Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

DOI article:
Schmidkunz, Hans; Hellwag, Fritz: Die deutschen Katholiken und die Pflege der Kunst, 3
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0040

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 3.

antikirchlich fromme — Hingabe durch wirkliche
Künstlerhände hindurch ins Kunstwerk hinein, dann
kommen so gewaltige Schöpfungen zutage, wie sie
die Kunstgeschichte in den verschiedensten Kulturen
verzeichnet.
Gewaltige — nicht gewaltsame Kunstwerke! Da-
mit kommen wir auf die „Tendenz". Gerne wohl
erlassen Sie mir eine erschöpfende Analyse des viel-
deutigen „Tendenz". Allein die zwei Verschieden-
heiten müssen wir doch aufdecken: Tendenz in dem
hier gemeinten Sinne von Kulturbekenntnis oder
dgl., und Tendenz in dem Sinne des Kampfes der
Gegensätze. Solche Tendenz ist mancherlei Kunst-
werken eigen oder kann ihnen wenigstens zukommen
— beispielsweise wenn K. F. Lessings „Huß vor
dem Konzil" im Jahre s842 den katholischen Künst-
lern zu Frankfurt im Städelschen Institut aufge-
drängt wird.
Die andere, die sozusagen tendenzlose Tendenz
ist es, welche der Katholikentagsredner seinen Aus-
führungen zugrunde gelegt hat. Man denke sich
diese Rede so umgeschrieben, daß sie mit sonst
gleichem Wortlaut beispielsweise eine mohamme-
danische oder meinetwegen eine sozialdemokratische
Gesinnung in der Kunst ausgesprochen wissen möchte:
warum mag man sich nicht freuen, wenn irgendwo
irgend etwas Tüchtiges produziert wird, begünstigt
durch die kunsterweiternden Interessen für Themen,
die bisher brach lagen oder wenigstens unausgeschöpft
blieben?
Oder man sollte nur eine allgemeine religiöse
Kunst pflegen? Tatsächlich aber wird auch eine
sehr spezielle religiöse Kunst gepflegt, wohin da-
mit? wohin mit Overbecks Sieben Sakramenten oder
mit Fritz Kunz' Franziskusbildern? Und was ist
denn das allgemein Religiöse eigentlich?
Oder man sollte nur eine ganz neutrale Kunst
pflegen? wenn's möglich ist!
Nein: schon des Wetteifers wegen tut neben
Kunstbekenntnis auch Bekenntniskunst gut. Halte
doch einer eine liberale oder sozialistische Rumpf-
Rede; wetteifere doch ein Kirchenfeind mit der kirch-
lichen Kunst; und vor allem: lern' er die bisherige
christliche Kunst kennen! Ist etwa gar eine Kunst-
pflege, welche dieser alle Ungerechtigkeit antut,
tendenzlos?
wer, wie der Schreiber dieses Briefes, sich mit
Wort und Bild um die christliche Kunst des Jahr-
hunderts bemüht, der weiß, welche Hindernisse da
schon der Materialsammlung entgegenstehen, und um
wie vieles leichter es die Beschäftigung mit der
weltlichen Kunst aus der nämlichen Zeit hat. Lr
weiß aber auch, was da geleistet werden kann und
geleistet worden ist. Und wenn er betrachtet, aus
welchem glühenden Inneren so viele Kunstwerke
jener tendenziösen Tendenz entsprungen sind, dann
darf er doch bitten, die Rumpfsche Rede nochmal
und ganz vorurteilslos zu lesen und sie durch ähn-
liche Literatur zu ergänzen, die ebenfalls nicht auf

die „Gegensätze", sondern auf das Eigene ausgeht,
und die samt der von ihr verteidigten Kunst ebenso
einer „Weltanschauung" dient, wie diese hinwider
der Kunst dient und bisher ihr doch wohl besser
gedient hat, als das „l'art pour l'art", das schließ-
lich auf ein ,,1'art contre l'art" hinauskommt.
Berlin-Halensee, s s. Oktober sHOH.
Tendenzlos der Ihrige:
O. Hans 8cttrriicklLun2.
An diesen „letzten Dingen" zu rühren, ist immer
sehr bedenklich. Ls wird direkt zur Gefahr, wenn
man es in gärenden Zeiten tut. Da aber die
Initiative diesmal mehr von der Kirche als von
den Künstlern, die von jener als Medien angesehen
werden, ausgegangen ist, so mußte es erlaubt sein,
die s)rogrammrede Rumpfs keineswegs im verächt-
lichen Sinne als „drastisches Kulturdokument" zu
bezeichnen und zu ihr in unserem Künstlerblatte
Stellung zu nehmen.
Ls ist eine allgemein anerkannte und beklagte
Tatsache, daß die religiöse Kunst im vergangenen
Jahrhundert sehr darniederlag. Aus dieser Tatsache
kann man keinen anderen Rückschluß ziehen, als
daß unter den Künstlern diejenigen religiösen Be-
kenner, die vom Volk zum Volke sprechen konnten,
gefehlt haben. Vielleicht fehlten sie deshalb, weil
das Streben der Völker, infolge der sie bestürmenden
praktischen Lebensaufgaben, viel mehr auf wissenschaft-
liche Erkenntnis als auf die Befriedigung metaphysischer
Bedürfnisse gerichtet war. Vielleicht konnten sie sich
auch deshalb nicht aussprechen, weil die Kirche zu
starr die veralternden Bekenntnis-Formen von ihnen
verlangte. Das vergangene Jahrhundert konnte
vielleicht eine interkonfessionelle, religiöse Kunst
deshalb nicht gebären, weil die Künstler, freiwillig
oder unfreiwillig, versuchten, für das der katholischen
und der protestantischen Kirche eigentlich Gemein-
same verschiedene, kirchlich-konfessionell gefärbte
Ausdrucksmittel, „Bekenntnisformen" zu finden.
Trotzdem wurden beide Konfessionen von ihren
eigenen Künstlern nicht einmal befriedigt, weil diese
die kirchlich-konfessionellen Besonderheiten, also die
Gegensätze, nicht deutlich genug ausprägen konnten.
Der Mißerfolg kam gewiß nur daher, weil solches
Ansinnen eine Vergewaltigung der Kunst und der
Künstler bedeutete.
Unsere Zeit enthält viele neue religiöse Keime,
sie wird auch wieder religiös empfindende Künstler
hervorbringen. Und solche Künstler, die ein meta-
physisches Bedürfnis in sich tragen, werden wieder
Werke schaffen, die das metaphysische Bedürfnis der
Beschauer befriedigen können. Nur soll man, wie
das ja auch Or. Rumpf in anerkennenswerter weise
befürwortet, die Künstler nicht zu früh wieder mit
ikonographischen Forderungen bedrängen. Die neue
religiöse Kunst wird sich wohl weniger auf dem Ge-
biete biblischer oder religionsgeschichtlicher Dar-
 
Annotationen