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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Elster, Alexander: Bilderrahmen und Bühnenrahmen: eine vergleichende Betrachtung
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Ausstellungssorgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0374

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368

Die Werkstatt der Kunst.

heft 27.

VUckerrakmen unct Vüknenrakmen

Line vergleichende Betrachtung*).

Künstler wissen, wie schwer es ist, für ein Kunstwerk
den richtigen Rahmen zu schaffen. Und das ist mehr als
bloße Geschmackssache: es ist der Ausdruck eines tief inner-
lich im Kunstwerk liegenden Gesetzes, und deshalb ist das
Problem kein isoliertes für Bilderrahmen, sondern in
gleichem Maße wirksam für jede Kunstsorm, in der ein
Rahmen für eine Idee gesucht wird, — also für Bühnen-
bilder, ja sogar schon für die dichterisch-bildnerische Ein-
fassung einer dramatischen Idee. Ls ist in allen diesen
Fällen das gleiche Grundlegende: unter der Decke der Er-
scheinung des gemalten oder des Bühnenbildes ist die Idee
wirksam geworden; zu dieser Idee soll der Rahmen stimmen,
aber auch zu der äußeren bildlichen Formgebung soll der
Rahmen stimmen. Diese Doppelforderung hat zu wunder-
lichen Auswüchsen im Bilderrahmengeschäft geführt. Ich
babe da einen Katalog vor mir für künstlerischen Wand-
schmuck, auf dem wahre Grgien geschmacklosen Linrahmens
gefeiert werden. Fast jedes einzelne Bild hat seinen Mri-
ainalrahmen, der reich verziert ist und dessen Verzierungen
die Idee des Bildes sortzusetzen bestimmt sind. Für Land-
schastsbilder hat man da Rahmen gewählt, die selber mit
Bäumen, Blumen, Sträuchern verziert sind, und sogar mit
blühenden, obschon der Rahmen auch für eine Winter-
landschaft bestimmt ist. Dieser Sondersall sollte schon das
Widersinnige solcher Manier zeigen, aber weit gefehlt,
scheint er nur zu noch größeren Exkursen ins Reich des
Bizarr-Formlosen verführt zu haben. Wenn von Musika-
lischem auf dem Bilde die Rede ist, nähert der Rahmen
sich der Form einer Lyra, wenn das Bild vom Frieden
handelt, ziert den Rahmen ein Palmenzweig usw. Das
handgreiflichste des Bildes, das jeder auch ohnedies versteht,
wird auf dem Rahmen noch einmal betont. Aufdringlich
ist das. Aber noch mehr: es ist auch töricht, es nimmt
eine Idee des Bildes und unterstreicht sie zum Schaden
der übrigen Ideen, die in dem Bilde außerdem lebendig
sind. Und noch mehr: es ist geschmacklos; es zeigt die
ganze Unfähigkeit, das Bildhafte durch den Rahmen
hervorzukehren, es erniedrigt die darstellende Kunst, indem
es einen Punkt des Bildes zum Programmpunkt verge-
waltigt und die Harmonie der ganzen Konzeption zerstört
und tötet. Das Problem, einen harmonisch gestimmten Bild-
rahmen zu finden, ist mit solchen Firlefanzereien nur um-
gangen. Und des halb sind sie eben geschmacklos. Weil siedem
Problem nicht offen ins Gesicht sehen und mit Unwahrheiten
zu verdecken suchen, was geradeaus zu lösen viel schwieriger ist.
Ls handelt sich darum, die tiefste psychologische Be-
deutung eines Bildwerkes zu erfassen, wenn es richtig ge-
rahmt werden soll, und dann den dieser inneren Bedeutung
entsprechenden Rahmen zu finden. Die liegt manchmal
ganz wo anders, als man von vornherein annimmt. Ich
habe das z. B. mit einer Reproduktion von Thomas Grals-
burg ausxrobiert. Ls war ein Kohledruck in Blau, und
ich nahm zunächst einen einfachen, nicht sehr breiten Eichen-
rahmen, der in dem dunkelsten blauen Ton des Bildes
gebeizt war, um so den Ton, wie ich meinte, am besten
fortzusetzen. Es sah nicht schlecht aus und war dennoch
ein Irrtum; ein breiterer schwarzer Rahmen wirkte viel
besser, warum? Vielleicht weil das Blau der Repro-
duktion selber nur Notbehelf und nicht ein Ausdruck der
bildnerischen Idee selber war. Deshalb durfte diese Farbe
nicht betont, sondern mußte gedämpft werden, um das Ge-
heimnisvolle, das sie an sich gut wiedergibt, rein hervor-
treten zu lassen. Solche Erfahrungen kann man zu Hun-
derten machen und jedesmal kann die Lösung des Problems
im gegebenen Fall eine andere sein, immer aber eine mit
den feinsten Reaktionen künstlerischen Schaffens und Ge-
nießens zusammenhängende. Die Idee eines Bildes durch

