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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Werner, Anton von: Die "Flora"-Büste und die Sachverständigen
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Vermischter Nachrichtenteil
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Heft 23.

Die Werkstatt der Kunst.

3^3

„Venus" von Melos an die Seite setzen lasse", denn der
Roxs trägt in der Tat die charakteristischen Merkmale antiki-
sierender Kunst und — soweit ich es in der Photographie
nachprüfen konnte — die Verhältnisse und Maße, die ich
schon als junger Akademiker beim Nachzeichnen aus Schadows
polyklet kennen lernte. Aber gegen einen Vergleich der
„Flora" mit der „Mona Lisa" im Louvre oder den be-
kannten Handzeichnungen von Lionardo, z. B. der Dame
im Profil mit den gewellten Haaren, möchte ich doch Be-
denken haben — vorausgesetzt, daß nicht diese gefälscht sind.
Meines Erachtens ist die „Mona Lisa" z. B. das gerade
Gegenteil von der „Flora", deren breiter Nasenrücken und
die Form der Augen — vom Haar ganz abgesehen —, das
deutliche Kennzeichen antikisierender Kunst, nicht die ge-
ringste Ähnlichkeit mit dem schmalen, fast scharfen Nasen-
rücken und den für jene Zeit charakteristischen Augen der
„Mona Lisa" haben, auch das Lächeln des gemalten Mundes
ist denn doch ein durchaus anderes als das der Büste.
Aber mit solchen Vermutungen und Vergleichen ist es immer
eine schlimme Sache, und da ich nicht Kenner bin, wie
Herr Bode, so kann ich wohl irren.
Menn ich die „FIora"-wachsbüste als rein bildhaue-
rische Leistung betrachte, so habe ich sogar die ketzerische
Meinung, daß die Büste der Königin Luise von Ehr. Rauch,
Ernst Rietschels Büsten der Schröder-Devrient und des
Bildhauers Ehr. Rauch (ich kenne sie genau, da ich wochen-
lang nach ihnen gezeichnet habe) und Reinhold Begas'
Büste der Frau von Hopfen die bildhauerische Arbeit der
„Flora" weit überragen — aber ich bin nicht Kenner,
wie Herr Bode, und vielleicht spricht unbewußt mein Patrio-
tismus als Deutscher mit.
Selbstverständlich will ich damit nicht behaupten, daß
die „Flora" etwa eine Antike ist, denn so hoch taxiere ich
die Dauerhaftigkeit des Wachses doch nicht. Ich habe auch
an den Werken aus der Zeit von Lionardo, ich meine
Donatello, veroochio, die Robbias, ja selbst an Michelangelos
„Moses", den „Medicäergräbern" usw. nicht gerade den
Eindruck antikisierender Tätigkeit dieser Künstler gehabt,
wie etwa an den Arbeiten von Bildhauern aus der Nach-
Winkelmannschen Zeit, aber ich bin, wie gesagt, nicht
„Kenner".
Mittwoch, den 2q> November 1(909.
Gestern Abend wurde ich nicht fertig und heute früh
lese ich soeben im „Lokalanzeiger" die Notiz über Herrn
Miethes Gutachten.
Der Wirrwarr wird ja immer toller.
wenn ich recht verstanden habe, so erklärt Herr Miethe
klixx und klar, daß die von ihm photogrammetisch nach-
geprüften zwei Büsten, sowohl die angeblich von Lukas
herrührende wie die von Lionardo, ein und dieselbe
wären, während Herr Bode in der „Woche" vom ;Z. No-
vember erklärt oder fragt: „Ist denn das (die Lukassche

