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Die Werkstatt der Kunst: Organ für d. Interessen d. bildenden Künstler — 9.1909/​1910

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Marcus, Otto: Kann das Reich etwas für die Künstler tun?
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https://doi.org/10.11588/diglit.52069#0598

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592

werden müssen, die kaum noch des Staates würdig
sind. Leider ist ja der Erwerb von Kunstwerken
vielfach eine Art Sport geworden. Sammler, die
einfach Werke erwerben, weil sie ihnen persönlich
Freude und Befriedigung gewähren, gibt es kaum
noch. Möglichst billig möglichst wertvolle Objekte
kaufen, ist nur zu oft die Triebfeder. Das Kunst-
werk ist zum Spekulationsobjekt geworden. Kunst
und Künstler und schließlich der Staat sind die
Leidtragenden. Die Leiter der öffentlichen Samm-
lungen werden nolens volens in dies Getriebe
hineingezogen. Nur ein kleines Beispiel. Aus einer
Nachlaßsammlung bringt ein Museumsleiter ein
seltenes Objekt an sich vor der Versteigerung. Er
läßt aber doch darauf bieten, um zu sehen, wie
hoch es kommt. Tatsächlich bietet denn auch ein
anderer Museumsdirektor das Fünffache der schon
ganz anständigen Kaufsumme. Durch solche Preis-
treibereien, an denen wohl besonders die Agenten
amerikanischer Sammler sich beteiligen, müssen für
die Staatserwerbungen Summen aufgewendet werden,
die in keinem Verhältnis mehr stehen zu ihrer Be-
deutung für die Kunstpflege und dieser zweifellos an
anderer Stelle wieder entzogen werden.
Aus diesen Tatsachen Folgerungen zu ziehen und
Vorschläge zur Abhilfe zu machen, dazu können die
Verhandlungen über die revidierte Berner Ueber-
einkunft dienen. Die Frage, ob Kunstwerke noch
SO oder 50 Jahre nach dem Tode ihres Schäpsers
Urheberschutz genießen sollen, ist sür die bildenden
Künstler vielleicht nicht gerade brennend. Besondere
Aufmerksamkeit verdienen aber die Gründe, mit
denen das Reich von den Künstlern Opfer verlangt,
ohne ihnen seinerseits irgend etwas zu geben. Der
gelegentliche Zuschuß zu internationalen Ausstellungen
kann nicht in Betracht kommen. Man muß sich
vergegenwärtigen, was die Reichsgesetzgebung für
andere Bevölkerungsgruppen tut, wie sie durch Zölle
Landwirtschaft und Industrie begünstigt, was an
sozialer Fürsorge für die Arbeiter geschieht usw.
Den Urheberschutz kann mm: nicht als besondere
Wohltat ansehen, er ist eigentlich so selbstverständlich
wie der Schutz des persönlichen Eigentums, trotzdem
ist es fraglich, ob wir ihn hätten, wenn nicht auch
die Verleger ihn unbedingt brauchten. Auch ist im
Urheberrecht vor drei Jahren manches ungünstiger
geworden wie vorher. Auf diese Verhältnisse werfen
nun die Verhandlungen über die Berner Ueber-
einkunft ein scharfes Licht. Böser Wille gegen die
Künstler ist nirgends vorhanden, die Regierung und
die Abgeordneten stellen sich aber ganz natürlich in
den Dienst der großen Massen; der Zentrumsabgeord-
nete Kirsch drücke diesen Standpunkt folgendermaßen
aus (Sitzung vom Z. Mai (9sO): „Der angeblichen
Ehrenpflicht des deutschen Volkes gegenüber den
geistigen Größen der Nation steht die andere Ehren-
pflicht gegenüber, die Gaben, die der Nation von
ihren großen Künstlern zugekommen sind, im Volke
selbst zu immer weiterer Verbreitung zu bringen."

Heft HZ.

Auf dem gleichen Standpunkt stehen mehr oder
weniger alle Redner mit Ausnahme des Erbprinzen
zu Hohenlohe-Langenburg, der warm für die Künstler-
eintritt. Or. Iunck (nationalliberal) entgegnet ihm:
„Die Ausführungen des Herrn Erbprinzen zu
Hohenlohe-Langenburg waren gewiß sympathisch;
aber man muß doch die Frage mehr auf das Inte-
resse der Allgemeinheit zurücksühren. Man darf
nicht das Interesse des einzelnen Autors, der die
Nation bereichert, nicht die Pflicht der Dankbarkeit
in den Vordergrund stellen, die die Nation gegen-
über solchen Männern hat. Die Frage ist nur so
zu stellen: was ist der Allgemeinheit das Dien-
lichste? Die Allgemeinheit ist aber am meisten daran
interessiert, daß die Geisteswerke möglichst bald der
allgemeinen populären Benutzung anheimfallen,
möglichst bald Gemeingut der Nation werden . . .
Im Vordergrund steht aber immer das Interesse
der gesamten Nation, teilnehmen zu dürfen an dem,
was einzelne hervorragende Naturen produzieren."
wie schon gesagt, spricht aus allen Ausführungen
keineswegs Uebelwollen gegen die Künstler und ich
glaube, wenn man den Reichsbehörden und Ab-
geordneten einen Vorschlag unterbreitet, der den
Künstlern Vorteil bringt, ohne den Reichssäckel zu
belasten, der vielmehr im Einklang steht mit allem,
was die Redner gelegentlich der Debatten über die
Berner Übereinkunft gesagt haben, so wird man
auf freundliches Entgegenkommen zu rechnen haben.
Man kann nun die gelegentlich des Florastreits
angeschnittenen Fragen mit den eben zitierten An-
sichten gut in Verbindung bringen. In Nr. 30
der „Werkstatt der Kunst" hat Vr. Schmidkunz über
Möglichkeiten, das Urheberrecht zu verwerten, Ver-
schiedenes, wie mir scheint, sehr Annehmbares gesagt.
Ohne näher auf diese Ausführungen einzugehen,
möchte ich an eine Stelle anknüpfen. Or. Schmidkunz
sagt: „wenn mein Spazierstock 3( Jahre nach
meinem Tode in der Hand meines Enkels ist, und
jemand will ihm diesen Stock unter Berufung auf
irgendein Ideal wegnehmen, so wird mein Enkel
den Angreifer entweder tüchtig verbleuen oder ihn
vor Gericht zitieren, wenn ich aber meinen Kindern
und Enkeln meine Geisteswerke hinterlasse, dann
müssen sie nach 3f Jahren sich schlechtweg eine
Enteignung gefallen lassen. Und zwar weil, wie
es so schön heißt, die Nation einen Anspruch darauf
hat." Dies Beispiel würde meiner Meinung nach
sofort alles Lächerliche verlieren, wenn man statt
Spazierstock Gemälde oder Kunstwerk setzen würde
und statt des wegnehmenden Jemand eine staatliche
Sammlung. Ls erscheint ganz natürlich, so gut
wie die Familie Wagner den parsival hergeben
muß, daß man auch von der Familie Holzschur die
Herausgabe des Bildes verlangen kann, das Dürer
von ihrem Vorfahr gemacht hat. Selbstverständlich
gegen eine angemessene Entschädigung, aber nicht
so, daß die deutsche Nation erst mit amerikanischen
oder sonstigen Sammlern in Wettbewerb treten muß.

Die Werkstatt der Kunst.
 
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