den Rahmen sortzusetzen, ist also unter allen Umständen
ein Unding. Ls kann sich nur darum handeln, den bild-
nerischen Eindruck durch den Rahmen zu heben, impressio-
nistisch das sortzusetzen, was das Bild an Schauwerten
der Form und Farbe — nicht der Idee gibt.
Gleiche künstlerische Sätze gelten für das Problem des
Bühnenrahmens — und deshalb seien ein paar Betrach-
tungen darüber hier angefügt. Das Objekt verlangt natür-
lich ein paar Modifikationen, aber im wesentlichen gelten
keine anderen Gesetze. Schon wenn der dramatische Dichter
einen geeigneten Rahmen für seine dramatische Idee sucht,
so braucht er oftmals nicht einen solchen, der gerade dieser
Idee adäquat ist, vielmehr einen, der in gewissem Kontrast
zu ihr steht, damit die Idee sich um so reiner und kräftiger
abheben könne. Insbesondere aber, wenn er Form und
Farbe, das schauspielhaste Gewand der Idee gefunden hat,
muß der Bühnenrahmen ganz diesem Gewände des Kunst-
werkes, dieser Form und Farbe, diesem Stil angepaßt
werden, ohne irgendeine unmittelbare Beziehung zur
Idee des Dramas. Das ist auch der tiefere Grund des
Problems einer Shakespearebühne, der Frage nämlich, wie-
weit für gewisse Merke eine dekorationsarme Bühne, eine
nur andeuteude Reliefbühne am Platze ist. Diese an zwei
so verschiedenartigen Punkten künstlerischer Technik zutage
tretende Erkenntnis ist für kunstgewerbliches Schaffen nicht
ohne Bedeutung. Den inneren Stil eines Kunstwerkes, sei
es Dichtung, sei es Bild, zu betonen, ist gewiß nicht leicht,
aber es ist ein wesentliches Glied künstlerischer, das heißt
harmonischer Wirkung. Warum Shakespeares Dramen,
die für eine einfachere Bühne versaßt sind, eine solche
immer wieder verlangen, das liegt in ihrem Stil, ihrer
dramatischen Technik begründet, während die Idee oft ge-
nug — etwa im Hamlet, Macbeth — die denkbar modernste
ist und ebensowohl von glänzendstem szenischen Prunk ein-
gerahmt werden könnte, ohne unharmonisch zu wirken.
Diese Erkenntnis, daß es aus den verschiedensten
künstlerischen Gebieten einheitliche Gesetze selbst dort gibt,
wo man sie nicht vermutete, ist nicht uninteressant. Daß
man einen Garten einrahmt nicht nach seiner „Idee",
sondern nach seinem Stil, seiner Form und Gestaltung, ist
nichts Neues; aber bemerkenswert ist es, daß diese gleichen
Gesetze auch dort gelten, wo die Idee scheinbar das über-
mächtig herrschende ist. Man ersieht daraus wieder, wie
in bildnerischen Dingen eben die Schauwerte über die fein-
sinnigsten ideellen Beziehungen triumphieren.
Or. ^lexuircler LIster-Iena.

AussteUungslorgen

Wir empfingen die nachstehende Zuschrift:
„Der Linlieserungstermiu für die „Große Kunstaus-
stellung zu Berlin" wurde, wie alljährlich, bis zum
März festgesetzt, der Anmeldetermin aber schon bis
l. März. Diese frühere Anmeldung wird begründet mit
der Vorbereitung zur Herstellung des Kataloges. Weder
die „Große Münchener Kunstausstellung" noch die
„Secession" kennen diese völlig unnötige bureaukratische
Maßnahme (wie aus der „W. d. K." zu ersehen ist), da
der Katalog ja erst nach Annahme der Werke in Angriff
genommen werden kann; denn wenn die Mehrzahl der
Werke, wie tatsächlich, zurückgewiesen wird, so muß doch
eine ganz unnötige Arbeit entstehen!
Die Frage ist doch nicht von der Hand zu weisen, warum ?
Oder hat die frühere Anmeldung einen anderen Zweck, und
welchen?
Der Bescheid, ob die eingesandten Werke angenommen
oder zurückgewiesen worden sind, geht den Beteiligten erst
in den allerletzten Tagen des April, ja manchmal erst am
 
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