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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Walther, Felix: Kunst- oder Liebhaber-Wert eines Gemäldes: (Urteil des Reichsgerichts vom 25. Februar 1910)
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Die Eröffnung der Großen Berliner Kunstausstellung 1910
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0444

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H38 Die Werkstatt der Kunst. Heft 32.

Kunst- ocler Liebkaber-Mert eines
Gemalcles
(Urteil des Reichsgerichts vom 25. Februar t9lO.)
Bearbeitet von Rechtsanwalt Or. Felix Walther-Leipzig.
Bei Brandschäden ist es von eminenter Bedeutung,
ob die Versicherung verpflichtet ist, Kunstgegenstände (Ge-
mälde, Kupferstiche u. dgl.) zum sog. Kunst- oder Lieb-
Haber-Werte zu ersetzen. Besonders instruktiv ist folgen-
der Fall:
Der Agent B. hatte bei der Norddeutschen Feuer-
Versicherungsgesellschaft seine bewegliche Habe gegen
Feuersgefahr versichert. In dem Verzeichnis der Sachen
war unter Kunst- und Luxusgegenständen mit einer Ge-
samtsumme von 6680 Utk. auch ein Gemälde, die See-
schlacht zwischen Engländern und Holländern im Jahre
l?97 darstellend, mit 6000 Mk. als mitversichert bezeichnet.
Als nun B. einen Brandschaden erlitt, bezifferten die
Sachverständigen in dem eingeleiteten Abschätzungsverfahren
den Wert des Bildes auf nur Z50 Mk. Da die Versiche-
rung nur diesen Betrag zubilligte, erhob B. Klage. Alle
drei Instanzen stellten sich jedoch auf den Standpunkt der
Versicherung und wiesen die Klage B.s wegen des Mehr-
geforderten ab.
Der 7. Zivilsenat des Reichsgerichts führte aus:
Die Versicherungsbedingungen unterscheiden ausdrück-
lich den Kunstwert und den Liebhaber-Wert von versicherten
Gegenständen. Wenn der Kunstwert versichert sein soll,
müssen die Gegenstände, namentlich Gemälde, in der Ver-
sicherungsurkunde besonders benannt sein. Die Versicherung
zum Liebhaber-Wert erfordert einen besonderen, diesen be-
ziffernden Antrag und dessen entsprechende Kennzeichnung
in der Versicherungsurkunde (K 2 der Allgemeinen Versiche-
rungsbedingungen). Eine solche Unterscheidung ist auch
gerechtfertigt. Kunstwert ist der objektive (gemeine) Wert,
den ein Kunstgegenstand im Verkehre hat. Daß der Kreis
derer, die Kunstgegenstände verkaufen und erwerben, der
Natur der Sache nach beschränkter ist, als bei anderen, der
Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienenden Dingen,
hindert nicht, von einem Kunstmarkte und von der Schätzung
Sachverständiger zugänglichen Preisen zu sprechen, die aus
diesem Markt erzielt werden. Der Verkehrswert eines
Bildes ist danach bestimmbar. Der Liebhaber-Wert be-
deutet mehr. Gb er gleichbedeutend ist mit dem Werte
der besonderen Vorliebe (dem Affektionswert) oder ob er
auch objektive Momente in sich schließt, die aus der Wert-
schätzung innerhalb des Kreises der Liebhaber zu entnehmen
sind, kann hier auf sich beruhen. Jedenfalls ist er etwas
anderes als der Kunstwert, und bedars der ausdrücklichen,
ziffernmäßigen Festsetzung in der Police. Daran fehlt es
im vorliegenden Falle. Gemäß den Bedingungen sind die
Gegenstände, die einen Kunstwert haben, darunter das
streitige Bild, besonders benannt und deshalb versichert,
aber lediglich nach dem Kunstwert. Der Betrag von
6000 Mk., der als Wert des Bildes angegeben ist, bildet
nur die Grenze, bis zu welcher die Beklagte haftet, ist aber
nicht eine diese verpflichtende Schätzung; vielmehr mußte
der wahre Kunstwert des Stiches, wie geschehen, durch die
Sachverständigenkommission ermittelt werden.
Demgemäß wurde die Revision zurückgewiesen.
Oie Eröffnung der GroKen Verliner
Kunstausstellung 1910
Das „Berliner Tageblatt" berichtet:
Berlin, den 30. April.
„Die feierliche Eröffnung der .Großen Berliner Kunst-
ausstellung l9lG fand heute nachmittag 2 Uhr statt. Lin
zahlreiches Publikum hatte sich im Blauen Saal einge-

