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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Neumann, Ernst; Ehmcke, F. H.: Die Uniformierung der deutschen Aussteller in Brüssel
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Verband deutscher Kunstvereine
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0529

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Heft 38.

Die Werkstatt der Kunst.

523

Namenszug auf den Buchrücken seiner Gesamtausgabe in
Goldprägung oder Bismarcks Unterschrift auf dem Sockel
seines Denkmals in Stein gegraben oder in Erz gegossen
— eine solche Anwendung würde selbst der Laie als eine
Stilverirrung erfassen.
Ls ist dies nur ein Beispiel der vielen vorhandenen
Unmöglichkeiten, die nun einmal für die einzelnen Firmen
zu festen Begriffen geworden sind, und die auszurotten
und durch Besseres zu ersetzen ein gänzlich aussichtsloses
Unternehmen ist.
Drum bedeutet es einen Fortschritt im gesamten Aus-
stellungswesen, daß eine einheitliche Lösung der Schrift-
frage wenigstens innerhalb eines Raumes versucht wird,
und die Ausstellungsleitung verdient, wegen dieser Maß-
nahme von seiten der Künstler Lob und nicht Tadel zu
hören.
Gewiß läßt sich im weiteren Verlauf der Entwicklung
noch ein Fortschritt in dem Sinne denken, daß für die ein-
zelnen Aufgaben verschiedene Künstler herangezogen werden,
die nach einem einheitlichen plane doch Individuelles
schaffen.
Mein Optimismus ist nicht groß genug, um zu er-
warten, daß im Augenblick in Deutschland allzuviele Künstler
in der Lage sind, umfangreiche Schriftaufgaben in be-
friedigender weise zu lösen.
wer übrigens weiß, welche Schwierigkeiten es rein
verwaltungstechnisch bedeutet, selbst bei einer kleineren
Ausstellung, bei der mit gewissen Terminen für Fertig-
stellung der einzelnen Teile gerechnet werden muß, recht-
zeitig die nötigen Unterlagen für die Texte zu erhalten,
wer weiß, welche Riesenarbeit die Bewältigung größerer
Schriftmaffen in bezug auf Komposition und Ausführung
macht, und wie fast unmöglich es ist, bei der allgemein
immer noch ungenügenden Schulung des Gros unserer
Zeichner im künstlerischen Schreiben, das geeignete Hilfs-
material an Arbeitskräften aufzutreiben, der kann sich selber
sagen, daß im Augenblick die Zeit für einen weiteren Aus-
bau dieser Idee noch gar nicht reif ist, bei der nächsten
Ausstellung aber vielleicht gerade gekommen sein könnte.
Aber selbst wenn dieser Fall eintreten würde, so müßten
doch die grundlegenden Ideen wieder von einer Persön-
lichkeit ausgehen. Ls müßte die einheitliche Leitung, die
Beaufsichtigung der einzelnen Mitarbeiter in der Hand
eines Künstlers liegen. Daß dieses Amt diesmal Peter
Behrens wurde, ist nur gerecht, denn als Architekt des
Raumes, der zugleich auf dem Gebiete künstlerischer Schrift
erfolgreich gewirkt hat, ist ihm die Führerqualität nicht
abzusprechen.
wenn er bei seinem Raum nicht seine eigene Antiqua
verwendet hat, so geschah dies gewiß in der richtigen Ein-
sicht, daß eine als Buchschrift erfundene Type nicht durch-
aus auch auf architektonische Verhältnisse anwendbar sein
muß, und weil es leichter ist, für eine einfache Blockschrift
die Garantie einer befriedigenden Ausführung durch Hand-
werkerhände zu haben, als bei der komplizierteren Druck-
schrift.
Ueber den Vorwurf, daß aus einer solchen Arbeit ein
beneidenswerter Vorteil entspringe, können Eingeweihte
nur lächeln, wer es kennt, wie gering alle Schriftarbeit
von Bestellern bewertet wird, und welche Schwierigkeit sie
aus dem schon erwähnten Mangel an geschulten Hilfs-
kräften verursacht, der weiß auch, daß die Uebernahme
einer solchen Arbeit durch einen Künstler diesem weniger
Vorteile bietet, als vielmehr seinerseits Opfer erfordert,
Gpfer an Kraft und kostbarer Zeit, die er nur bringt,
um einer höheren Aufgabe damit zu dienen.
Ls ist ja anzunehmen, daß persönliche Momente diese
Streitfrage nicht tangieren, daß es sich vielmehr um die
grundsätzlichen Unterschiede zweier Kunstrichtungen handelt.
Um die malerisch-dekorative Auffassung einerseits, die mehr
auf amüsante Einzelheiten ausgeht, und die architektonisch-
geometrische Denkweise andererseits, die eine nach Maß
und Form einheitliche Durchdringung einer Gesamtausgabe
anstrebt.

