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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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K.: Das Wichtige in der "Flora"-Frage
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Zollbehandlung von Kunstwerken in den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0178

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^2

Die Werkstatt der Kunst.

Heft ^3.

niederschreibe. Und mir fällt die alte Anekdote von dem
russischen Hebräer ein, den ein Ausländer frägt, wieviel
Juden es wohl in Rußland geben mag. „pha, hab'n
Sie 'ne Ahnung! Tausend!" Für ihn ging der Begriff
„Tausend" höher, als wenn er die wirkliche Ziffer, das
ZSOfache, gesagt hätte. Für mancher: von uns gilt der
Begriff ;ooo Mk. gleich dem Begriffe „Millionär", gleich
dem unfaßbaren Reichtum.
Wer so ein bißchen in den Ateliers herumgekommen, das
graue Elend und den Jammer sieht, der da zu Hause ist,
diesen heroischen Kampf dieser vielen, das endlose Maß
von Ausdauer und Ringen um ein fragliches Ziel, wer fo
vielen guten Willen, ehrliche Kraft und Begabung an der
Wucht der Verhältnisse zerschmettern gesehen hat, wer so oft
den Ausruf gehört: „Hätt'ich doch nur einmal 500 Mk., um
3 Monate lang ruhig zu schaffen, für mich, ungestört meinen
Zielen nachzustreben — 3 Monate lang ohne Sorgen und
Angst vor der Frage, wovon ich morgen existieren werde! —
was wäre ich glücklich! ..." — wer mit ansieht, wie dieser
oder jener talentierte Mensch, der manches geben und
leisten könnte, wenn ihn die Lebensverhältnisse ein wenig
besser gebettet hätten, von Stufe zu Stufe sinken, täglich ein
Stück mehr von seinem Ich verbröckeln muß, um den Kampf
ums tägliche Brot siegreich — ach was, siegreich! — schmach-
voll zu bestehen, — der wird wohl auch mit mir die
t80000 Mk. für die noch dazu fraglicherweise authentische
„Flora-Büste" des Lionardo etwas übertrieben finden. „Was
haben denn Museumsankäufe aus meiner Tasche mit dem
Künstlerelend zu tun?" hör' ich den Fiskus mir in die
Ohren schreien. Gemach, mein verehrter Fiskus! Ich
weiß wohl, daß Sie nicht jeden, der da malt und bild-
hauert, unterstützen können, und das sollen Sie auch gar
nicht. Wenn man aber zusieht, wie Sie für Märchenbrunnen
ein Vermögen opfern, das genügend wäre, um ;oo Künstler-
existenzen auf die Beine zu helfen, wie Sie für eine noch
nicht einmal ganz einwandfrei authentische Büste des Lio-
nardo ein Stück Geld verschustern, das hinreichen würde,
ein ganzes Museum moderner Kunst, und zwar ein erst-
klassiges, einzurichten, dann, ja dann haben diese Museums-
ankäufe aus Ihrer Tasche eben sehr viel mit dem Elend
zu tun, das in den Reihen der Künstler dieses Landes
herrscht, und für das Sie eben kein geistreicheres Wort
wißen, als „Künstlerproletariat" und „Ueberproduktion".
Legen Sie, mein Fiskus, diese Gelder in Staatsaufträgen
an, aber nicht in solchen, die das Kunstbudget für Jahre
hinaus belasten um eines einzigen Brunnens und eines ein-
zigen Künstlers willen, gehen Sie zu den jungen und billigen
Leuten, die diese Ehre hoch einschätzen werden und Ihnen
für billiges Geld manches Gute leisten werden — man muß
sie nur finden wollen —, nicht aber jene Herren beehren Sie
unausgesetzt mit Ihrer Kundschaft, von denen das Wort gilt,
das man auf den braven Malbeamten Bougereau anwandte,
daß er nämlich stets einen Barverlust erleide, so oft er den
Grt menschlicher Einsamkeit aufzusuchen genötigt war. —
Suchen Sie nur in den Reihen dieser Kleinen und Unge-
fundenen, Sie werden manches Gute finden, auch solches,
wie Sie es brauchen, und dennoch gut, und trotzdem
künstlerisch, und werden dabei noch das Hochgefühl haben,
sich Leute zu verpflichten und zu erziehen. Uebergeben Sie
jährlich nur den achten Teil des Geldes, das nun in Form
einer fraglichen „Flora-Büste" im Kaiser Friedrich-Museum
unter Glas schlummert, einem Ihrer bewährten, gutbe-
soldeten Beamten (die ja von der Arbeit nicht gerade er-
drückt werden), der möge in die Tiefen steigen mit diesem
Gelde, in die Ateliertiefen, dahin kein Strahl von Mäze-
natengunst dringt, wo trotzdem gearbeitet und geschafft und
geschaffen wird. Mit 20 000 Nk. in der Tasche soll er diese
Reise antreten. Und da wird er manches gute Blatt,
manche gute Studie, manch künstlerisch wertvolles Bild zu
Gesicht bekommen und für einen geringen Preis erwerben
können. 200 solcher Sachen sind für dieses Geld zusammen-
zukriegen, und die Leute werden sie mit Freuden hingeben,
weil diesen Leuten ;oo Mk. einen Ansporn und ein
Spännchen sorgenfreier Stunden bedeuten werden. Und er

