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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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D.W.D.K.: Woher das Künstler-Proletariat?
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Beseler: Winkelausstellungen und Scheinauszeichnungen
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Schmidkunz, Hans: Die Schutzfrist
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0415

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Heft 30.

Die Werkstatt der Kunst.

Berliner Kunstausstellung" werden von 5000 ange-
meldeten Bildern bestenfalls 2000 angenommen.
Also wurden in Berlin allein ungefähr 6000
Bilder zurückgewiesen. In München wird das
Verhältnis ähnlich sein, so daß man sagen darf: es sind
in Deutschland in diesem Frühjahr is2VOO Bilder
zurückgewiesen und, da sie leider meist auf eine
Wirkung innerhalb einer großen Ausstellung berechnet
waren, umsonst gemalt worden. Von diesen
(2000 Bildern wird nur ein ganz geringer Prozent-
satz später noch zu annehmbaren Preisen verkauft.
Zum aller größten Teil aber fallen diese Werke
entweder zu Schandpreisen dem niederen Kunsthandel
und den Auktionen anheim, oder sie werden über-
malt oder resigniert auf den Boden gestellt.
Rechnet man nun die Selbstkosten der Künstler
für Rahmen, Materialien und Zeitaufwand gering
mit 250 Mk. für jedes Bild, so ergibt sich, daß diese
(2000 zurückgewiesenen Bilder einen Gesamtwert
von 3 Millionen Mark repräsentieren. Davon
wird durch späteren, günstigen oder schleuderweisen
Verkauf und durch Wiederverwendung von Rahmen
und Leinwand, günstig gerechnet, ein Drittel noch
gerettet. Die übrigen 2 Millionen Mark sind
aber nutzlos vergeudet worden!! Und von
diesem ungeheuren Verluste wird der minderbemittelte
oder ganz arme Teil der Künstlerschaft betroffen.
Das bezieht sich aber alles nur auf diejenigen
Bilder, die in einem einzigen Monat in den großen
Ausstellungen zurückgewiesen wurden. Doch die
künstlerische Produktion dauert das ganze Jahr und
die Zurückweisungen und Verluste (auch für Kisten
und Frachten usw.) verdreifachen sich in dieser Zeit.
wir glauben also, noch weit unter den tat-
sächlichen Verhältnissen zu bleiben, wenn wir sagen:
Die Aünstlerschaft hat durch die,
ohne Bestellung nur für Ausstellun-
gen gemalten „Staffeleibilder" einen
jährl. Verlust von Millionen Mark!
Diesem baren Verluste stehen allerdings auch
erhebliche Einnahmen gegenüber, doch kommen sie
nur relativ wenigen zugute. Der größte Teil der
„Staffeleibilder"-Maler gerät von Jahr zu Jahr
tiefer ins Elend.
Doch „unentwegt" bilden die staatlichen und
privaten Lehranstalten alljährlich Tausende von
„Staffeleibilder"-Maler neu aus, von denen höchstens
ein Viertel später zu einer würdigen und geregelten
Lebensführung gelangt.
Die der Künstlerschaft künstlerisch und auch
materiell wirklich förderliche „Jury" müßte also
bei der strengsten Auswahl des auszunehmenden
Schülermaterials in den Akademien stattfinden, in
Hinsicht auf die künstlerische Begabung, auf die
Lharakterfestigkeit und die moralische Reife, und in
Hinsicht — auf die praktischen Ziele der Schüler.
Und diese Auswahl müßte getroffen werden von
Lehrern, die mit ihren Anschauungen nicht in der,

