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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Herter, Ernst: Praktischer Unterricht in den Kunstakademien, 5
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Anfrage aus dem Leserkreis
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Takács, Zoltán von: Die Reform der Budapester Kunstschulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0066

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60

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 5.

glaube in dieser kurzen Zeit dabei mehr gelernt zu haben,
als wenn ich dort als Lehrling, ohne akademische Vor-
bildung, Jahre zugebracht hätte. Dasselbe dürfte meines
Erachtens auch für die anderen für den Bildhauer wich-
tigen Techniken zutreffend sein.
Ich habe in meiner langjährigen Lehrtätigkeit an der
Berliner akademischen Hochschule ebenfalls Gelegenheit ge-
habt, zu beobachten, daß der Wetteifer der Studierenden
und die Beispiele, welche die talentvolleren jungen Leute
ihren Mitstudierenden geben, von größter Bedeutung sind
und durch keine bloße Werkstattausbildung ersetzt werden
können. Seit der Reorganisation der Hochschule für die
bildenden Künste im Jahre ^875 sind den Studierenden
noch viel mehr Gelegenheiten geboten, das für die Kunst
Notwendige zu lernen, sowohl im Idealen als Tech-
nischen, und ganz besonders im Studium nach dem leben-
den Modell, was keine Werkstatt in nur annähernder weise
bieten kann, so daß nach meiner Meinung einem wahrhaft
Strebenden nichts zu seiner Ausbildung Wünschenswertes
fehlt. —
Lin weiterer großer Vorzug der Hochschule gegenüber
der Werkstattausbildung oder der eines Privat-Meister-
ateliers liegt darin, daß die Lehrmeister an der Hochschule
durch keine Rücksicht auf billige Kräfteausnutzung für ihre
eigenen Arbeiten oder aber durch etwa von den Schülern
an sie zu zahlendes Honorar veranlaßt werden dürften,
talentlose Schüler sestzuhalten und zur Fortsetzung ihres
Studiums zu ermutigen. Gerade der Hochschullehrer hat
nur das Interesse, begabte Schüler aufzunehmen und zu
behalten und hat keine Veranlassung, talentlose oder gering
begabte Leute zur Fortsetzung ihrer Studien zu verleiten.
Gerade dieser Vorwurf, den die Freunde der sog. Werk-
stattausbildung immer wieder erheben, trifft eher bei dieser
als bei den Hochschulen zu.
Dadurch, daß der Staat mit der Akademie verbundene,
von hervorragenden Künstlern geleitete Meisterateliers ge-
schaffen hat, und daß jeder ordentliche Lehrer eine Werk-
statt in der Hochschule besitzt und ferner ebenfalls eine
Anzahl Meisterschüler zur Ausbildung überwiesen erhält,
ist nebenbei auch für die Werkstattausbildung an unserer
Hochschule in so umfassender weise gesorgt, daß unerfind-
lich ist, wodurch im Sinne der diese Ausbildung bemängeln-
den Herren ein besserer, in unsere modernen Verhältnisse
passender Zustand geschaffen werden könnte.
Daß weitaus der größte Teil unserer tüchtigen älteren
und jüngeren Künstler, wie auch A. v. Werner in Heft
der „Werkstatt der Kunst" anführte, fast ausnahmslos seine
erste künstlerische Bildung auf Akademien erhalten hat,
ist ferner ein Faktum von schlagender Beweiskraft, das
durch keine theoretischen Betrachtungen aus der Welt zu
schaffen ist.
In erster Linie wird für den Erfolg beim künstlerifchen
Studium immer die Begabung die Hauptfache bleiben, zu
der sich natürlich eiserner Fleiß gesellen muß. wo diese
beiden Faktoren Zusammentreffen, wird jeder weg zu einem
wünschenswerten Ziele führen; je weniger der junge
Künstler durch Debatten über die Richtigkeit dieses oder
jenes Weges beunruhigt wird, um so schneller und sicherer. —
Die Ursachen für das fog. Künstlerproletariat dürften
übrigens ganz andere sein, als die durch besseren oder
schlechteren Unterricht erzielten Resultate. Ls ist das ein
Thema, dessen Erörterung hier wohl zu weit führen würde.
Line der Urfachen aber, die besonders für die Bildhauer
schwer in die Wagschale fällt, möchte ich doch nicht uner-
wähnt lassen. Ls ist das die Künstler in so ausgiebiger
weise ausbeutende Konkurrenzverfahren, wie es heute trotz
aller Bemühungen der Künstlervereine und der maßgebenden
Behörden ausgeübt wird. Da es immer eine große Anzahl
unbeschäftigter Künstler gibt, die auf Arbeit warten und von
einem endlich erreichten Auftrage ihr Glück oder wenigstens
ein momentanes Fortkommen erhoffen, glaubt man oft bei
Preisausschreibungen sich aller Rücksicht auf die Künstler
enthalten zu dürfen, um für möglichst wenig Geld ein Denk-
mal zu erhalten, und hofft womöglich noch bei dieser Lotterie

