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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Neumann, Ernst; Ehmcke, F. H.: Die Uniformierung der deutschen Aussteller in Brüssel
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0528

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522

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 58.

„Behrens-Antiqua" aus eigener freier Ueberzeugung ge-
wählt hat.
Für die Anwendung einer einheitlichen Type bei der
Beschriftung der Schilder der Aussteller waren aber folgende
Erwägungen maßgebend: Durch die Anwendung der gleichen
Type sollte eine einheitliche, vornehme Schriftwirkung er-
reicht werden, die sich dem Lharakter der Bauwerke und
der architektonischen Behandlung der inneren Halle harmo-
nisch einfügte. Eine Langweiligkeit durch die Wiederholung
derselben Type ist aus dem Grunde nicht zu befürchten, da
die Individualität der einzelnen ausstellenden Firmen in
der durchaus verschiedenen Größe, Anbringung und nament-
lich Anordnung der Aufschriften ihr Recht findet, und so-
mit auch die Orientierung im Ausstellungsraum nicht be-
einträchtigt. Im Gegenteil erscheint eine Schrift, wenn sie
sich der Architektur sowohl in bezug auf den Platz als
auch durch Stileinheil organisch eingliedert, von größerer
Ueberzeugungskraft, als wenn sie nach Willkürlichkeit zer-
streut ist. Der chaotische Eindruck von unzähligen ver-
schiedenartigen Schriftzeichen durcheinander, wie ihn die Er-
fahrung in anderen Ausstellungen gelehrt hat, wird durch
Anwendung derselben Schrifttype glücklich vermieden, darum
wird dadurch auch gerade die Leserlichkeit wesentlich unter-
stützt, da das Auge sich nur auf einen Schriftcharakter ein-
zustellen braucht.
Das berechtigte Streben der Aussteller, ihren Namen
und ihre Firma zur Geltung zu bringen, soll dadurch nicht
unterdrückt, sondern im Gegenteil gefördert werden. Der
Erfolg wird hoffentlich lehren, daß dieses Ziel durch die
getroffene Maßnahme erreicht worden ist. Uebrigens fand
die Wahl einer einheitlichen Schrift die Zustimmung der
Aussteller, die auf der konstituierenden Ausstellerversamm-
lung der Automobilindustrie vertreten waren und denen
der leitende Architekt seine künstlerischen Grundgedanken
darlegte.
waren hiernach rein sachliche, von den Interessenten
gebilligte Gründe für die zu Unrecht beanstandete Maßregel
entscheidend, so fällt der Vorwurf einer einseitigen Be-
günstigung des Prof. Behrens — nach der künstlerischen
und geschäftlichen Seite — durch das Deutsche Komitee von
selbst in sich zusammen.
Herr Ernst Neuinann-Berlin bat um Aufnahme
seines nachstehenden Schlußwortes:
„Was ist das Faktum?"
Line Aufrollung der Psychologie der Ausstellung wird
nötig, denn das Linheitlichkeitsbestreben droht künstlerische
und industrielle Differenzierung und Entfaltung zu be-
engen; ferner, nicht eine Halle, sondern vier Hallen werden
in die Uniform eines Künstlers gekleidet. (Herr Ernst
Neumann irrt sich hier sachlich und beachtet nicht die Fest-
stellung des Herrn Reichskommissars, daß tatsächlich nur
die von Herrn Otto Walter erbaute Industriehalle im
Inneren eine Beschriftung mit der Behrens-Antiqua er-
hält. — Red.)
So ist es das Schicksal, das dem einen soviel Macht
gibt? — Das Schicksal aber war das Komitee, denn ihm
lag die Organisation ob.
Glaubt das Komitee alles getan zu haben, was es an
Erfindungskraft, Stilbildung und Originalität heranziehen
konnte, um z. B. die Abteilung der Automobilindustrie, von
der allein die Rede war, in dem künstlerischen Schmucke zu
zeigen, der den Künstlern sowie der Industrie am meisten
gedient hätte?
Es gibt einige Tausende verschiedener Automobilfirmen,
welche jedes Jahr wieder Tausende von Wagen pro-
duzieren und in den Verkehr bringen.
Wodurch unterscheiden sich diese Hunderttausend für
das Publikum? Durch die Namen und durch die Firma.
Ganz allein auf dieser Basis findet die Reklame und
die Propaganda der Branche statt.

