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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Neumann, Ernst; Ehmcke, F. H.: Die Uniformierung der deutschen Aussteller in Brüssel
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Heft 38.

dem Anblick einer bis in die Puppen getriebenen lieber-
einstimmung des Deutschtums in eine Verzuckung geraten
soll über die Disziplin, mit welcher die Leitung ihre Aus-
gabe gelöst hat, sondern es sollen die Erzeugnisse eines
großen Landes vorgestellt werden und der Rahmen des
Ganzen soll dem Beschauer eine (Duelle der Abwechslung
und die Erinnerung an eine originelle Aufmachung erhalten.
Da kaum eine Firma mit Recht darauf verzichten will,
ihren Namen in kräftig dekorativer Form jedem Beschauer
von weitem deutlich sichtbar entgegenzuhalten, so glaube
ich nicht, daß sich die Automobilindustrie mit diesem Beschluß
zufrieden geben wird. Der künstlerische Wille eines stil-
vollen Eindrucks ist nur zu loben, vorausgesetzt, daß er mit
der notwendigen Einsicht und Rücksicht auf die in Frage
kommende Materie gehandhabt wird. Betrachten wir die
Automobilinduftrie. In ihrer Entwicklung spielt der Name
der Firmen eine große Rolle. Alles das, was eine Fabrik
oder ein Geschäft an Opfern gebracht hat, was es erkämpft
hat in kostspieligen Rennen, was es erzielt durch die ange-
strengteste geschäftliche Tätigkeit, das ist der Name, denn
für den Laien sind alles vierrädrige Motorwagen in grünem
oder rotem Anstrich. Die einen führen ein Phantasie-
schlagwort, die andern begnügen sich mit der Heraus-
stellung des Namens des Erfinders oder Fabrikanten,
immer aber ist es ein Name, ein Wort, die Marke, das
uns beim Hören und Sehen sofort ein Bild des wagens
oder eines siegreichen Renners in einer ganz bestimmten
Umgebung vor Augen stellt. Da stehen die Namen
„Mercedes", „Benz", „Opel" in ihren charakteristischen
Buchstaben vor uns und nun sollen uns auf einmal alle
diese Worte, die sich in ihrer charakteristischen Schrift un-
zertrennlich mit dem Bilde des dazu gehörigen Wagens
fest eingeprägt haben, diese wunder- und geheimnisvolle
Hypnose, die auf so vielen Ausstellungen den Besucher in
seine Gewalt zu bringen versuchte, dieser ganze prächtige
und dekorative Kampf der Namen, die den Blick wie
schöne, uns bekannte Athleten schon von weitem auf sich
lenkten, diese alle sollen in einen Dreß gesteckt werden,
damit sie in ihrer Uniform alle zusammen jedem Menschen
bis zur Ermüdung predigen, das sind die Deutschen, was
den kunstästhetischen Standpunkt nun anbetrifft, so haben
die verschiedenen Ausstellungen in London und Neuyork
längst den Beweis geliefert, daß derartige Uniformierungen,
wenn sie in die Praxis gebracht werden, nicht nur lang-
weilig wirken, sondern die Orientierung zwischen den
Ständen geradezu unmöglich machen. Es ist schade, daß
bei dein guten willen des Komitees nach Stilbildung und
Einheitlichkeit das Versehen unterlaufen konnte, daß dieses
nur durch die strikteste Uniformierung der Stände bis auf
die gleichen Farben der Samtunterlagen für die Aus-
stellungsgegenstände geschehen könnte. Alle diejenigen,
welche die pariser Salons gesehen haben, werden wissen,
wie wenig sich die Erinnerung etwa in bezug auf die
Renaultwagen von den zierlich-üppigen Lisenkonstruktionen
des Standes der eleganten Renaultaufschrift, die wir auch
an Berliner Droschken wiederfinden, trennen kann, oder
die Benzstände mit dem massigen Bild, das das kurze
Wort Benz in einfachen lateinischen Buchstaben bot.
Man denke sich nur, statt dessen würde sich der pariser
Salon plötzlich unter allen Anzeichen eines gallischen Stil-
bildungsversuches vor uns ausdehnen, alle die verschieden-
farbigen, mächtigen und originellen, teils sogar trans-
parenten Schriftbilder wären verschwunden und wohin wir
in der weiten Halle sehen, überall gleitet unser Auge
gelangweilt über die Universalschrift. Niemand würde sich
das vorstellen können beiden Franzosen und bei den Deutschen
da wird's Wirklichkeit. Anstatt daß die künstlerische Teil-
nahme in der Industrie zur Individualisierung führt, wird
sie herangezogen zur Erzeugung einer Uniform.
Anstatt daß die vielen Künstler, die heute bereits für
die Industrie tätig sind, innerhalb einer ganz allgemeinen
Beschränkung an der künstlerischen Ausgestaltung und
Individualisierung der Ausstellungsfirmen fördernd tätig
sein sollten, wird ein einziger, gewissermaßen ein typo-

