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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Die Eröffnung der Großen Berliner Kunstausstellung 1910
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March: Prinzipien des modernen Städtebaues
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0445

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Heft 32.

Die Werkstatt der Kunst.

sucht, wo das Genie aufhört-. Es ist allerdings höchste
Zeit, sich wieder „auf die handwerkliche Grundlage
zu besinnen, die die Grundlage aller Kunst ist", und es
wäre wohl besser gewesen, wenn dieser Mahnruf schon
vor zehn Jahren erhoben worden wäre und Beachtung
gefunden hätte. Und dann, wir vernehmen feit Jahren
den Ruf nach Heimatkunst, überall regt sich der Wunsch,
besser kennen, lieben und bewahren zu lernen, was deutsche
Art, deutsches Land, deutsche Geschichte und Kultur uns
bieten. Deutsche Menschen und deutsche Lande in deutschem
Geist künstlerisch zu gestalten, wird uns als heilige Pflicht
gepriesen — und gleichzeitig häufen sich die Aus-
stellungen fremder Kunsterzeugnisse! Von Paris
und aus anderen ausländischen Kunststätten holen unsere
Händler Werke zum Teil aus den Restbeständen der Ateliers
und aus den Lagerräumen der Kunsthandlungen für Berlin,
wo sie ihren Käufer finden. Auch wenn man der Be-
deutung Manets volle Gerechtigkeit widerfahren läßt, so
ist es doch schwer zu begreifen, welch' ungeheuere Summen
— wie es heißt — in der eben geschlossenen Ausstellung
gezahlt worden sind. Man kann leider nicht sagen, daß
die deutscheKunst im Ausland e mit gleicher Liebe
behandelt wird. Das ist ein Zustand, das sind Ver-
hältnisse, die wir beklagen, die unsere Kunst und unsere
Künstler aufs empfindlichste benachteiligen, und die einmal
gesagt werden müssen. Es ist nicht unseres Amtes, unsere
Sache mit der Feder zu führen, darum habe ich diesen
Anlaß benutzt, im Sinne meiner Kollegen zu sagen, was
uns am Herzen liegt, wir leben und wir sind Deutsche,
wir glauben ein Recht auf Anerkennung und Förderung
von unseren Volksgenossen zu haben/
Nach der Ansprache von Professor Kallmorgen nahm
Unterstaatssekretär wever, der in Begleitung von
Ministerialdirektor Or. Schwartzkopss und Geheimrat Schmidt
an Stelle des verhinderten Kultusministers erschienen war,
das Wort. Er entschuldigte zunächst den Kultusminister,
der wegen dringender parlamentarischer Geschäfte verhindert
sei, die Eröffnung selbst vorzunehmen. Der Unterstaats-
sekretär dankte dann im Namen des Ministeriums der
Kommission für ihre schwierige Arbeit und hoffte, daß die
Ausstellung ein erfolgreiches Resultat für die
deutsche Kunst zeitigen und das Verständnis des
Deutschen für Kunstausstellungen immer mehr heben
werde. Unterstaatssekretär wever erwähnte sodann, daß
der Staat zwar die Ausbildung tüchtiger Künstler fördern
nnd darauf hinwirken könnte, daß ungeeignete Elemente
serngehalten werden, daß er aber leider nichts dazu tun
könne, daß deutsche Kunst und deutsche Künstler im Auslande
mehr geachtet werden.
Am Schluß seiner Rede brachte er ein Hoch aus den
Kaiser aus und erklärte die Ausstellung für eröffnet. Es
folgte der übliche Rundgang, und am Nachmittag vereinte
sich die Künstlerschast mit ihren Ehrengästen zu einem
Bankett im Ausstellungsrestaurant."
Prinzipien cles modernen Städtebaues
Geheimer Baurat March hielt am t- Mai bei der
Eröffnung der Berliner Städtebauausstellung die
nachstehende Rede:
„Eine solche Ausstellung ist in diesem Umfange und
in ihrer Art die erste. Die direkte Anregung dazu wurde
durch den soeben beendeten Wettbewerb gegeben, der für
einen einheitlichen Bebauungsplan Groß-Berlins ausge-
schrieben war, und dessen Ergebnisse Sie in diesen Räumen
ebenfalls vorgesührt finden. Man hat mit Recht gesagt,
daß das Aufwersen der sozialen Frage als charakteristische
Tat und als der Ruhmestitel des vorigen Jahrhunderts
bestehen bleiben wird. Eine Blüte und Frucht dieser Aus-
saat ist das seit einigen Jahren mit fast leidenschaftlichem
Eifer ausgenommene Studium der Städtebaukunst,
das mit überraschender Gleichzeitigkeit und Lebhaftigkeit
in allen Kulturländern betrieben wird. Wohl besteht seit