Ls liegt also im Interesse der Industrie, daß diese
Namen eine Eigenheit, ein Gesicht bekommen.
Gleichzeitig bietet sich hierdurch den Künstlern der An-
schluß an die Industrie.
Ls bleibt noch viel zu tun übrig, trotzdem gerade die
Automobilindustrie allen anderen im Zusammenarbeiten
mit Künstlern vorangegangen ist; denn sie ist die jüngste
und intelligenteste Evolution im Zeitalter der Maschine
und ist diejenige, die durch Gesetz, Unverstand und Feinde
am stärksten geknebelt wurde.
Wer die artistisch-dekorative Aufmachung der Pariser
Automobilsalons gesehen hat, wird sich ein Bild machen
können von den Aufwendungen dieser Industrie, in welcher
Frankreich an Produktion vorangeht.
Dem Impressario einer Ausstellung müßte das be-
kannt fein, was ich jedoch nicht annehme, da eine Unifor-
mierung der Firmen verordnet wurde, zugunsten eines sog.
einheitlichen Gesamtbildes. — Oder ist dies nicht der Fall?
Glaubte man, daß hier keine Aufgabe für Künstler
vorliege, die materielle und ideelle Früchte bringen könnte,
und es darum bester sei, von dieser Sache so wenig Auf-
hebens wie möglich zu machen?
wurde darum Prof. Behrens beauftragt, die typo-
graphische Eigenheit der Industriehalle auf anständige weise
abzufertigen?
Es wäre ein leichtes gewesen, unter Zugrundelegung
gewisser Bedingungen alle Schriftkünstler Deutschlands auf-
zufordern, an der glänzenden Demonstration der Industrie
künstlerisch teilzunehmen!
Soll die künstlerische Veredelung allein auf das Leben
des Kindes und der Gouvernante beschränkt werden?
Davon, daß auch drei andere große Hallen mit „üb-
licher" Blockschrift abgetan werden, wie in der Erwiderung
bekanntgegeben wird, wußte ich nichts, es sei hier nur
als Seltsamkeit erwähnt. —
Ls ist mir lieb, daß diese die Industrie nicht allein
betreffende Angelegenheit an dieser Stelle zur Sprache
kommt. Es sieht zu hoffen, daß sich auch andere in Sachen
der „Brüsseler Weltausstellung" zum Worte melden.
Trust NeuvaLuu-Berlin.
Line solche, von Herrn Ernst Neumann gewünschte
Wortmeldung liegt von Herrn F. H. Lhmcke-Düsseldorf
vor, die wir nachstehend veröffentlichen.
Die pariser Ausstellung habe ich zu ihrer Zeit nicht
gesehen, wie die Brüsseler sich präsentiert, ist mir im
Augenblick noch unbekannt. Nach dem Bild, das man sich
vom Stand des Kunstgewerbes beider Länder ungefähr
machen kann, ist es aber schwerlich anzunehmen, daß wir
von den Franzosen künstlerisch etwas zu lernen hätten,
vom Standpunkt des Künstlers aus ist es nur zu wünschen,
daß die vorhandene, meist geschmacklose Beschriftung der
Kraftwagen innerhalb des Ausstellungsraumes nach Mög-
lichkeit ausgeschaltet werde. Lin Einspruch dagegen von
künstlerischer Seite kann nur Wasser auf die Mühle der
Fabrikanten sein, denen man gerade klarzumachen begonnen
hat, daß sie sich auf falschem Wege befinden.
Ich entsinne mich jetzt nur des Namenszuges „Opel",
der mit einem ganz schreibmäßigen Federschnörkel als Nach-
ahmung der Handschrift des Erfinders auf allen wagen
der Firma sich befindet und dem im „prächtigen und deko-
rativen Kampf der Namen" wohl eine große Rolle zu-
geteilt fein dürfte.
Nun ist gewiß die Wirkung eines Namens ausschlag-
gebend. Aber große Namen, wie beispielsweise „Goethe"
oder „Bismarck", behalten ihre faszinierende Wirkung,
auch wenn sie durch die allgemeinste Letter ausgedrückt
werden, und ihre Kraft steigert sich in dem Grade zur
Monumentalität, als die verwendete Schriftart großzügiger
und lapidarer gestaltet ist. Ls ist gewiß etwas Schönes
darum, in einem Manuskript oder in Briefen der Hand-
schrift großer Männer zu begegnen und gleichsam ihre
persönliche Nähe fühlbarer zu empfinden. Aber Goethes
 
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