das große Los zu ziehen durch Entdeckung eines ganz be-
sonderen Genies, das nur auf die betreffende Konkurrenz
gewartet hat, um sich entdecken zu lassen. Daß die Erfah-
rung lehrt, daß die Sache sich oft ganz anders gestaltet
und die Ausfchreiber sich häufig mit recht minderwertigen
Denkmälern zufrieden geben müssen, scheint im großen und
ganzen nicht zur Kenntnis der Allgemeinheit zu gelangen,
so daß selbst Behörden und Stadtverwaltungen, die sich
doch leicht bei dem Künstlerverbande Deutscher Bildhauer
oder dem Senat der Akademie Rat holen könnten, sich so
oft bei Konkurrenzausschreiben über die berechtigten wünsche
der Künstler Hinwegsetzen, sich womöglich noch mit einer
Autorität deckend, die sich aus irgendeinem Grunde für
das betreffende Iuryamt hergibt.
Hierüber ließe sich noch vieles anführen, ebenso über
die Irreführung des kaufenden oder bestellenden Publikums
und der jungen Künstler durch unberufene Kritiken, wie es
schon in einem Artikel des Herrn w. Rudinoff in Nr. 2
der „Werkstatt der Kunst" angedeutet ist, doch glaube ich
den zur Verfügung stehenden Raum schon zu sehr in An-
spruch genommen zu haben und schließe daher mit dem
Wunsche, daß meine Zeilen dazu beitragen mögen, das
Vorurteil gegen unsere Hochschulen etwas zu mildern.
Lrnst Nerter.


Anfrage aus ciem Leserkreis
——

wer kann mir eine Firma nennen, die alte Rüstun-
gen nachbildet? R. G. in Kassel.

Vie Reform der
Vuäapeller Runllfekulen

Kunstunterricht in Ungarn vor vierzig Jahren. — Man
kann sich die Sachlage auch ohne gründliche Kenntnis der
Verhältnisse vorstellen. Der Mangel an Lehrkräften ist
auch gegenwärtig sehr groß, vor vier Dezennien lag der
Unterricht der Zeichnung selbstverständlich in überwiegend
großem Teile in Dilettantenhänden. wurde das Jakob
Marastonische Atelier in Buda geschloffen und das Land
blieb für zehn Jahre ohne Kunstschule.
Der um die ungarische Kultur sehr verdiente Minister
Baron Josef Lotvös warf dann die kurz nach feinem Tode
zur Tatsache gewordene Idee der Begründung eines staat-
lichen Instituts für Kunstunterricht auf. Er ließ die euro-
päischen Kunstschulen durch Gustav Kelety studieren. Die
auf Grund dieser Studien organisierte Zeichenschule und
Bildungsanstalt für Zeichenlehrer wurde im Jahre ^871.
eröffnet. Zum Direktor ist Kelety ernannt worden, der
diese Stelle bis zu feinem 1902 erfolgten Tode bekleidete.
Das Institut, das im Jahre l9O8 den Titel „Hoch-
schule für bildende Kunst" erhielt, blickt auf eine abwechs-
lungsreiche Vergangenheit zurück. Ls mußte anfangs pä-
dagogischen Lharakter haben. Es galt nämlich vor allem,
das Land mit Zeichenlehrern zu versehen und für das Ver-
ständnis der Kunst eine festere Grundlage zu schaffen. Die
Schülerschaft teilte sich in Zeichenlehrerkandidaten und
Künstlerzöglingen. Beide Gruppen wurden zusammen unter-
richtet. Für die angehenden Künstler war ein Teil der
theoretischen Studien nicht vorgeschrieben. Die jungen
Künstler erwarben jedoch gewöhnlich das Lehrerdiplom.
Die gemeinsame Arbeit, die aber stufenweise auf wenige
Studien reduziert wurde, erwies sich mit der Zeit beider-
seits störend und hemmend.
Die Schule stand eine Zeit lang, bis darin Karl Lotz
und Bartolomäus v. Szekely die maßgebende Rolle spiel-
ten, hauptsächlich auf klassizistischer Grundlage, obwohl sie,
um rein diese Richtung zu vertreten, zu spät entstanden ist.
Um ihrer spezifischen Kulturaufgabe zu entsprechen, nahm
sie in ihr Programm auch die ornamentale und kunst-
 
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