Daß diese letztere bei groß gedachten, die Nation
repräsentierenden Aufgaben der anderen, bislang herrschen-
den, immer mehr an Boden abgewinnt, daran hat die ge-
samte Künstlerschaft das größte Interesse, da von einer
glücklichen Lösung solcher Architekturaufgaben alle Kunst-
gattungen gleichmäßig profitieren müssen.
Die künstlerische Schrift ist nur ein Niederschlag, ein
Spiegelbild des allgemeinen Kulturbildes. Daß wir auch
in der Schrift aus der Regellosigkeit individuell sich geben-
der Einzelleitungen zu einer Uebereinkunft von allgemeinerer
Gültigkeit gelangen, ist nur ein weiteres Symptom für
das Festwerden neuer Stilbegriffe.
wenn nun ein Künstler, der gerade in der Formu-
lierung und Propagierung dieser wichtigen Prinzipien seine
Lebensaufgabe erblickt, zu einer weitreichenden Mitarbeit
bei der Vertretung deutscher Kunst in Brüssel herangezogen
wird, so können wir das gegenüber früheren Gelegenheiten,
bei denen Leistungen apokrypher Natur das Uebergewicht
hatten, nur als ein gutes Omen ansehen.
*
Die Schriftleitung schließt die Diskussion mit
dem Wunsche, daß diese ausführlichen Darlegungen,
insbesondere das ausgezeichnete Schlußwort F. H.
Lhmckes, klärend wirken mögen. Ls wird von
ganz unbeteiligten Sachverständigen versichert, daß
die hier zum ersten Male durchgeführte „Uni-
formierung", wie Herr Neumann die einheitliche
Beschriftung ironisch nannte, ganz ausgezeichnet
wirke und in der Tat verhindere, daß zügelloser
Schutzmarkengeist die geschlossenen und vielfach
schlechtweg monumentalen Naumschöpfungen in selbst-
süchtigem Konkurrenzlärmmutwillig zerstöre; ferner:
daß die hier zum ersten Male erzwungene Zurück-
haltung in der Reklame den ausgestellten Gegen-
ständen selbst sehr zugute käme; an die Stelle der
herausfordernden captatio benevolentiae durch
„Marken" sei eine unbeeinflußte sachliche Prüfung
durch ernsthafte Renner — und nur solche sollen
ja hier in Betracht kommen — getreten.
Schon bei der nächsten Ausstellung werden sich,
überzeugt durch das hier gegebene gute Beispiel,
gewiß genug geeignete Künstler finden, die bereit
und befähigt sind, sich dem einheitlichen Geiste
eines gemeinsam durchzuführenden Unternehmens
unterzuordnen.
Verband deutscher Kunstvereme
Bekanntlich hat der „Verband deutscher Kunst-
vereine an sämtliche Kunstvereine Deutschlands
Fragebogen hinausgehen lassen, die darauf zielen,
die Leistungen der deutschen Kunstvereine ziffernmäßig
festzustellen. Von einer großen Anzahl von Vereinen
sind die Fragebogen bereits beantwortet und es kann
heute schon gesagt werden, daß das Ergebnis der
Umfragen ein außerordentlich interessantes
und in vieler Beziehung ein lehrreiches sein wird.
Ls bestätigt sich immer mehr die Nichtigkeit der
Annahme, daß man selbst in den nächstbeteiligten
Kreisen eigentlich kaum eine Ahnung hat, welch
erhebliche Mittel die Kunstvereine Jahr für
Jahr für Zwecke der Kunst aufwenden. Diejenigen
 
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