Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

DOI Artikel:
Hocheder, Karl: Gesichtssinn und baukünstlerisches Schaffen
DOI Artikel:
Moest, Hermann: Das Bismarckdenkmal am Rhein, 2
DOI Artikel:
Vermischter Nachrichtenteil
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0278

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
272

Die Werkstatt der Runst.

heft 20

Sie wurde irr einem langsamen Uebergang durch jene
neuere Schöpfungsweise abgelöst, die, von der Gesamt-
erscheinung ausgehend, zum einzelnen vordringt und da-
durch, um ein in neuerer Zeit geprägtes Wort zu ver-
wenden, wenigstens zu einem Ahnen von dem gelangen
mußte, „wie denn eigentlich Form geboren wird", die
aber auch aus der räumlichen Beziehung der Teile zum
Ganzen einer Architektureinheit den einzig richtigen Schluß
zieht, daß diese Beziehungen unmöglich mit dem einheit-
lichen Architekturobjekt selbst ihr Ende finden können,
sondern über dieses hinaus wirken müssen als ein Gesetz,
dessen Erfüllung eben in jenen Schöpfungen höherer Ord-
nung verkörpert ist, wie sie in dem reichen Schatz erhaltener
Raumbilder wieder erkannt worden sind.
Freilich steht eine solche Schöpfungsweise wiederum
vor der Gefahr, über den Raumwert den in einer aus-
drucksvollen Gliederung liegenden Funktionsgehalt zu unter-
schätzen. Ls beginnt sich das schon jetzt stellenweise ent-
weder in einer zunehmenden Verkümmerung der organischen
Kleingliederung oder in einer Vorliebe für Ausdrucks-
weisen, welche einer ernsteren tektonischen Bedeutung etwas
ferne stehen, zu zeigen.
Ls sind dies aber nur kleine, mit der Zeit zu be-
hebende Schwächen gegenüber dem wiedererkennen der
werte rein räumlichen Ordnens, das als ein bedeutsamer
Gewinn in der Entwicklung unserer neuzeitigen Baukunst
anzuerkennen ist.
Er prägt sich so recht in dem Unterschiede aus, wie
die vorangegangene Aufsassungsweise die Steigerung der
Wirkung öffentlicher Baudenkmäler in ihrer womöglich
allseitig freien Ausstellung oder in einem Auslösen alter
Bauwerke aus dem Zusammenhänge ihrer baulichen Um-
gebung erblickt hat, wie dagegen die neuere Auffassung
umgekehrt das Linzelobjekt, ob ihm nun eine bevorzugte
Rolle zugeteilt ist oder nicht, zurückhaltend gegliedert, in
den Dienst einer größeren Raumeinheit stellt, in dem vor-
mals beliebten Freilegen öffentlicher Baudenkmäler aber
eine Zerstörung solcher höher organisierten räumlichen
Linheitswirkungen beklagt. Kurz: das vorwiegen einer
Betätigung im konvexen Bilden ist gewichen dem Vorwiegen
einer Betätigung im konkaven Bilden. Das alte Schlag-
wort Fassade, das noch vor drei bis vier Jahrzehnten die
Seele jedes jungen Architekten elektrisieren konnte, ist in
seiner alten Bedeutung heute beinahe außer Rurs ge-
kommen und an seine Stelle ein neues geflügeltes Wort
getreten, der umfassendere Begriff: „Raumkunst".
Wenn bei irgendeinem Kunstzweige die Voranstellung
der Raumwerte gegenüber den Funktionswerten als be-
rechtigt vertreten werden kann, so ist es die Baukunst, der
doch zur Aufgabe gestellt ist, als eigentlicher Runst des
Raumes den passenden Rahmen und Hintergrund für das
vor ihr sich absxielende Leben darzubieten, um damit erst
ihre letzte und höchste Bedeutung, ihren vollen Gehalt zu
gewinnen, den jedes ästhetische Gebilde, will es vollwertig
sein, stets in sich tragen muß.
Ls heißt die Seele, nicht die Äußerlichkeiten der alten,
historisch gewordenen Bauweisen auch in moderne Erschei-
nungen unserer Baukunst verpflanzen, wenn wir in den