fuuden; man sah viele bekannte Künstler, Gelehrte und
hohe Beamte. In der Mitte des Saales hatte die Aus-
stellungskommission mit den Ehrengästen Aufstel-
lung genommen. Die Feier begann mit einem von der
Singakademie unter Leitung von Prof. Schumann vor-
getragenen Lhor. Dann hielt der Präsident der Aus-
stellung, Prof. Kall morgen, die Eröffnungsrede, in
der er über die Bevorzugung der alten gegenüber
der neuen Kunst sprach. Besonders interessant war es,
daß der Redner an dieser Stelle die Ausführungen zitierte,
die der Führer der .Secession', Prof. Liebermann, vor
kurzem bei der Eröffnung der Ausstellung am Kurfürsten-
damm gemacht hatte.
Prof. Kallmorgen führte aus, welch kühnes Unter-
fangen es fei, heute zu einer Ausstellungseröffnung einzu-
laden, wenn man bedenkt, wie viele Ausstellungen
hier in Berlin in den letzten Jahren einander gedrängt
und abgelöst haben. .Deutsche, Franzosen, Engländer
längst entschwundener Zeiten. Wir sahen da das
Lebenswerk einzelner überragender großer Persönlichkeiten,
ihre besten Arbeiten, zusammengetragen aus dem Besitze
des ganzen Landes. Wir sahen mit unersättlichen Augen in
abgerundete, seit langem abgeschlossene Bezirke. Zusammen-
gefaßt die Werke erster Künstler einer Kulturperiode mit aus-
gebildetem, charakteristischem Kunstempfinden und Können,
Leistungen, die sie auf den Höhen ihres Künstlerlebens ge-
schaffen hatten, und die im Besitz von Königen und Edel-
leuten auf uns gekommen sind. Andererseits wurden und
werden uns die Werke moderner und modernster ausländi-
scher Künstler vorgeführt, die mit ihrem Schaffen noch in
unsere Zeit hineinragen oder noch leben, und deren Un-
sterblichkeit noch nicht durchaus verbürgt erscheint.
Sie werden fragen, warum ich das hier erzähle, und
was das mit unserer Ausstellung zu tun hat. Sehr viel
hat das damit zu tun. Die eine Gruppe von Ausstellungen,
die ich Ihnen nannte, zeigt uns Werke, deren Urheber
schon seit zoo oder 200 Jahren tot sind, wir verkennen
gewiß nicht, was die retrospektiven Ausstellungen uns
Künstlern und insbesondere auch der Kunstforschung
Schönes und Wichtiges gegeben haben. Ls würde
zu weit führen, es hier auseinanderzusetzen, aber man kann
sagen, sie haben durch ihre häufige Wiederkehr und die
damit verbundene Propaganda, sie haben durch die har-
monische und vollendete Geschlossenheit ihrer Erscheinung
unseren Ausstellungen der heutigen Produktion den Er-
folg erschwert. Mancher Sammler hat unter diesen
Einwirkungen große Summen nicht dem Künstler,
sondern dem Kunsthändler geopfert, um Werke in
seinen Besitz zu bringen, die zu erwerben wohl mehr
Sache eines öffentlichen Museums ist. Und die
wunderbar schönen Sammlungen dieser alten Meisterwerke
haben die Ansprüche unserer Besucher aufs äußerste ge-
steigert, und sie so verwöhnt, daß sie geneigt sind, an
unsere Unternehmungen der Gegenwart einen falschen Maß-
stab zu legen und sie ungerecht zu beurteilen. Der Besucher
begreift nicht immer zur Genüge, daß es sich in einem
Falle um Meisterwerke aus einer viele Jahrzehnte um-
fassenden Periode handelt und im anderen — in unserem
Falle — um eine Schaustellung der Produktion eines ein-
zigen Jahres.
Die zweite Gruppe von Ausstellungen nun, die ich
vorhin anführte, die ausländischen Meister der
jüngsten Vergangenheit und der Gegenwart, be-
urteilen wir allerdings viel weniger freundlich. Diese
Werke, die seit zehn Jahren und länger Jahr um Jahr
uns vorgeführt werden, die als Vorbilder und Meisterwerke
gepriesen werden, haben den unbefangen gebliebenen Be-
urteilten vielfach Enttäuschung und nicht die erhoffte Freude
gebracht. Diese Schaustellungen haben nicht nur den Laien
verwirrt, sie haben auch auf unsere jungen Künstler den
schädlichsten Einfluß ausgeübt. Sie sind wesentlich mit
daran schuld, wenn es dahin gekommen ist, daß — wie
es noch vor wenigen Tagen aus berufenem Munde
gesagt wurde —, ,daß der junge Künstler da anzufangen
 
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