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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Schmidkunz, Hans: Geber und Nehmer der Kunstbildung, 3
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0078
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72

Die Werkstatt der Kunst.

Heft 6.

man's ja mit gar vielerlei Appellen zu tun hat. Einstweilen
scheint mir Privathilfe schon deshalb aussichtsreicher, weil sie
weniger umständlich und weniger verbindlich ist. Mäzene
heraus!
Das Mindeste aber, das geleistet werden könnte, würde
die Anmeldung zur Mitgliedschaft an einer zu gründenden
„Gesellschaft für akademische Pädagogik" sein, welche Ge-
sellschaft allerdings die Pädagogik sowohl der Wissenschaften
wie auch der Künste — keineswegs die der letzteren allein —
pflegen müßte. Seit nahezu zwei Jahrzehnten wird unserer-
seits eine Bemühung ausgeboten, die keineswegs fruchtlos
geblieben ist, jedoch einen größeren Betrag von Mithilfe
ganz wohl vertragen könnte. Warum kümmern sich so
Viele nicht um diese tatsächlich vorhandenen Anläufe?
Warum benützt und verbessert und ergänzt man nicht die
tatsächlich vorhandenen Leistungen?!
„Wir kennen nicht den pädagogischen roten Faden, der
allein den sicheren Weg weifen könnte." Darum müssen
wir ihn eben suchen, und zwar begreiflicherweise zunächst
auf Wegen, auf denen bereits etwas erreicht worden ist.
Das alles müßte natürlich so objektiv wie möglich
gemacht werden; denn nur dann kann man sich darauf
vollständig verlassen, politische Parteien, die einander
widerstreben, sind froh, wenn ihnen von wissenschaftlicher
Seite etwas ganz Verläßliches geboten wird, das nicht im
Verdachte steht, parteilich beeinflußt zu sein. Ebenso muß
auch unsererseits für Freund und Feind Basis geschafft
werden. Gehen wir von irgendeiner Parteifeite aus, wie
z. B. von einem Streben nach radikaler Aenderung des
Bisherigen, so leisten wir nicht das, was wir vorgeben,
und was man von uns erwarten muß. Also kurz: Material,
und zwar auch sür Die, so uns nicht gefallen! Die Wahr-
heit wird siegen.
Der Herr Vorredner stellt es als ungewiß hin, ob ich
mir meiner Absichten auch wirklich bewußt sei. Darauf
darf ich wohl antworten: Bewußt bin ich mir, daß ich
etwas objektiv Vorzügliches in einer subjektiv noch lange
nicht vorzüglichen Weise beabsichtige. Bewußt bin ich mir,
daß der Doppelbegriff von „Geber" und „Nehmer" die
warme Begrüßung verdient, die er hier gefunden hat.
Ebenso, daß jeder „Geber" auch „Nehmer" und umgekehrt
fein kann — über welches pädagogische Ideal besonders
gut die Geschichte der mittelalterlichen Universitäten in-
struiert. Bewußt bin ich mir aber endlich sehr bestimmt,
daß ich keineswegs der „Revolutionär" bin, als der ich
nach den jedenfalls sehr wohlgemeinten Worten des Herrn
Vorredners erscheinen könnte. Mir kommt es nicht auf ein
Umstürzen, sondern auf ein Schaffen auf pädagogischem
Gebiet an; und dieses Schaffen will ich eben vermitteln.
Nun zeigt die Geschichte der Pädagogik, daß es mit
einer Aenderung bestehender Unterrichtsformen von Grund
aus nicht so weit her ist. Hat es schon von vornherein
wenig Wahrscheinlichkeit für sich, daß irgendwo ein all-
gemein benütztes und wirksames Gut eine solche Aenderung
verdiene, so erkennt man auch im Nachhinein, daß die
großen Wirksamkeiten keineswegs auf einem solchen Revo-
lutionieren beruhen.
Wenn es nun heißt: „Diese Formen sind großenteils
erstarrt" usw., so gebietet doch die einfachste Gerechtigkeit,
zunächst einmal die andere Partei, d. h. die Vertreter dieser
alten Formen, zu Wort kommen zu lassen. Eine Spur
davon findet sich schon in demselben Heft unserer „Werk-
statt der Kunst", Seite 4:3f., „Praktischer Unterricht in den
Kunstakademien. IV". Auch dort wird Bestehendes kriti-
siert, aber doch so, daß die Berliner Akademie und Anton
v. Werner doch noch zu etwas Besserem da zu sein scheinen,
als bloß zum Abmurksen. Vergleiche Heft 5, S. 59—so.
Einer Geschichte der Kunstbildung werden „sicherlich
Rassen resp. Nationen den Weg weisen". Selbstverständlich
wird das nationale Moment, und meinetwegen auch das
der Rasse, sorgsam beachtet werden müssen und beispiels-
weise schon auf die Gliederung des Stoffes Einfluß haben;
allein andere Momente verlangen ebenfalls das ihrige.
Selbstverständlich müßte auch das Studium „weit zu-

