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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Meyer, Bruno: Die Dauer der Schutzfrist
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0557

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heft HO.

Die Werkstatt der Runst.

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daß es bei dem Schutze bis ZO Jahre nach dem Tode des
Urhebers verbleibt. Das wird aber nicht hindern, daß die
Frage wieder und immer wieder von den verschiedensten
Standpunkten aus erörtert werden wird, selbst in einem
Sinne, den man im allgemeinen sür abgetan halten sollte,
nämlich in dem Sinne, wie Or. Hans Schmidkunz an
dieser Stelle neuerlich die Berechtigung der Beschränkung
jener Dauer an sich in Frage gestellt hat.
Demgegenüber ist es wichtig, sich der Gründe deutlich
bewußt zu werden und zu bleiben, welche sür die zeitliche
Begrenzung des Urheberrechtes sprechen, wobei im vor-
hinein die Frage ausgeschieden werden soll, wie weit sich
das Urheberrecht erstrecken soll, da hierbei Vernunftgründe
eigentlich versagen, und es sich nur um Zweckmäßigkeits-
fragen handelt, so daß die eine Festsetzung fast soviel für
sich hat wie die andere, namentlich diejenigen beiden, die
heutzutage überhaupt noch wesentlich in Frage kommen, näm-
lich zo oder so Jahre nach dem Tode des Urhebers. Ich will
mir nur noch einstießen zu lassen erlauben, daß ich die in
Deutschland geltende und geltend gebliebene Frist von ZO
Jahren aus dem Grunde für ansprechender halte, weil dabei
diejenige Generation, die noch bewußterweise mit dem leben-
den Schaffenden das Entstehen wenigstens eines Teiles
seiner Werke gesehen hat, auch noch in einem genuß- und
aufnahmefähigen Alter in den freien Besitz und Genuß
der Werke gelangt. Das ist der Fall, wenn die Generation,
die beim Tode des Urhebers 30 Jahre alt war, mit 60 Jahren
das Freiwerden der Werke erlebt. Dagegen ist davon keine
Rede, wenn die Generation, die den Urheber mit 20 Jahren
hat sterben sehen, erst mit 70 Jahren das Freiwerden erlebt.
Nun also zu den Gründen fürdenUrheberschutz überhaupt.
Es mag falsch oder richtig sein, daß dem vulgären
Ausdrucke vom „geistigen Eigentum" auch im spezifisch
juristischen Sinne etwas Berechtigtes innewohnt, cs sich
also hier wirklich um Eigentum im gewöhnlichen rechtlichen
Sinne handelt. Dann bleibt aber dem geistigen Eigentums
gegenüber immer noch eine Anzahl von Gesichtspunkten
von Wichtigkeit, die es vollauf rechtfertigen, daß bei ihm
zum Teil andere Rechtsnormen gelten als bei dem gewöhn-
lichen materiellen Eigentum. Ist doch auch bei diesem
schon der Unterschied zwischen dem Eigentum an beweg-
licher Habe und an Grundbesitz unterschiedlich gemacht.
Die Gründe nun, welche berechtigen, das sog. geistige
Eigentum zeitlich zu beschränken, sind folgende:
Erstens besteht dieses Eigentum lediglich durch eine
Anerkennung von seiten der Gesamtheit; es wird für eine
bestimmte Art von — ja es läßt sich kaum etwas anderes
sagen als — von etwas in der Welt Existierendem ein
Recht gewährt, noch heute als das, unter dessen Form es
zuerst hervorgetreten ist, nämlich als Privilegium, als
ein Sonderrecht. Denn das heutige Urheberrecht unter-
scheidet sich von demjenigen, das Schiller und Goethe ge-
habt, nur dadurch, daß diese es einem besonderen, auf sie
allein und ihre Werke bezüglichen Gnadenakte des deutschen
Kaisers bezw. des Deutschen Bundes verdankten, während
heute ein allgemein gültiges Gesetz solches Privileg allen
Personen einer bestimmten Kategorie zuspricht, nämlich
denjenigen, die literarische und künstlerische Werke hervor-
zubringen imstande sind und hervorbringen.
Zweitens: Kein anderes Eigentum wird ohne jedes
Zutun seines Besitzers von der Allgemeinheit behütet und
geschützt. Sonst kommt es lediglich auf die einsichtige und
umsichtige Wahrung von seiten des Besitzers selber an, ob
es ihm erhalten bleibt, oder ob es verloren geht. Nur der
Urheberrechte nimmt sich die Allgemeinheit an, um sie
gegen jeden Eingriff zu schützen, ganz gleichgültig, welchen
Wert diese Dinge haben, ganz gleichgültig, wie sich ihr
Urheber benimmt. Er hat zu bestimmter Zeit ein Werk
geschaffen, und dieses Werkes nimmt sich die Gesamtheit
an -— auf Grund nota bene des vorerwähnten allgemein
erteilten Privilegiums. Es ist selbstverständlich, daß die
Allgemeinheit das Recht haben muß, diese ihre außer-
gewöhnliche Leistung wenigstens doch zeitlich zu beschränken.
Drittens: Die Privilegierung der Urheberrechte ist voll-

