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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Muther, Richard: Feuerbach, v. Marées und Böcklin
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Vermischter Nachrichtenteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0111

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heft 8.

lich den hohen Ernst seines Strebens anstaunen. Denn auch
das, was er erreichte, ist, so fragmentarisch es blieb, und
trotz der Zerstörungsarbeit, die er selbst daran vornahm,
doch von unsagbarer Schönheit. Fast das ganze t9- Jahr-
hundert hat den Zweck der dekorativen Kunst gänzlich ver-
kannt. vergrößerte Gelbilder mit der Darstellung historischer
oder genrehafter Episoden wurden als Riesenvignetten an
die Wand gepappt. Marses als erster suchte das Wand-
bild wieder zu einem raumschmückenden Element zu machen.
Die Bilder sollten nichts anderes, als mit Formen und
Farbenharmonien den Raum durchtönen. Statt des gegen-
ständlichen gibt es bei ihm nur formalen Inhalt. Nackte
Menschen, von Bäumen beschattet, ruhen auf grünem Rasen.
Lin Jüngling spiegelt sich in der Guelle, ein anderer pflückt
eine Frucht, ein dritter beugt sich, um die fortrollende auf-
zuheben. Lediglich aus der Kontrastwirkung von wagerechten
und lotrechten Linien, von stehenden, liegenden und sich
bückenden Figuren ergibt sich die Schönheit seiner Bilder.
Und das Stilgefühl, der Sinn für monumentale Einfachheit,
den er in der Komposition dieser Dinge an den Tag legt,
ist etwas Einziges in der Kunst des t9- Jahrhunderts.
Ls ist ganz wundervoll, wie harmonisch er die Linien der
Landschaft zu den Linien der Figuren stimmt; ganz wunder-
voll, nach wie feinen dekorativen Gesichtspunkten er die
Farbe gliedert, wie in der musikalischen Komposition jeder
Ton einem festen Melodiensystem sich einordnet, sind bei
Marses alle Einzelheiten Teile einer klar durchdachten li-
nearen Symphonie. Deutschland hätte in ihm einen noch
größeren puvis de Ehavannes, den bedeutendsten Monu-
mentalmaler des 19- Jahrhunderts haben können. Und
daß sein Schaffen ein bloßes Angebot blieb, ist in der Ge-
schichte der deutschen Kunst, die ja vielfach eine Geschichte
der verpaßten Gelegenheiten war, wohlcdie traurigste
Episode.
Arnold Böcklin steht neben Feuerbach und Marses,
deren Schaffen von Stilfragen bestimmt wurde, als Fabu-
lieret. Und da die anfängliche Ablehnung, die auch er
erfahren hatte, am Schluffe seines Lebens in maßlose Über-
schätzung umschlug, lassen sich überhaupt gewisse kritische
Bedenken kaum unterdrücken. Der Böcklin-Kultus begann
in den 90 er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die
großen Schlachten des Impressionismus schon geschlagen
waren. Man sehnte sich damals, nachdem ein Jahrzehnt
lang nur das Leben, das wirkliche Leben in den Bildern
dargestellt worden war, wieder nach Poeten und Phantasten.
Man wollte sich ergehen in versunkenen Schönheitswelten,
wollte untertauchen in den Gefühlswogen alter Epochen,
verlangte nach Bildern, die wieder Märchenstimmung in
unsere entgötterte Welt trugen. In England begann die
Schwärmerei für die überhitzte Stimmungslyrik des Dante
Gabriel Rofsetti, für die bleichsüchtig elegische Art des
Burne-Iones und die philosophischen Scharaden des George