Raumwerten ihr höchstes Ergebnis erblicken. Erst das Er-
fassen dieser Raumwerte macht die Architektur den Schwester-
künsten völlig ebenbürtig, und so sehr sich auch der künstle-
rische Genius gegen alle Einengung schöpferischer Be-
tätigung sträuben mag: eine solche praktische Aesthetik,
welche die großen Gesetzmäßigkeiten aus den natürlichen
Beschränkungen unserer Sinneswerkzeuge gegenüber der
Ton-, Farben- und besonders der Formenwelt ableitet, um
so, auf sicherem Boden stehend, das schönheitliche Gestalten
zu beeinflussen, eine solche praktische Aesthetik schränkt keine
künstlerische Freiheit ein, gibt jedem vielmehr die Möglich-
keit, sich ihrer in individuellster Unabhängigkeit zu bedienen,
und läßt innerhalb dieser natürlichen Grenzen eine unend-
liche Fülle uns klar und sympathisch ansprechender Lö-
sungen zu.
Abseits von der Anwendung jeder geschichtlich qe-
wordenen Formenwelt kann eine solche Aesthetik auch den
neuen großartigen Erscheinungen unbefangen entgegen-
kommen, welche auf dem Gebiete des Ingenieurbauwesens
bahnbrechend geworden sind, und so" gibt sie mit ihren
allgemein gültigen, vom Zeitgeschmack unberührten Ge-
setzen dem angehenden Bildner wichtige Anhaltspunkte,
Phantasieanregungen und praktische Winke mit auf den
weg, welche er sich sonst im Leben durch vielgestaltige
und oft durch Irrtümer hindurchgehende Erfahrungen erst
langsam erwerben müßte, indem sie ihn in den Stand
setzen, auf direkterem Wege vorzudringen zum tieferen
Verständnis dessen, zu dem diese Ausführungen nur die
Richtungslinien zeichnen konnten, zum Erfassen der „Be-
ziehungen des Gesichtssinnes zum baukünstle-
rischen Schaffen".

Das Vrsmarckclenkmal sm Kkem. II

Als Entgegnung auf das Gedicht des Herrn Max
Bewer erhalten wir folgende Verse geschickt.
Auf die Bismarckwacht am Rheine
Stellt den rechten Bismarck hin,
wie er war, wie uns nur seine
Rraftgestalt erfüllt den Sinn.
Nicht als Wotan, Thor und Hagen,
Georgsritter und so fort
Soll der Stein den Großen tragen;
Laßt mir das Theater fort!
Linen Bismarck, der verkleidet
Dasteht zur Allegorie
Den Jahrhunderten bereitet,
Solchen Bismarck gab es nie.
Gebt dem Mann von Blut und Eisen
Nur getrost fein wahr Gesicht,
Laßt ihn Bismarck sein und heißen,
Alles andre — ist er nicht!
Hermann L^osst.

Vermrlckler NackricklenlM.

Geplante AusNsUrmgen

Allenstein. Ausstellung ost- und westpreußischer Künstler
auf der Gewerbeausstellung in Allenstein. — Im
Anschluß an die im Sommer xy;o in Allenstein stattfindende
Gewerbeausstellung wird auch eine Kunstausstellung ost-
und westpreußischer Rünstler in einer von der Gewerbe-
ausstellungsleitung eigens zu diesem Zweck gebauten
Runsthalle stattfinden. Diese Ausstellung wird nnr von
Künstlern beschickt, welche in Oft- oder westxreußen

z. Z. schaffen oder aber dort geboren sind. Als weitere
Bedingung ist vorgeschrieben, daß sie in den letzten drei
Jahren auf den Ausstellungen: Berlin („Große Kunstaus-
stellung"), München („Glaspalast") oder den beiden „Seces-
sionen" vertreten waren. — Es ist für diese Veranstaltung
ein besonderer Ausschuß gewählt worden; diesem gehören
von Künstlern an die Herren: Prof. Or. Ludwig Dett-
mann, Direktor der Kgl. Kunstakademie Königsberg; Olaf
Iernberg, Professor a. d. Kgl. Kunstakademie Königsberg;
Kunstmaler p. L. Gabel-Elbing; ferner Regierungspräsident
von Hellmann, Stadtbaurat Boldt, Iustizrat Graß, Erster
Bürgermeister Zülch, Allenstein. Die Leitung der Aus-
 
Annotationen