kommen wertlos, wenn sie von einem einzelnen Staate für
diesen Staat und seine Angehörigen erlassen wird. Die
Urheberrechte gewinnen erst Bedeutung, wenn sie inter-
national gesichert sind. Der Staat also, der die erst-
genannten Privilegien erteilen will, muß, um dieser Ent-
schließung Bedeutung zu verschaffen, Konventionen mit
anderen Staaten schließen, damit die ganzen Rechte nicht
völlig in der Luft schweben. Daß dieser Gesichtspunkt sich
bei dem Privilegwesen der früheren Jahrhunderte nicht
fühlbar gemacht hat, liegt an den sehr mangelhaften Ver-
kehrsverhältnissen der früheren Zeiten; heute würden Ur-
heberrechte ziemlich illusorisch gemacht werden können durch
Nachdrucke, die im Auslande hergestellt und von da aus
verbreitet würden, und die deutsche Reichspost würde
schmunzelnd die Portoeinnahmen einstreichen, die aus der
Versendung auswärts hergestellter Nachdrucke ins Inland
ihr zustießen, d. h. durch die freche Verletzung der Reichs-
gesetze, über deren Beobachtung eine andere hohe Reichs-
behörde eifersüchtig wacht.
viertens: Unbeschadet der idealen Grundlage und des
idealen wertes der gesamten Urheberschutzgesetzgebung ist
doch des Pudels Kern ein rein materieller. Nicht, daß ein
Werk geschaffen wird und vorhanden ist, bringt dem Ur-
heber auf Grund des gesetzlichen Schutzes irgend etwas ein;
sondern nur, wenn ein anderer (der nur rein zufällig und
ausnahmsweise mit ihm identisch ist, wie der Theater-
unternehmer Richard Wagner mit dem Gpernkomponisten
Richard Wagner,) aus diesem Werke klingenden Nutzen
herauszuschlagen unternimmt oder versteht, steht dem Ur-
heber ein Anspruch auf einen Anteil hieran zu — notu
bene: nur der grundsätzliche Anspruch; der Anteil selber
ist lediglich Gegenstand besonderer Vereinbarung. Hieraus
folgt, daß die Urheberrechte, damit sie für den Urheber
materiell wertvoll werden, gewöhnlich in andere Hand über-
gehen müssen. Also schon nach sehr kurzer Zeit, in der Regel
schon bei Lebzeiten des Urhebers, ist nicht er und seine
Familie, sondern ein Verleger oder eine Gruppe von Ver-
legern an dem Fortbestehen des Urheberrechtes auch über
den Tod des Urhebers hinaus interessiert. Und wenn also
das in manchen Köpfen spukende „ewige" und unvergäng-
liche Urheberrecht z. B. im alten Athen oder Rom schon
bestanden hätte, so würde es furchtbar gleichgültig sein,
ob heute noch auf die unglaublichste Weise mit Sophokles
oder Licero zusammenhängende Menschen als Erben dieser
Urheber existierten: schon seit zwei Jahrtausenden bezw.
noch länger würden lediglich ein paar Verleger und deren
Erben und sonstige Rechtsnachfolger den Genuß von dem
ewigen Urheberrechte haben. Und erst eben haben wir ein
Beispiel erlebt, welche unerquicklichen Rechtszustände sich
ergeben können, wenn selbst unter unseren heutigen Rechts-
bedingungen plötzlich ein noch unbekanntes Werk eines
längst verstorbenen Verfassers bekannt wird. Line Folge
davon, daß das Recht dieser nachträglich ans Licht kommen-
den Werke in einer ganz konfusen Weise als Urheberrecht
konstruiert ist, und nicht, wie ich es seinerzeit vorgeschlagen
habe, strengstens als Verlagsrecht unter der gesetzmäßigen
Voraussetzung, daß der Inhaber der Werkgestaltung, also
z. B. des Manuskriptes, von einer gesetzlich begründeten
Anfechtung abgesehen, das Verlagsrecht zu vergeben hat.
Bei der fürchterlichen Gestaltung unseres deutschen Erb-
rechtes kann es als straffällig kurzsichtig bezeichnet werden,
daß man nicht eine derartige Vrdnung geschaffen hat; denn
nach unserem Erbrechte kann eine Verwandschaft noch über
den tausendsten und zehntausendsten Aelterahn des fraglichen
Menschen, im letzterwähnten Falle also Goethes, begründet
werden. Da können sich natürlich so lächerliche Verhältnisse
ergeben, wie sie Or. Schmidkunz konstruiert; aber das
widerlegt nicht die Berechtigung eines zeitlich begrenzten
Urheberrechtes, sondern klagt nur unser lächerliches Erbrecht
und die Gedankenlosigkeit der Stellungnahme zu ihm in
unserem Urheberrechte an. Auch in dieser Beziehung habe
ich seinerzeit einfache und brauchbare Vorschläge gemacht,
von denen verballhornte und gänzlich unbrauchbare Spuren
auch in unser Urheberrecht übergegangen sind.
 
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