s05
Frederick Watts. Sogar in Frankreich, dem sonst so klar
denkenden Frankreich, wendete das Interesse ästhetisierender
Kreise sich der altmeisterlich preziösen Kunst Gustave Mo-
reaus zu. Und die Parallelbewegung, die in Deutschland
gemacht wurde, bestand darin, daß man Arnold Böcklin
zum König einer neuen Kunstära ausrief. Darin lag ein
Irrtum. Führer in ein Neuland der Kunst konnte Böcklin
unmöglich werden. Denn erstens stand er,, so wundervoll
seine Bilder in ihren starken ungebrochenen Farben oft
waren, doch nicht auf der Höhe des modernen Kolorismus.
Er hatte, nachdem er anfangs konform mit den koloristischen
Bestrebungen des t9- Jahrhunderts gegangen war, später
eine Schwenkung zum italienischen Guattrocento gemacht.
Zwischen dieser Epoche und uns aber liegen velasquez und
der Delftsche van der Meer, die Maler des Rokoko und die
Impressionisten. Sie öffneten unser Auge für Nuancen,
die der Blick der farbenfrohen Künstler der Botticelli-Zeit
noch nicht bemerkte. Einem Koloristen wie Böcklin folgen,
dessen Werke eine gewiß bestrickende, doch mehr primitive
als moderne Schönheit hatten, würde also ein Preisgeben
dessen bedeutet haben, was das Resultat einer jahrhundert-
langen Entwicklung gewesen war. Zweitens: Auch der
Inhalt von Böcklins Kunst war nicht aus dem Boden
unserer Zeit erwachsen, wir sind voll des Staunens, daß
im Jahrhundert der Dampfschiffe und der Eisenbahnen,
der Telegraphen und Automobile noch ein Künstler lebte,
dem die Natur ein Wohnplatz für hellenische Götter war.
Im allgemeinen ist die Weltanschauung, aus der heraus
einst die Gestalten des griechischen Mythus geboren wurden,
längst zu Grabe getragen. Und da eine lebenskräftige
Kunst nur der Niederschlag der Atmosphäre ihres Zeitalters
sein kann, war es also falsch, wenn unter dem überwälti-
genden Einflüsse des Baseler Meisters nun eine ganze Reihe
jüngerer Künstler auf die Hervorbringung einer phantasti-
schen Kunst sich warfen. Diese Bedenken, die man mit
Recht gegen Böcklin als Schulhaupt haben mußte, bewirkten,
daß man das Urteil über seine Kunst überhaupt einer durch-
greifenden Revision unterwarf. Ls mußte festgestellt werden,
daß bei der Publikumsschätzung, deren er in seinen letzten
Jahren sich erfreute, weniger das rein Künstlerische als das
Stoffliche seiner Werke mitsprach. Ls war zu betonen, daß
er neben guten Werken auch vieles Schlechte geschaffen
hatte, und daß er sogar in seinen besten Erzeugnissen von
einem gewissen illustrativen Beigeschmack nicht frei ist, der
ein wenig vulgär wirkt, wenn man an die vornehme Zu-
rückhaltung denkt, die Feuerbach und Marses gegenüber
solchen erzählenden Dingen hatten. Doch alle diese Er-
wägungen können nichts an der Tatsache ändern, daß der
Name Arnold Böcklin doch ungeheuer viel bedeutet. Es
wäre Snobismus, wollte man, in Reaktion gegen den
Publikumsgeschmack, sich plötzlich der Fülle von Schönheit
verschließen, die das Oeuvre dieses Mannes umfaßt.

Die Werkstatt der Kunst.

Vermischter

Geplante Ausstellungen

Berlin. (Ls zanne-Ausstellung.) Paul Lassirer be-
reitet eine große Ausstellung von Werken von Lszanne
vor, die einen Ueberblick über das gesamte Schaffen des
vor zwei Jahren verstorbenen Künstlers geben wird. K!
Buenos Aires. Hier findet im Jahre t9lv eine Inter-
nationale Kunstausstellung statt. Um deren deutsche
Abteilung bemüht sich die „Gesellschaft für deutsche Kunst im
Auslande" und hat dafür vom Reich den Auftrag und die
finanzielle Unterstützung nachgesucht. Gb aber das Deutsche
Reich, das schon die Veranstaltung einer deutschen Kunst-
abteilung in Brüssel t9lo abgelehnt hat, um seine ver-
fügbaren Mittel für die Internationale Kunstausstellung
in Rom l9N zusammenzuhalten, nun für Buenos Aires
Gelder bereitstellen wird, erscheint uns sehr fraglich, doch
bleibt auf jeden Fall das Resultat der Bemühungen der
„Gesellschaft für deutsche Kunst im Auslande", die auf die

DackricktenlM.
Veranstaltung ihrer früher angekündigten eigenen deutschen
Ausstellung zugunsten der von der Argentinischen Re-
publik geplanten Internationalen Kunstausstellung ver-
zichtet hat, abzuwarten. Die Ausstellung findet vom
25. Mai bis ZO. September t9lO statt und enthält „Inter-
nationale Abteilungen" für Velgemälde, Aquarelle, Pastelle,
Zeichnungen, Skulpturen, Architektur, Dekorationskunst
und Graphik. — Lin guter verkauf ist zu erwarten, da
schon die kleinen Privat-Kunstsalons in Buenos Aires all-
jährlich sür über t Million Francs Gemälde und Skulp-
turen verkaufen. Verkaufsprovision tvo/<>. Zollfreiheit, die
bei einem verkauf oder bei Nicht-Rücksendung aber auf-
gehoben wird. — wir werden über die Organisation
der deutschen Abteilung sobald wie möglich wieder
berichten. Bis dahin empfiehlt es sich, von selbständigen
Schritten abzusehen, die schon deshalb zwecklos sein würden,
weil der verfügbare Raum nach unseren Informationen nur
verhältnismäßig gering ist.
Buenos Aires. Neben der Internationalen Kunst-
 
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