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erinnerungsweise längst verklärten Vergangenheit,
sondern mitten im bitterernsten Kampfe der Gegen-
wart wurzeln. O. W. O. K.
MmkelaussteUlmgen uncl Sckem-
auszercknlmgen
(Abdruck aus dem Justiz-Ministerialblatt für die preußische
Gesetzgebung und Rechtspflege. 72. Jahrgang, Nr. t5
vom s5. April s9to.)
Allgemeine Verfügung vom 8. April syto, — be-
treffend die Bekämpfung des unlauterer! Wett-
bewerbes.
In den letzten Jahren hat das Unwesen der sog.
wilden oder Winkelausstellungen, deren wesentlicher
Zweck darin besteht, Medaillen, Diplome u. dgl. gegen
Entgelt ohne voraufgegangenen ernsthaften Wettbewerb zu
erteilen, und im Zusammenhangs damit der Gebrauch der-
artiger Scheinauszeichnungen durch Gewerbetreibende
zur geschäftlichen Reklame einen erheblichen Umfang an-
genommen. An der nachdrücklichen Bekämpfung dieser
Auswüchse, zu welcher die Bestimmungen des Reichsgesetzes
vom 7. Juni gegen den unlauteren Wettbewerb und
des Strafgesetzbuchs (ß H UWG. in Verbindung mit tz -ty
StGB-, ferner tz 263 StGB.) die Handhabe bieten, hat die
Allgemeinheit ein lebhaftes Interesse. Die Staatsanwalt-
schaften haben daher, wenn in solchen Fällen von ver-
bänden zur Förderung gewerblicher Interessen oder von
Einzelpersonen ein strafrechtliches Einschreiten beantragt
wird, regelmäßig von Verweisung auf den weg der Privat-
klage Abstand zu nehmen, vielmehr die Beschuldigung sach-
lich zu erörtern und geeignetenfalls die öffentliche Klage
zu erheben.
Ueber die Verhältnisse der einzelnen Ausstellungs-
unternehmen wird in den meisten Fällen die von industriellen
Zentralverbänden ins Leben gerufene „Ständige Aus-
stellungskommifsion für die Deutsche Industrie"
(Geschäftsstelle: Berlin AVV ^o, Roonstraße t), welche sich
die Bekämpfung der Mißstände im Ausstellungswesen zu
einer ihrer hauptsächlichsten Aufgaben gemacht hat, unter-
richtet fein. Sie ist zur kostenlosen Auskunfserteilung an
die Behörden, sowie zur Bezeichnung geeigneter Sachverstän-
diger in Ausstellungsangelegenheiten bereit. Die Staats-
anwaltschaften werden zu erwägen haben, ob in geeigneten
Fällen von diesem Anerbieten Gebrauch zu machen ist.
von allen in Strafsachen wegen Benutzung von Schein-
auszeichnungen und wegen Veranstaltung von Ausstellungen
der bezeichneten Art ergehenden Urteilen haben die Staats-
anwaltschaften nach Eintritt der Rechtskraft zwei voll-
ständige Abschriften unter Bezugnahme auf diese Allgemeine
Verfügung, jedoch ohne Anschreiben, dem Vberstaatsanwalt
bei dem Kammergerichte zu übersenden.
Berlin, den 8. April Der Justizminister,
gez.: Or. Leseler.
Vie Zckulzfrisl
Von Dr. Hans Schmidkunz-Berlin-Halensee.
Auf einem uns benachbarten Gebiet, auf dem der Ton-
kunst, hat vor einiger Zeit die Frage nach der Beendigung
des urheberrechtlichen Schutzes 30 Jahre nach dem Tode
des Urhebers eine besondere Erregung hervorgerufen. Im
Jahre tdl3 oder werden die Werke Richard Wagners
frei und geraten somit in die Willkürhände beliebiger
Mperndirektoren. Freunde des „parfifal" wollten die Schutz-
frist für dieses eine Werk verlängert wissen, damit dessen
weihe unangetastet bleibe. Ein lebhaftes Für und Wider,
begleitet von allgemeineren Ansichten und Gefühlsäußerungen
gegen und für das Ende nach 30 Jahren, hat schließlich
nichts daran geändert, daß es bei der 30jährigen Schutzfrist
 
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