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Heidelberger Zeitung — 1862 (Januar bis Juni)

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Juni
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Briegleb, Freitag auS Thüringen, v. Ben-
nigsen aus Hannover, Moritz Wiggers aus
Meckienburg, Pfeiffer aus Bremen, Dr. Lang
auö Wiesbaden, Cetto aus Trier, Dr. Mül.
ler und Souchay aus Frankfurt u. s. w.
Als erster Gegenstand derTageSordnung wurde,
nachdem vorher in einer vertraulichen Bespre-
chung eines Theils der Anwesenden die Ver-
schmelzung der „Süddeutschen Zeitung" mit
der „Zeit" besprochen und beschloffen war,
die Berathung über etwaige Berufung perio-
discher Versammlungen von solchen Landtags-
abgeordneten aus allen Theilen Deutschlands,
we'lche eine freiheitliche Einigung des großen
Vaterlandes anstreben, festgesetzt. Unter dem
Vorsitz des HoMhs Bluntschli begann nun-
mehr eine den ganzen Vormittag und die
Hälfte des Nachmittags ausfüllende theilweise
höchst intereffante und erregte Debatte. Ueber
die Nothwendigkeit der Berufung eines deut-
schen Pgrlaments und die Schädlichkeit aller
von diesem Ziele nur ablenkendcn Surrogate,
wie Delegirtenversammlungen, Zollparlament
u. f. w., war man sofort zicmlich einig, ebenso
wnrde das unbedingte Zufammengehen aUer
wahrhaft freisinnigen Fractionen festgehalten.
Aufder andern Seite erregte es gewiffe Schwie-
rigkeiten, daß die anwesenden Mitglieder des
Nationalvereins keine diesen Verein lähmende
Organisation zugeben konnten, mährend ande-
rerseits namentlich Probst und Schott sich ge-
gen jede indirecte Begünstigung des Natio-
nalvereins verwahrten. Den Hauptstreitpunkt
bildet aber natürlich das Verhältniß der deut-
schen Theile Oesterreichs zum übrigen Deutsch-
land. Nach mehrstündigen Disknssionen rief
ein warmer und überzeugender Vortrag von
Dr. Völk aus Augsburg, welcher seinerseits
die Theilnahme der Deutsch-Oesterreicher an
der Neugestaltung des Vaterlandes auf das
lebhafteste wünschte, aber eine entschiedene
und übereinstimmcnde Abneigung aller Deutsch-
Oesterreicher an einer deutschen Verfaffungs-
reform, welche den österreichischen Gesammt-
staat irgendwie in Frage stellte, voraussetzte,
einen förmlichen Antrag auf Berufung eines
Congresses deutscher Abgeordneten hervor, zu
welchem die Deutsch.Öesterreicher gleichfalls
eingekaden werden sollten, um ihre An- und
Absichten näher zu entwickeln, auch alsdann
einen bestimmtcn Abschluß der bekannten Streit-
frage über Groß- unv Kleindeukschland zu
bewirken. Die als unzweifelhaft Großdeutsche
bekannten Abgeordneten Probst und Schott
erklärten, daß auch sie nur eine Einigung der
deutschen Theile von Oesterreich mit dem
übrigen Deutschland wünschten und daß sie,
falls die Deutsch-Oesterreicher entweder gar
nicht erschienen, oder für das übrige Deutsch-
land unannehmbare Vorschläge machten, die
vorerstige Constituirung Deutschlands ohne
Deutsch-Oesterreich als „nothwendiges Uebe!"
hinnkhmen würden. Na.chdkm Bluntschli, Ben-
nigsen, Metz, Souchay u. A. ihre verschiede-
nen Anschauungen über diese Frage entwickelt
hatten, erfolgte der bereits gestern mitgetheilte
einstimmige Beschluß.

Nach dem Sinne diescs Beschluffes sind also

s alle ehemaligen Parlamentsabgeordneten, frü-
here und jetzige Landtagsabgeordnete, sowie
die deutschen Mitglieder des österreichischen
Reichstags als theilnahmsberechtigt anzusehen,
sofern sie eme freiheitliche Entwicklung und
Einigung Deutschlands anstreben. Es wurde
sofort eine Commission aus 15 Personen ge-
wählt, welche das Recht der Cooptation erhielt
und es auch gestern Abend schon in der Weisc
übte, daß die Commission jetzt aus etwa 30
Mitgliedern besteht, wozu noch eine Anzahl
deutsch-österreichische Abgeordnete gebeten wer-
den sollen, um demnächst als Gesammtcommis-
sion die Einladungen zu erlaffen. Der Aus-
schuß besteht aus Hölder und Probst sWürt-
temberg), Lang (Nassau),. Hoverbeck und v.
Unruhe OPreußen), Barth und Buhl (Baiern),
Bennigsen (Hannover), Metz (Hessen), Fries,
(Weimar), Häusser und Bluntschli (Badcn),
Pfeiffer (Bremen), Wiggers (Mecklenburg).
Der Ausschuß ergänzte sich auf 40 Mitglie-
der, darunter die beiden Oesterreicher Brinz
und Rechbauer. Nach Erledigung dieses Ge-
genftandes wurden mehrere Stunden auf Be-
sprechung der formellen Behandlung des deutsch-
französischen Handelsvertrags verwendet, wo-
bei natürlich die Frage der Nützlichkeit eines
Zollparlaments und die Parteistellung zwi-
schen Schutzzöllnern und Freihändlern hervor-
trat. Auf Antrag vyn Metz beschloß schließ-
lich die Versammlung, diesen'Gegenstand ohne
bestimmte Beschlußfassung für oder wider zu
verlassen.