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graphischer Wotan, mit einem Riesenvorteil ausgestattet,
und so sehr ich dem Kollegen Peter Behrens seine künst-
lerischen Erfolge gönne, so sehr empfinde ich es als Unrecht,
ganz abgesehen von einer sachlichen Unrichtigkeit, daß er
allein die graphischen Lorbeeren der Weltausstellung zum
pflücken bekommt.
Kunstgewerbe, das heißt aber auch mit künstlerischer
Tätigkeit auf der Stätte der Industrie Geld verdienen.
wo Geld verdient wird, entsteht ein Geschäft, wo ein
Geschäft entsteht, entstehen Geschäftsinteressen, zu den
Geschäftsinteressen gehört auch die Reklame. Dadurch, daß
ein Komitee einem einzigen Kunstgewerbler eine so unge-
heure Einflußsphäre anweist, wie im vorliegenden Falle,
macht es sich zum Protektor und Propagandisten dieses
einzelnen, dessen Geschäftsbetrieb dadurch begünstigt wird.
Jede Firma ist heute bestrebt, ihrer ganzen Propaganda-
tätigkeit ein möglichst individuelles Bild zu geben, jede
Firma sucht sich durch ihr Signet, ihre Namensunterschrift,
ihre Drucksachen, ihre Reklame so individuell wie möglich
zu entwickeln, damit sie jeder sofort zu erkennen vermag.
Um dies zu erreichen, mußte die Industrie sich an den
Künstler wenden und er allein war imstande, einer Firma
ein Gesicht zu geben. Der Hauptzug dieses Gesichtes wurde
stets von neuem die Namensschrift, das typographische
Bild des Namens. Dieses Gesicht soll nun auf dem
größten Jahrmarkt, den sich die Völker leisten, für Deutsch-
land verschwinden, um einer Maske Platz zu machen, die
das Komitee verordnet hat. So wäre alles das, was eine
Firma bis heute an Mitteln und Mühe aufgewandt hat,
um sich nicht nur einen Namen zu verschaffen, sondern diesen
Namen auch in einer künstlerischen Form dem Publikum
zu servieren, dieser weg, der das soviel besprochene und
ersehnte Ziel einer „Kultur" verfolgt, dieser weg soll mit
einem Schlage mit Brettern vernagelt und mit einer Auf-
schrift (in Behrens-Antiqua-Schrift) versehen, „gesperrt"
werden. !^suin»nn.
Der deutsche Reichskoniuiissav für die Weltaus-
stellung in Brüssel (9(0, Herr Geheimrat Or. Albert,
sandte uns auf die vorstehende Beschwerde folgende Ent-
gegnung:
Unter der Ueberschrift „Die Uniformierung der deutschen
Ausstellung in Brüssel" ist in Nr. q der „Allgemeinen
Automobilzeitung" ein Aufsatz zum Abdruck gebracht worden,
der — wohl infolge ungenügender Informationen — auf
irrigen Voraussetzungen beruht und daher nicht unbeant-
wortet bleiben darf.
Der Verfasser wendet sich gegen ein Rundschreiben des
Präsidenten des Deutschen Komitees für die „Weltausstellung
in Brüssel", daß alle deutschen Aussteller zur Verwendung
derselben Schrifttype — und zwar der Behrensantiqua —
für alle in Frage kommenden Aufschriften auffordere. Der
Verfasser sieht darin eine verfehlte künstlerische Maßnahme
und eine einseitige Bevorzugung eines Künstlers, des
Prof. Behrens-Berlin.
Demgegenüber ist zunächst darauf hinzuweisen, daß die
deutsche Automobilindustrie auf der „Weltausstellung in
Brüssel" in der deutschen Industriehalle untergebracht sein
wird, daß letztere Halle nur eine von den zahlreichen deutschen
Ausstellungshallen bildet und daß wiederum die Automobil-
industrie nur eine der vielen in dieser Halle vertretenen
Industrien ist. von einer Uniformierung sämtlicher deutscher
Aussteller kann daher keine Rede sein. Vielmehr werden
alle Hallen einen besonderen industriellen Lharakter in der
künstlerischen Ausschmückung erhalten und unter der Ober-
leitung verschiedener Künstler stehen. Prof. Peter Behrens
sind die Kraftmafchinenhalle, die Ingenieurhalle und die
Lisenbahnhalle zur Ausstattung übertragen worden. Hier
kommt eine ganz indifferente, einfache, überall übliche
Blockschrift zur Verwendung. (Also keine Behrens-Schrift!
Red.) Die Industriehalle steht unter der künstlerischen Lei-
tung des Architekten Otto Walter, der in seinen künst-
lerischen Entschließungen völlig selbständig ist und die

Die Werkstatt der Kunst.
 
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