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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Bethke, Martin: Praktischer Unterricht in den Kunstakademien, 4
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Grolman, Dr. von: Die Kunst in Wiesbaden, 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0050

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Die Werkstatt der Kunst.

Heft q.


der Ausbildung zum Künstler aber gar nichts zu tun habe.
Dieser Ausspruch ist als von einem ersten, erfahrenen
Künstler kommend, wie der ganze Absatz, der ihn enthält,
äußerst beachtenswert. Auch ich mußte auf Wunsch meines
Vaters, der als Baumeister ein eifriger Verfechter der
Praxis ist, in einer Bildhauerwerkstatt arbeiten und meine
Innungsprüfung ablegen. Außer dieser Arbeit „in polz"
habe ich mir auch auf dem „Bau" den wind um die
Ohren gehen lassen und den Stein gemeistert.
Herr Best geht wohl zu weit, wenn er behauptet, daß
vier Monate Lehrzeit genügen. Aber wer vom Farbtöpfeaus-
kratzen und Wegelaufen verschont bleibt, der kann sich in
einem Jahre recht wohl mit der Technik vertraut machen,
soweit sie ein Innungsmeister lehren kann, was dieser nicht
mehr zu leisten vermag, das soll die Akademie geben, wie
es die Berliner nun bereits tut.
Aber die Aufnahmeprüfung! Pier möchte ich
eine Anregung geben in der poffnung, daß sie zur Gegen-
äußerung veranlaßt.
An der Münchener Akademie wurde seinerzeit (und
ich glaube, dies ist nicht nur bei den Bildhauern und in
München der Fall) als Aufnahmeprüfung ein Porträt
nach der Natur verlangt. Pier, nur hier liegt nach meiner
Ansicht der Grund dazu, daß junge Leute ausgenommen
werden, die nicht über „handwerkliches Können" verfügen,
das sie sich auch später nie mehr aneignen, wenn man
praktisch erfahrene Leute auf der Akademie haben will,
warum stellt man dann eine Aufgabe, die gerade sie nicht
lösen können?
Oder hat perr Geheimrat v. Werner als Stubenmaler-
lehrling Porträts nach Natur malen müssen? wie reimt
sich das mit dem Pinselwaschen? Kleine häusliche Pinse-
leien neben der den ganzen Tag in Anspruch nehmenden
Tätigkeit können doch nicht als Üebung gelten. Ich selbst
hatte während der Lehrzeit keine Gelegenheit zum por-
trätieren, obwohl ich abends noch in der Gewerbeschule
modellierte. Nur dadurch, daß ich noch ein Jahr Schüler
des perrn Prof, wrba wurde, konnte ich die gestellte Auf-
gabe lösen. Also perr Eug. Kalkschmidt — noch ein
Jahr!
Leicht hatten es bei der Aufnahmeprüfung diejenigen
ohne Praxis. Ich lernte mehrere junge Leute kennen, die
sich ganz kurze Zeit in privatschulen „auf Porträt und
Akt" hatten drillen lassen und damit genügten. Künstler
dieser Art sind natürlich darauf angewiesen, „ihre Arbeiten
so vor der Veffentlichkeit erscheinen zu lassen, wie sie aus
den pandwerkerhänden des Steinmetzen oder Bronzegießers
hervorgehen".
warum muß es denn gerade ein Naturporträt sein?
Ich höre die Erwiderung: „Ja, der Aufzunehmende soll
eben schon eine gewisse Vorstufe erreicht haben."
Man stelle doch eine zu jeder Aufnahme-
prüfung zu ändernde praktische Aufgabe! Das hier
erzielte Resultat bringt alles an den Tag, und wir erhalten
Akademieschüler, deren jeder imstande ist, eigene Entwürfe
auch selbst fertig zu stellen. Martin Leilllls.

Oie Nunll m Mesbacten. IV

Sehr geehrte Redaktion!
von einer längeren Reise zurückgekehrt, finde ich in
Ihrem geschätzten Blatte eine Reihe von Artikeln über
die angeblich traurigen Verhältnisse der Kunstpflege in
Wiesbaden, wer diese Artikel liest, muß den Eindruck er-
halten, als ob am hiesigen Orte die Kunstpflege lediglich
durch den seit bestehenden Nassauischen Kunstverein
und die beiden ortsansässigen Kunsthandlungen vertreten
sei. Ich bin über diese Darstellung um so erstaunter, als
unsere seit zehn Jahren bestehende Gesellschaft fast sämt-
liche von ihr veranstalteten Ausstellungen durch Einsendung
von Katalogen usw. auch Ihrem Blatte zur Kenntnis brachte,
und was diese Ausstellungen bedeuteten, mögen Sie selbst

