-
deutender Wohlhabenheit emporgestiegen und ist
nach überwundener Protzenzeit zu der erlösenden
Erkenntnis gelangt, daß ein gutes Ding eine seiner
würdige Umgebung, sein „Milieu" haben müsse,
soll die von ihm ausgehende Wirkung sich nicht in
das Gegenteil verkehren.
Leider aber ist der veraltete Biedermeier-Idealis-
mus mancher Kunstvereinsleitungen in dieser Hin-
sicht zu der Kraft geworden, die stets das Gute
will und doch das Böse schafft. Das Kunstver-
ständnis wurde dem Publikum erschwert, die Bilder
kamen nicht zur Geltung, es wurde nichts verkauft
und trotz größter Sparsamkeit, oder vielleicht gerade
ihretwegen, wurde der Verwaltungsapparat immer
teurer! Endlich standen die guten Pfarrer, Justiz-
räte, Rentner und emeritierten Gymnasialprofessoren,
nämlich die ehrenamtlich und so knauserig arbeiten-
den Leiter, vor einem ihnen unlösbar erscheinenden
Rätsel und sie zogen sich ob des hoffnungslosen
Unverständnisses ihres Publikums grollend in ihren
Podagra-Lehnstuhl zurück. Und doch trugen sie selbst
die meiste Schuld!
Daneben haben wir mehrere, von bezahlten Ge-
schäftsführern richtig kaufmännisch geleitete Kunst-
vereine, die sehr viel Kunstverständnis verbreiten,
erfreuliche Verkaufsresultate aufzuweisen haben und
mit der Künstlerschaft im besten Einvernehmen
 
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