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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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K.: Das Wichtige in der "Flora"-Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0177

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Heft s3.

Die Werkstatt der Kunst.

L. Schultes Kunstsalon, Berlin X^V 7, Unter den
Linden 75,
ermäßigte Jahreskarte zu 1,50 Mk.:
Gurlitts Kunstsalon, Berlin 35, Potsdamerstr. x^3
(Eintritt 50 pfg. statt t Ulk.),
Lassirers Kunstsalon, Berlin 9, viktoriastr. 35
(Eintritt 50 pfg. statt x Ulk.),
S ecessi o ns-Kunstausstellungen, Berlin W ^5, Kurfürsten-
damm 208/209 (Dauerkarte zu x Ulk.).
Der Vorstand.
0. A.: Helens I^obsclan, Schriftführerin.

Ilurkunft I» Kechtrsngelegenheltei».
Der Syndikus der„AllgemeinenDeutschenKunst-
genosfenschaft", HerrRechtsanwalt Or. Friedrich Rothe
in Berlin V/, Franzöfischestraße 2H/II, erteilt den Mitgliedern
kostenlos Auskunft in Rechtsangelegenheiten, die die beruf-
lichen Interessen der Mitglieder betreffen. (Sprechstunden
täglich, mit Ausnahme des Sonnabend, von qp/z bis 6 Uhr.)
Gesuche um Raterteilung werden, unter Beifügung von
möglichst vollständigem Beweismaterial, anr besten schrift-

(7s

lieh, — entweder direkt bei Herrn Vr. Rothe oder durch
die Vermittelung der Schriftleitung der „Werkstatt der Kunst"
eingereicht. -
Auch die Abonnenten der „Werkstatt der Kunst"
erhalten diese kostenlose Auskunft, doch haben sie ihr
Abonnement nachzuweisen und sich schriftlich oder münd-
lich an die Schriftleitung in Zehlendorf-Berlin zu wenden.

Der Redakteur der „Werkstatt der Kunst" Fritz
Hellwag hält jeden Dienstag und Sonnabend
zwischen 5 und 7 Uhr im Hotel „Askanifcher Hof", König»
grätzerstraße 2 t (Telephonamt VI, H67), eine öffentliche
Sprechstunde ab. Briefliche Anmeldung erwünscht.

Re-aktisns-Selephon.
Die Redaktion der „Werkstatt der Kunst" kann auch
telephonisch, am besten vormittags, unter: Amt Zehlen-
dorf Nr. 5H5 (ab x. Januar ^9x0 Nr. t053) angerufen
werden.

Schluß des amtlichen Teils.

Vas Mickrige in cler „^lora"-^rage

Nachdem die „w. d. K." sich nun doch entschlossen
hat, in der „,Flora'-Affäre" das Wort zu ergreifen — es
wollte anfangs scheinen, als trüge sie Bedenken, in dieser
Sache mitzusprechen, deren eminente Bedeutung für die
„Interessen bildender Künstler" so sehr, ach so sehr auf
der Hand liegt! —, so wollen wir denn dieser peinlichen
Geschichte hiermit gänzlich auf den Grund zu gehen trachten.
Denn peinlich ist nun einmal diese Sache, den Eindruck
haben wir alle, die wir die Affäre in ihren pro- und contra-
Artikeln der Zeitungen verfolgt haben.
Aber ich denke, das peinliche dieser Angelegenheit für
uns Künstler liegt nicht in dem Umstand, daß ein Museums-
direktor für schweres Geld eine Wachsbüste ankauft, weil
er glaubt, sie stamme von der Hand des Lionardo, während
sie angeblich in Wirklichkeit von einem obskuren Künstler
des XIX. Jahrhunderts stammt oder stammen soll. Pein-
lich für uns ist nicht der Umstand, daß in der Büste des
Lionardo angeblich das Gilet oder das Bettzeug des Herrn
Lukas vorgefunden wird, nicht im mindesten peinlich, viel
eher amüsant, daß man allerhöchsten Ortes die Büste für
echt erklärt und die Affäre damit abtun will. Für uns
Künstler hat dies alles keine Wichtigkeit, ja nicht einmal
Interesse. Lorot, dieser Große und Unsterbliche, der der
Welt mehr geschenkt hat, als alle Museumsdirektoren seit
Lionardo und sämtliche Kunstkritiker seit Lukas, hat sich
zwei Jahre in Rom aufgehalten und ist während dieser
Zeit kein einziges Mal in die Sixtinische Kapelle ge-
gangen. Auf die Frage, warum er dies nicht tue, ant-
wortete er kurz: ne in'interesse pas. Ich kenne eine
große Anzahl guter schaffender Künstler hier und in Paris,
Leute, die etwas leisten und das ganze Jahr keine Sehn-
sucht danach empfinden, sich für den Museumskram zu be-
geistern, sei es auch nur für eine kurze Stunde. Alle
wissen wir's ja: zwei Drittel dessen, was da drinnen hängt,
hat für uns Künstler — ich spreche hier nicht vom Publi-
kum — weder wert, noch Interesse. Den Rekord in dieser
Hinsicht schlägt beispielsweise eines der bedeutendsten Museen
der Welt: das Pariser Louvre. Man kann ruhig behaupten,
daß wir Künstler 900/0 des hier angesammelten, oft sinn-
los zusammengexferchten, schlecht placierten, endlosen Mate-
riales ruhig missen könnten, ohne danach zu fragen.
Hier in Berlin mag's ja etwas bester fein, auch in Mün-
chen — aber im Grunde kommt's doch auf Lins heraus,
was aber die Echtheit der da versammelten Herrlichkeiten
betrifft — danach frägt der moderne Künstler nun schon