aus den diesem Schreiben nochmals beigefügten Druck-
sachen ersehen, wir veranstalteten alljährlich mindestens
vier, öfters auch fünf bis sechs größere Ausstellungen, die
wohl in der Mehrzahl der Fälle ^oo und mehr Nummern
umfaßten. Nur in diesem Frühjahr wurde wegen der
hiesigen Gewerbeausstellung und ihrer Kunstabteilung
unsererseits von allen Veranstaltungen abgesehen. Nicht
wenige unserer Ausstellungen traten von hier die Reise
nach größeren Kunstzentren an, wiederholt auch nach Berlin.
Ohne Uebertreibung kann man sagen, daß es uns dabei
mehrfach gelungen ist, Ausstellungen von einer Bedeutung
darzubieten, wie sie sonst nur in den größten Kunstzentren
zu finden sind. Wenn Sie den Katalog unserer „Inter-
nationalen Porträtausstellung" durchsehen, so werden Sie
sich überzeugen, daß derartiges auch in Berlin und München
vielleicht nicht alle Tage geboten wird, wenigstens haben
mir dies Münchener Künstler selbst bestätigt. Diese Aus-
stellung wurde beiläufig von uns selbst zusammengebracht.
Im Jahre der Eröffnung des Kurhauses gelang es uns,
die von Keller 6c Reiner veranstaltete Bartholoms-Ausstel-
lung mit dem Nonument aux rnorts hierher zu ziehen,
die nur noch in Wien, München und pamburg gezeigt
wurde. Ich erwähne dann noch eine Thoma-Ausstellung
von 60 Nummern, eine Liebermann-, Raffaelli-, Zorn-,
Zügel-, Steinhausen-, Kalckreuth-, Kallmorgen- usw. Ausstel-
lung, von denen die meisten ein geradezu umfassendes Bild
von dem Lebenswerk der betreffenden Künstler boten. Ich
erwähne eine schwedische, Dresdener, Stuttgarter Ausstel-
lung. wie Sie ferner aus unserem diesjährigen Winter-
programm ersehen, begann am to. Oktober eine Ausstellung
führender Berliner Künstler des Glasxalastes, der eine
umfassende Zwintscher-Bantzer-Ausstellung folgen wird,
während für das Frühjahr eine größere Raumkunstausstel-
lung der vereinigten Werkstätten vorgesehen ist. Letztere
erinnert mich übrigens an die zahlreichen kunstgewerblichen
Ausstellungen unserer Gesellschaft, die meist direkt einen
kunsterzieherischen Zweck verfolgten und öfters weitgehen-
den Einfluß auf die betreffenden Gebiete ausübten. So
z. B. die „Internationale Ausstellung für künstlerische
Bildnisphotographie" (l9O3), die erste ihrer Art, welche
eine große Bewegung in der Fachphotographie nach sich
zog, nicht zu reden von der „Ersten Ausstellung für Grab-
malkunst", von der aus die Reformbewegung auf diesem
Gebiete datiert. Auch die 600 Nummern starke „Plaketten-
ausstellung", die „Ausstellung für vernunftgemäß geleiteten
Dilettantismus", die für „Frauenkleidungsreform", gehören
hierher. Daneben liefen noch wiederholte Gesamtausstel-
lungen klassischer Meister (z. B. Rembrandts, Dürers,
Velazquez') in den besten derzeitigen Reproduktionsverfahren,
zu denen eingehende Führer, oft in der Stärke eines kleinen
Buches, den Mitgliedern unentgeltlich behändigt wurden.
Daß die Aufmachung dieser Ausstellungen und ihrer Kata-
loge modernen Ansprüchen durchaus entsprechen, bitte ich
mir auf Grund beiliegender Photographien usw. zu be-
stätigen. Pinzufügen möchte ich nur noch, daß Ihr Be-
richterstatter auch in unserer Galerie unter einer größeren
Anzahl der wertvollsten modernen Gemälde (z. B. von
Thoma, Kalckreuth, Trübner, Toroox, Kuehl, Kallmorgen,
I. E. Blanche) den Vermerk „Eigentum der Wiesbadener
Gesellschaft für bildende Kunst" hätte wahrnehmen
können. In vorzüglicher Pochachtung
Wiesbadener Gesellschaft für bildende Kunst
I. V.: Or. von QrollNLn, I. Vorsitzender.
(von den meisten dieser Veranstaltungen haben unsere
Leser fortlaufend Kenntnis erhalten, wie perrn vr. von
Grolman bekannt war, planten wir schon feit Jahresfrist
eine besondere Würdigung der „W. G. f. b. K>". wir hätten
das bei der Eröffnung des Kampfes gegen den „Nassaui-
schen Kunstverein" allerdings erwähnen können. Nun
hat man uns zur Erteilung dieses Lobes ungeduldig
herausgefordert. Also möge der Abdruck des vorstehenden
Briefes unser Einverständnis mit seinem Inhalt be-
deuten. — Red.)
 
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