Jahren eine gesteigerte öffentliche Fürsorge für das Volks-
wohl in der Förderung gesundheitlicher Wohnverhältnisse
und Verkehrserleichterungen, und großartige Leistungen und
Kundgebungen des erwachten Gemeinsinnes sind zu ver-
zeichnen. Aber wir gehen nicht irre, wenn wir die in die
Tiefe und Breite gehende Erregung des allgemeinen
Interesses für die Städtebaufrage auf den Zeitpunkt zurück-
führen, als man vor etwa 20 Jahren begann, aus die
künstlerische Bedeutung alter Städtebildungen hinzuweisen
und zu versuchen, die Ursachen ihrer eindrucksvollen Schön-
heit zu ergründen.
Das Problem der neuzeitlichen Städtebaukunft ist das
Gebilde der Großstadt.
Sie werden daher in dieser Ausstellung Beiträge zu
all den Fragen finden, die den Organismus der Großstadt
mit seinen bedingten Wünschen und seinen unbedingten
Forderungen so überaus verwickelt machen. — Als Voraus-
setzungen jeder Großstadtneubildung erinnere ich an die Schaf-
fung stets vergrößerungsbedürstiger Verkehrseinrichtungen,
an die notwendige Milderung der aus dem Wesen der Groß-
stadt sich ergebenden Wohnlichkeit, an die Gründung nicht
nur gesunder, sondern auch anmutig gelegener Wohnstätten,
die bei den Bewohnern Liebe zur Heimat und damit zum
Vaterlande zu erwecken und zu erhalten vermögen. Zu
krönen ist dann das Werk durch die äußere Schönheit der
Plätze und Straßen als Rahmen für die darin unterzu-
bringenden Gebilde angewandter und großer volks-
mäßiger Kunst. Bei der weiteren mächtigen Entwick-
lung, die Groß-Berlin vorausgesagt werden muß, und die
eine Folge seiner bevorzugten Lage im Mittelpunkt des
Kontinents und das Ergebnis des unaufhaltsamen Aus-
strebens seiner Bevölkerung ist, gewinnen alle diese Fragen
für uns eine außerordentliche Bedeutung. Das Rückgrat
für die organische Entwicklung jeder Großstadt wird stets
die Verkehrsfrage bilden. Sie werden in der Ausstellung
Uebersichtspläne finden, die interessante vergleiche zwischen
den Verkehrseinrichtungen großer Städte, besonders Londons
und Berlins, ermöglichen. Sollten diese vergleiche auch
nicht überall zugunsten unserer Stadt ausfallen, die sich
mit ganz ungewöhnlicher Schnelligkeit entwickelt hat, so ist
doch hier der Ort, einmal dankbar anzuerkennen, wie im
Schoß einer einheitlichen Leitung die Eisenbahnverkehrs-
frage im Personen- und Gütertransport bisher in einer
weise gelöst werden konnte, die Groß-Berlin die Möglich-
keit des erstaunlichen Aufblühens überhaupt erst geboten
hat. Für die ferneren großen Ausgaben, die die gleich-
mäßige Bevölkerungszunahme in absehbarer Zeit unserer
Stadt stellen wird, können die mit außerordentlichen Mitteln
ausgeführten und hier zur Ausstellung gebrachten groß-
artigen Verkehrsunternehmungen des Auslandes ermutigende
Beispiele bieten. Die segensreiche Einheitlichkeit in der
Leitung des Eisenbahnwesens wird sich auch als förderlich
in der Regelung des stetig zunehmenden Wasserverkehrs
erweisen, der schon jetzt einen den meisten Bewohnern
Berlins unbekannten mächtigen Umfang durch die Zufuhr
und den Durchgang von Massengütern gewonnen hat, aber
durch den Großschiffahrtsweg von Stettin noch eine wesent-
liche Steigerung erfahren wird. Die ausgestellten Pläne
unmittelbar mit der Stadt verbundener Hafenanlagen von
Lübeck, Frankfurt und Mannheim werden das Interesse
auch von Nichtfachleuten erregen. Das erste Ziel jeder
Stadtentwicklung bleibt die wirtschaftliche, sozial zu-
trägliche und schöne Gestaltung des Wohnungs-
wesens.
Bodenpolitische Probleme werden in der nächsten Zu-
kunft die Hauptfragen der städtischen Politik bilden müssen.
In der Wohndichtigkeit übertrifft Berlin neben Paris alle
anderen Großstädte. Zu ihrer Behebung wird das hier
zurzeit schwer durchzusührende, anderwärts seit langem üb-
liche Einfamilienhaus stets das Ideal bleiben. Das Be-
wohnen des Einzelhauses, sei es auch in der bescheidensten
Form eines Reihenhauses, ist die berechtigte Sehnsucht, die
viele Tausende haben, und deren Erfüllung gleichzeitig
staatserhaltende Kräfte im Volke frei macht und in fried-
 
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