gar nicht, wer ruhig über die Sache urteilt, kann vor
den Tizian-Kopien Lenbachs in der Münchener Schackgalerie
kaum weniger Kunstentzücken empfinden, als vor den Ori-
ginalen dieser Sachen. Die „Tiara" des Saitaphernes hat
jeden, der sie gesehen hat und etwas vom Handwerk ver-
stand, mit Bewunderung erfüllt, und in den Augen dieser
(allerdings wenigen) ist ihr wert nicht gesunken, als man
unter Hallo und schadenfroher Entrüstung konstatiert hatte,
daß sie von der Hand eines lebendigen russischen Gold-
schmieds stamme. Nun, sei die „Flora" ein Werk des
Lionardo oder eines von Lukas, und berge sie in ihrem
Innern edles wachs aus dem XV. Jahrhundert oder das
Bettlinnen des englischen Bildhauers — wenn sie gut ge-
macht ist, wenn sie ein Kunstwerk ist, so ist sie eben ein
Kunstwerk, und damit hat die Sache für uns Künstler ihre
Erledigung. Denn uns interessiert in erster Reihe das
Metier, die Art, die Mache und nicht, ob das Ding qoo Jahre
alt ist oder gestern fabriziert wurde.
Das peinliche an der „Flora"-Büste-Affäre liegt für
uns dort, daß es unter heutigen Verhältnissen möglich ist,
für ein Kunstwerk, das in seiner Art, bei aller Bewunde-
rung für Lionardo, und für seine Zeit, überhaupt für alles
Alte und Mufeumswürdige, durchaus kein großes Werk,
kein hervorragendes Stück ist, nichts Großes, nichts Ein-
ziges, ja nicht einmal etwas besonders Seltenes ist, der
horrende Betrag von x8oooo Mk. bezahlt wird.
Ls werden x 80 000 Mk. der Staatskasse entnommen, und
man kauft dafür eine Wachsbüste von Lionardo oder von
Lukas und stellt sie im Museum auf zur Freude und zur
Erhebung der Sonntags das Museum besuchenden Schneider,
Tapezierer und anderer festlich gekleideter Besucher, nicht
zu vergessen der vom Bildungsdrang erfüllten und dienst-
freien Mannschaften und Unteroffiziere der Berliner Garni-
son, allenfalls auch für die berufslosen Besucher an Wochen-
tagen, solche, die das Bedürfnis nach wohliger Wärme an
rauhen Wintertagen verspüren, und schließlich für die
Fremden, deren Mufeumsbesuche das einzige ist, das sie
auf ihren Reifen, mit dem Baedeker in der Hand, als er-
schwerend empfinden. Denn wie klein und verschwindend
ist die Anzahl derer, die hierher kommen, um sich an Kunst-
genüssen zu erbauen, ihre Seele zu läutern, zu lernen und
sich zu bilden.
1(80000 Mk.! Das ist ein schönes Geld, solche ein-
hundertundachtzigtausend Mark! Mir wird ganz schwindelig
vor den Augen, während ich diese Summe in Buchstaben
 
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