rückgreifen". Das wird ja ebenfalls immer von unserer
Seite betont: die akademische Pädagogik ist lediglich ein
Teil der Pädagogik überhaupt und erhält von dieser fort-
während Nahrung. Nur bitte ich zu bedenken, daß uns
schon viele vorwürfe ob angeblicher Vermengung der Päda-
gogik auf den hohen Stufen mit der Pädagogik auf den
unteren Stufen gemacht worden find. Die spezifische Differenz
zwischen diesen beiden Stufen muß immer gewahrt bleiben;
aber das Gemeinsame ebenfalls. Lauter höchst einfache
und leichtverständliche Dinge; allein es ist kaum glaublich,
in wie nachlässiger weise hier die einfachsten Dinge miß-
verstanden werden.
Alles weitere, von dem der Herr Vorredner spricht, ist
eben Sache einer Arbeitsstelle, die wir bekommen müssen.
Nachgerade findet jegliches Fach sein Institut oder Labo-
ratorium, seine Zentralstelle oder Auskunftsstelle, sein
Seminar oder wie's eben heißt. Nur die akademische Päda-
gogik ist bisher nicht nur von den Universitäten und von
den sonstigen Hochschulen ausgeschlossen (worüber bereits
Universitätsprofessoren selbst geklagt haben), sondern findet
auch außerhalb dieses Kreises noch immer nicht ihren
eigentlichen Arbeitsansatz. Linen solchen aber braucht sie
nicht nur überhaupt, sondern auch in einem nicht allzu
geringen Umfang. Nur wer die Sache näher kennt, hat
eine Ahnung davon, wieviel sie umfaßt. Beispielsweife
würden wir für eine solche Arbeitsstelle bald mehrere
Sektionen — beispielsweise eben eine für die bildenden
Künste — brauchen und ebenso eine Truppe von Arbeits-
personen. Anfängen läßt sich natürlich auch mit ganz
kleinen Verhältnissen.
Ebenso nun, wie diese Weiterarbeit an der akademi-
schen Pädagogik nicht etwa bloß an die letzten Jahre,
sondern an die gesamte Vergangenheit anzuknüpfen hat:
ebenso müßte auch die Spezialpraxis, der sie dient, und mit
der sie nicht verwechselt werden darf, nicht aus dem Jetzt
allein, sondern aus dem Bisher hervorgehen. Daß z. B.
„Sehenlehren" noch nicht existiere, wird wohl auch der ge-
ehrte Herr Mitarbeiter nicht festhalten wollen. Jeder Dozent
der Kunstwissenschaft lehrt feine Jünger das Sehen; jeder
bessere Museumsdirektor und Lichtbildvortragende und
Schriftsteller lehrt es, wenn auch kaum einer so gut, wie
Alfred Lichtwark. Auf die aus unserem hochschulpädago-
gischen Kreis hervorgegangene Abhandlung „Die Schulung
des Auges im kunstwissenschaftlichen Unterricht", erschienen
in den „Pädagogischen Monatsheften", t9O3, IX/z, mache
ich deswegen noch eigens aufmerksam, weil sie auf einen
Vortrag eines Mannes, Prof. Bruno Meyers, zurückgeht,
der feit Jahrzehnten in der Praxis des Sehenlehrens steht.
Weniger wichtig ist die kleine Berichtigung, die ich
mir erlaube, daß nämlich die vom Herrn Vorredner ge-
brauchte Unterscheidung der „praktischen" Akademie und
der „theoretischen" Hochschule nicht zweckmäßig ist. Wir
können sowohl die praktischen wie auch die theoretischen
Anstalten der hohen Bildung mit beiden Namen benennen;
die Unterscheidung zwischen diesen liegt dann auf einem
anderen, uns hier nicht aufhaltenden Gebiet.
Daß der Meister nicht nach seiner Lehrkunst gefragt
wird, ist leider nur allzu richtig; die „Nehmer" seufzen
allzuoft unter der Last eines ungebenden „Gebers", und
durch die Hand der Studentenväter hindurch geht dann
wieder einmal der Verlust von einem Stücke des National-
vermögens. Nur werden wir wahrscheinlich über die Ver-
schiedenheit zwischen dem guten Schaffensmeister und dem
guten Lehrmeister nie ganz hinauskommen und werden
diese Differenz auch nicht so einfach abtun können. Es
gibt da noch mannigfaltige Abstufungen. War z. B.
Peter Cornelius schlechtweg ein schlechter Lehrer (während
F. v. Schadow jedenfalls ein ausgezeichneter Lehrer und
Direktor war)? Ferner bezweifle ich sehr, ob wirklich
nur in unserer Zeit die großen Meister meist schlechte
Lehrer sind, und ob wirklich in der ,„Kunsthochblüte"
die großen Meister gewöhnlich auch gute Lehrer waren.
Das läßt sich nicht so einfach erledigen; und der Vor-
redner hat Recht, die „allgemein üblichen und gebräuch-
 
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