Büste) aber unsere Büste, oder ist es nicht vielmehr eine
Kopie danach, obenein eine mißverstandene?" Und
auf dem Karton der Photographie von Lukas hat man
jetzt fogar die Inschrift entdeckt: Tbe llora ok beonardo
da Vinci. War der ehrenwerte Mr. Lukas aber auch
Kenner — er war ja nur Bildhauer — und rührt die Unter-
schrift, die nun gegen Herrn Bode zeugt, wirklich auch
von ihm her? Ich weiß es nicht, aber eins weiß ich: daß
die linke Hand (auf der Photographie) einer Glieder-
puppe angehört, und nicht, wie Herr Miethe glaubt, die
lebende linke Hand eines an unpassender Stelle mit der
Büste zusammen photographierten Menschen ist, denn an
diese Stelle könnte ein lebender Mensch nur seine rechte
Hand hinbringen, also den kleinen Finger der Büste zu-
nächst, während auf der Photographie der kleine Finger
nach außen ist, wo bei der rechten Hand der Daumen wäre,
da der dicht hinter der Büste angebrachte Hintergrundvor-
hang es gar nicht gestattet, daß ein lebender Mensch hinter
der Büste stehen kann, um seine linke Hand, die Büste
umfassend, an der linken Seite der Büste hervorzustrecken.
Wozu sollten eigentlich auch all diese unnützen Manipu-
lationen dienen? Ls scheint mir, als ob hier, wo nur
der Glaube in Tätigkeit tritt, viel zu viel bewiesen
werden soll, und die eigentlich Sachverständigen — ich
meine nicht die Kenner — noch gar nicht zu Wort ge-
kommen sind.
wozu auch? Das Richtigste scheint mir Herr Or. Stephan
Kekule von Stradonitz in seinem Feuilleton: „Aus dem
gesellschaftlichen Leben" im „Lokalanzeiger" gesagt zu
haben: „. . . . Mit anderen Worten: die Büste ist ein un-
vergleichliches Meisterstück Lionardo da Vincis, wie
Herr Geheimrat Bode behauptet, oder sie ist eine wert-
lose Arbeit des englischen Bildhauers R. E. Lukas", das
heißt: die Büste selbst bleibt immer dieselbe, ob sie
auf Adam oder Eva getauft wird. Und darum wäre es
am besten, man schriebe unter die Büste: Ignoramus. Das
würde ihren wert noch erhöhen.
Gegen die Benutzung dieser Briefe für die Geffent-
lichkeit habe ich nicht das geringste einzuwenden und bin
mit vorzüglicher Hochachtung
Ew. Hochwohlgeboren
ergebener
von Wsrnsr.

Ulisekk lMigk keilsgö, llie Melinei' kunsNelM. Mie? lik. 12,
bat folgenden Inbalt: blocb einmal die Weimar-
karbe. Von krok. K. blasse. — Das Berliner Lian
des Vela^ne? und andere neue Karben. Von K. B.
— Tbioindigo und Indigo als Nalkarben. Von Drob
Krnst Täuber. (Lcbluss.) — Anträgen und Beant-
wortungen.

VermilMer Nachrlchtenteil.

Geplante Ausstellungen

Berlin. Die allein von der „Akademie der Künste" ver-
anstaltete amerikanische Kunstausstellung wird voraus-
sichtlich am iS. März eröffnet. Kl
Damburg. (Künstlerbund-Ausstellung.) Die Papiere
sind von der Galerie Lommeter erhältlich. Kl

Eröffnete Ausstellungen

Altona. (Verein Altonaer Kunstfreunde.) Ausstel-
lung im Altonaer Museum: Konrad Fehr, L. Gottschau,
Alfons Steinacher. KI
Bamberg, 2H. Februar. (Kunstverein.) Serie Nr. 8 war
vom t9. Januar bis zs. Februar ausgestellt. KI

Berlin. (Bei Fritz Gurlitt) März-Ausstellung: Samm-
lung moderner Münchener Künstler: Reinhold Max Eichler
(qch Fritz Lrler (q), Adolph Münzer (4), Albert Weisgerber
(q), Erich Lrler (-H, Fritz Gßwald (2), Karl Reiser (2),
Leo Putz (6), Walter Georgi (P, Max Feldbauer (2); Larlo
Böcklin-Florenz (Landschaften); neue Bilder von Freiherr
von Kaynach-Berlin, Willy Kukuk-Düffeldorf, I. Teichmann-
Frankfurt a. N.; Zeichnungen von Max Mayrshofer-Mün-
chen; Plastiken von M. Steger-Berlin. Kl
Berlin. (Bei Keller äc Reiner) Sammlungen von: Paul
Freiherr von Schlixpenbach, Asor Hansen-Bergen und Else
Leitzmann-Iena. KI
Berlin, 28. Februar. (Im Künstlerhaus, Bellevue-
straße z): März-Ausstellung mit Sammlungen der Maler
Robert Hoffmann-Zehlendorf, Max Gildemeister-Berlin so-
wie der „Freien Vereinigung der Graphiker zu Berlin"
und des Künstlerbundes „Freie Gruppe". KI
 
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