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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Schmidkunz, Hans: Die Behandlung des Künstlers
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0471

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Heft 34.

dieses einen individuellen Künstlers, neben welchem jeder
andere Künstler die Sache wiederum auf seine Weise machen
würde — um so eigentümlicher, je mehr er eben Künstler ist.
Nicht nur der Handwerker oder der Techniker ist zu
etwas ganz anderem da, als zu einer solchen subjektiven
Leistung, sondern auch der Beamte. Nun wird es freilich
für die gewöhnlichen Menschen schwer, von dem, was ihnen
der Handwerker, der Techniker, der Beamte leisten, hinüber
zu denken zu einer davon so völlig verschiedenen Sache, wie
eben die Kunst eine ist. Und in dem Maß, als der Besteller
so denkt und den Künstler zwingt, jener Denkweise zu
folgen: in eben diesem Maße schwächt er den Künstler und
trägt dazu bei, daß die Künstler schließlich vielleicht wirklich
das werden, was ihnen so manche nachsagen — nämlich
Jünger einer Kunst, die nicht vom Können, sondern vom
Nichtkönnen komme.
Der Architekt will eine Apostelstatue in der von ihm
erbauten Kirche aufstellen, läßt sich einen Bildhauer emp-
fehlen und kommen, beauftragt ihn mit einem Modell und
erhält nach beispielsweise vier Wochen die verlangte Leistung.
Der Architekt ist wütend, daß die Leistung nicht so ausge-
fallen ist, wie er sie braucht und will; der Künstler jammert,
daß er vier Wochen arbeiten mußte und dafür seine Existenz-
mittel in Rechnung stellen muß; und unsereiner bekommt
dann von beiden Seiten das Schimpfen und Klagen zu
hören. Ist nun das strittige Werk gut oder schlecht? was
heißt beides? und wer soll darüber entscheiden? wenn
mir mein Schuster einen schlechtsitzenden Stiefel bringt, so
kann ich ihm die Arbeit, über deren Unpassendheit wohl
alle Beteiligten und Unbeteiligten leicht einig sind, zurück-
geben und zwar ohne Verpflichtung zu einem Schaden-
ersatz. Betrachte ich jedoch den Künstler von einem gleichen
Standpunkt aus, so habe ich nur gezeigt, daß ich von Kunst
nichts verstehe.
Diesem Streben des Bestellers, den Künstler in seinen
Dienst zu zwingen, mag immerhin manche Unklugheit auf
Künstlerseite gegenüberstehen. Daß wir nirgends in der
Welt ohne Abhängigkeit auskommen, und daß die Freiheit
des nicht festangestellten, sondern nach Vereinbarung
arbeitenden Menschen oft weit hinter der scheinbaren Un-
freiheit des Angestellten zurückbleibt, wird sehr häufig über-
sehen. Aber andererseits ist doch der Fall geradezu höchst
unwahrscheinlich, daß ein Künstler sich nicht bemüht, im
Rahmen seiner Kunst dem Besteller entgegenzukommen,
soweit nur irgend möglich. Den Künstlern geht es wenigstens
heute nicht so glänzend, daß sie sich allzuviel Spielraum
gönnen dürften. Um so dringender wird die Forderung:
rufst du den Künstler, dann mußt du auf ihn auch ver-
trauen und ihm überlassen, was er dir bringe!
vielleicht der größte Teil aller dieser Schwierigkeiten
geht darauf zurück, daß die dem Künstler gegenübertretenden
Personen und möglicherweise auch Künstler selbst sich gar
nicht recht klar machen, daß es sich bei Kunstleistungen um
ein Schaffen um ein Schöpfen handelt, und daß alles was
„Wiedergabe", „Darstellung", „Abbildung" oder dergl. heißt,
in der Kunst immer nur eine zweite Rolle spielt. Man
mag die schärfsten Anforderungen an Naturtreue oder dergl.
stellen: das kann doch immer nur untergeordnet sein dem
Erschaffen einer zweiten Natur durch den Künstler als
seiner eigentlichen Aufgabe.
Aber begreiflicherweise findet immer das Eigengewächs
weniger breiteres Interesse, als das Fremdgewächs. Schon
das Verhältnis des Bestellers allein treibt zum Fremdge-
wächs hin. Um so heikler wieder die Aufgabe des Be-
stellers, etwas zu bestellen, ohne es als sein eigenes zu
bestellen!
Und damit hängt nun auch die oft unglaublich rück-
sichtslose Mißachtung des Produktiven zusammen. Der
Fabrikant verwehrt durch eine „Konkurrenzklausel" oder
dergl. seinen Angestellten die beliebige Verwertung dessen,
was er in dem Hause des Fabriksherren recipiert und re-
produziert und produziert hat. Der Künstler aber hat durch
das Urheberrecht nur einen recht engen Schutz für das, was
er zunächst für einen Anderen oder gar für sich selber an