möge diese 200 Sachen nehmen, sie in einem der vielen
offiziellen Räume ausstellen, die unbenutzt und leer da-
stehen und sich dennoch so glänzend für diesen Zweck eignen
(wenn man sie nämlich dafür benutzen will). Und der
Staat möge diese Sachen mit soch^ Nutzen verkaufen und
er wird sie in kurzer Zeit alle, ohne Ausnahme, los sein
und wird im nächsten Jahre, oder wenn eben ausver-
kauft ist, Geld für neue Sachen haben und wird neuerlich
200 Menschen sür einen Augenblick stützen, manchem wohl
auch helfen können. Und diese jungen Leute werden nicht
das Gefühl haben, bewuchert worden zu sein, und der
Staat wird darum nicht unter die Kunsthändler gegangen
sein, wie es sich ja auch für eine solche Behörde nicht
passen würde. Dazu müßte Geld verwendet werden, nicht
um mit horrenden Preisen fragwürdigeMuseumserwerbungen
zu bestreiten; die eigenen jungen Blüten am Stamme
seiner Kunst müßte und könnte er oft mit ganz geringen
Mitteln vor dem Verdorren bewahren, während bei der
Art, wie heute mit dem Gelds gewirtschaftet wird, dann
selbstverständlich zur Unterstützung junger, neuer Kräfte
keines mehr da ist. Ich bin weder sür Reise- und andere
Stipendien, noch für Jahresunterstützungen und dgl. Der
Künstler soll unterstützt werden, aber nicht ohne prompte
Gegenleistung. (Sehr einverstanden! Red.) Für solche
Zwecke müßte Geld vorhanden sein, wenn es möglich ist,
englischen Kunsthändlern zu vermögen zu verhelfen; unser
Protest bleibt derselbe, auch wenn es sich um eine
echte Wachsbüste des Lionardo handelte.
Darin liegt für uns Künstler die peinliche Wichtigkeit
der „Flora"-Angelegenheit, nicht darin, was in ihrem Innern
gefunden wurde, ob sie echt oder unecht ist. Die Röntgen-
strahlen, mit denen man das Innere der armen „Flora" auf-
gewühlt hat, wären besser anderswo angewendet. Der Staat,
der die Kunst seines Landes unterstützen will, kann heute
nicht die alleinige Aufgabe haben, seine Museen zu be-
reichern, indem er horrende Gelder für alte Kunstwerke be-
zahlt. Wir Künstler verstehen unter „Kunstpflege" was
anderes! Zumindesten aber sollen und dürften wir nicht
gänzlich beiseite geschoben werden. Denn es steht wirklich
schlecht um uns, und es geht jährlich mehr verloren, in-
dem man uns beiseite schiebt, als durch Erwerbung einer
„Flora" gewonnen wird. Der Staat möge es auf eine Durch-
leuchtungsprobe ankommen lassen, und zwar, Herr Minister
— mit Röntgenstrahlen! K.

Tollbekanctlung von Kunst-
werken in clen Vereinigten
— Kraalen von Dorä-Amerika
Der K 7s 7 der Freiliste des neuen amerikanischen
Zolltarifs lautet:
„Kunstwerke, einschließlich Gemälde in Vel-, Mine-
ral-, Wasser- oder anderen Farben, Pastellmalereien, Original-
zeichnungen und -skizzen, Radierungen und Gravierungen,
ferner Bildhauerwerke, für die dem Schatzamtssekretär unter
Beobachtung der von ihm zu erlassenden Vorschriften ge-
nügender Nachweis erbracht wird, daß sie länger als
20 Jahre vor dem Zeitpunkt der Einfuhr vorhanden
gewesen sind. Der Ausdruck .Bildhauerwerke', wie er hier
gebraucht ist, bezieht sich nur auf Werke berufsmäßiger
Bildhauer, gleichviel ob sie rund oder in Reliefform, in
Bronze, Marmor, Stein, Terrakotta, Elfenbein, Holz oder
Metall hergestellt sind; der in diesem Gesetze gebrauchte
Ausdruck .Gemälde' umfaßt keine nützlichen Gegenstände
noch solche, die ganz oder teilweise schablonenmäßig oder
in einem anderen mechanischen Verfahren hergestellt sind;
die Worte .Radierungen' und .Gravierungen', wie sie in
diesem Gesetze gebraucht sind, bedeuten nur solche, die mit
der Hand abgezogen sind von Platten oder Steinen, die
mit Handwerkszeugen radiert oder graviert, keineswegs
 
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