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eigentlich produktivem erzeigt hat. Ls würde sich lohnen,
einmal die Geschichte irgendwelcher Partie unserer geistigen
Güter daraufhin durchzugehen, was alles für die Mensch-
heit benützt worden ist, ohne daß die Urheber dessen auch
nur zu ihrem moralischen Rechte der Nennung ge-
kommen sind.
Die vielbetonte Tatsache, daß alles wahre und Gute
schließlich doch siegt, führt auch dazu, daß treffliche pro-
duktionen oder Anläufe zu solchen höchst wahrscheinlich
immer ihre Verwertung finden, auch wenn ihrem Schöpfer
kein Recht wird. Und ein Recht hat jemand, dessen
Leistungen sich so bewähren, mindestens darauf, daß ihm
das Leben und überdies eine berufgemäße Haltung des
Lebens ermöglicht werden — finanziell und sozial und auch
sonst noch in jeglicher Weise.
Lin Beispiel kann verdeutlichen, was wir meinen.
Nehmen wir an, ich sei (was ich nicht bin) bildender
Künstler, vielleicht speziell Architekt. Nehmen wir weiter
an, daß ich folgende kuriose, aber doch diskutable Idee
habe! Ich will etwa etwas wie eine „Heimstätte für bil-
dende Kunst" errichten oder errichtet sehen. Es soll dies
eine soziale und architektonische Schöpfung werden, welche
in umfassender weise für die Künste und für die Künstler
sorgt. Man kann dabei an ein Heim für versorgungsbe-
dürftige Künstler denken, weiterhin an Versuchsateliers mit
allen Hülfsmitteln der Farbentechnik, mit wänden für
vorläufige Skizzen für Monumentalmalereien, mit Garten-
und Waldanlagen für Freilichtmalerei und dergl.; sodann
mag an Sammlungen gedacht werden im geschlossenen wie
auch im offenen Raum, weiterhin an Vortragssäle, Bi-
bliothek und dergl., endlich sogar an die Schaffung irgend
welcher Veranstaltungen für eine eigenartige künstlerische
Tradition, mag dies nun „Schule" oder sonstwie heißen.
Nun kann ich als einzelner diesen Plan auch dann
nicht verwirklichen, wenn ich sehr gut bei Kasse bin.
Deshalb rufe ich möglichst viele von meinen Bekannten
und Unbekannten zusammen, lege ihnen den plan vor, er-
kläre mich zur sachlichen Ausführung bereit und bitte um
Fürsorge für die administrative Seite der Angelegenheit.
Mißlingt dies, so kann ich natürlich mit langem Gesicht
und entschädigungslos abziehen, obwohl auch diese Einbuße
noch eine Erörterung verträgt.
Nehmen wir jedoch an, daß ich Erfolg habe, und daß
vielleicht eine Gesellschaft sich konstituiert, welche die Durch-
führung der Sache ermöglichen soll. Geht alles gut, so
sagt man mir etwa: wir können uns vorläufig noch nicht
für die Zukunft binden, kommen dir aber gern entgegen,
indem wir dir unsere Sympathie und unsere Mittel geben,
damit du dein Projekt noch näher ausarbeiten und etwa
in einem Modell uns vorführen kannst. Geh' ich darauf
ein und liefere ich das verlangte, dann bleibt noch immer
alles weitere ungewiß. Jetzt ist es möglich, daß jene Ge-
sellschaft, die mir mehrmals ehrlicherweise versichert hat,
daß sie keine weiteren Verpflichtungen eingehen kann, mir
den Abschied gibt und die ganze Sache von anderer Hand
weiterführen läßt, wie weit dies eine sog. Gemeinheit
ist, kann ja von Fall zu Fall strittig sein; wie weit sich
der „Urheber" vorher gegen eine derartige Individualität
sichern konnte, etwa durch eine Art umgekehrter Konkurrenz-
klausel — diese Frage möge Kundigeren im allgemeinen
und von Fall zu Fall überlasten bleiben.
Immerhin wird ein solcher Fall, in welchem ich rück-
sichtslos um das Recht an meiner ursprünglichen Schöpfung,
sowie an meinen Vorarbeiten gebracht bin, nicht allzu-
schwer zu verstehen sein. Der Raub ist allzu einleuchtend.
Aber auf einen feineren Raub muß erst recht sorgfältig
aufmerksam gemacht werden.
Ls ist nämlich auch noch ein anderes Schicksal der
Sache möglich: daß man ein Stück vom Ganzen heraus-
greift und es auf Grund meiner fachlichen und gesellschaft-
lichen Vorarbeiten ohne das Uebrige ausführt. Beispiels-
weise beschließt jene Gesellschaft, ein Altersheim für Künstler
einzurichten. Ich protestiere dagegen und erkläre, daß dieser
einzelne Bestandteil meines Projektes eben nicht mein

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