Berlin, 4. Juni. Sitzung des Abgeord-
netenhauses. (Schlnß.) Abgeordneter Twesten:
Er fttzt die Gründe auseinander, aus denen
die Commission sich nberhaupt für eine Avr'effe
und zwar nicht für den Sybel'schen Entwurf,
sondern für Aufstellung eines neuen entschlos-
sen hat. Der Redner geht sodann auf die
kurhessischc Frage über, deren Nichterwähnung
er rechtfertigt. Nicht blos weil die Frage eine
schwebende, sondern weil Lhre Erwähnung nutz-
los sei, sei dies beschlossen worden. Es sei
überhaupt ein Ausspruch bei dieser auSwärti-
gen Angelegenheit sehr mißlich, da man nicht
wiffen könne, was die Regierung in den näch-
sten acht Tagen thun werdc. Jm Namen
seiner politischen Freunde könne er übrigcns
erklären, daß sic keine Gelegenheit versäumcn
würden, für das Recht des hcssischen Volkes,
sei es durch Jnterpellation, sei es durch be-
stimmte politische Anträge, einzutreten, wcnn
irgend ein Nutzen davon zu hoffen sein würde.
Noch unthunlicher aber sei es gewesc.n, vcr
deutschen Politik zu erwähnen. Nur in der
freiheitlichen Entwicklung liege auch die ein-
heitliche Entwicklung Deutschlands. (Bravo.)
Bei der gegenwärtigen innern Politik Preu-
ßens, vl'e nur particnlaristischen Feinden der
preußischen Hkgemonie Freude bereite, könne
ein Erfolg von einer solchen Erwähnung nicht
erwartct werden. Es genüge nicht blos die
gewöhnliche Geschäftsroutine zum Staatsmann;
etwas Großes werde nicht mit bloßen Phra-
sen gewonnen. Um ein wirklicher StaatS-
mann zu sein und Erfolg davon zu tragen,
müsse maii eiwas Demagogischee an sich ha-

ben, wie der Mintster Stein, wie noch Ln
jüngster Zeit Cavour (Gelächter bei den Ka-
tholiken). Der Redner beleuchtet nunmehr
die einzelnen Säße des Commissionsentwur-
fes. Abg. Frhr. v. Vincke gegen den Com-
missionsantrag. Redner spricht znnächst seine
Freude aus, die Loyalitätsversicherungen in
dem Entwurf zu finden, hält aber dje häufige
Wiederholung derselben für übkrflüssig und
findet im Widerspruch mit den Loyalitätsver-
sicherungen den Rath zur Entlaffung der Mi-
nister, welcher ein Eingriff in die Präroga-
tive der Krone sei. Er fährt fort: Ich ge-
höre nicht zu dev Bewunderern und Vereh-
rern der jetzigen Regierung; ich habe mich
verpflichtet, dies anzuführen, um meinen Stand-
punkt darzulegen. Wenn ich mir die einzel-
nen Herren ansehe, so gehören drei von ihnen
dem 'vorigen Ministerium an. Von einer
Sympathie für diese kann von meiner Seite
gewiß keine Rede sein. Nehmen wir die an-
deren Herren, so haben zwei von ihnen keine
politische Vergangenheit und die anderen ha-
ben im Herrenhause und hier im Hause der
entschiedensten Reaction angehört, welche dem
Ministerium Manteuffel-Westphalen zur Seite
stand, einem Ministerium, dem meine Freunde
uno ich stets in Opposition gegenüber gestan-
den, und ich vermag deßhalb nicht einzusehen,
wie wir für diese Minister Sympathien ha-
ben soüten (Heiterkeit). Man soll die Per-
sonen jedoch nicht nach ihrer Vergangenheit
beurrheilen, und wir wissen ja, daß die Mi-
nister die liberalsten Vorsätze haben (Heiter-
keit). Man kann also nur noch die Wahl-
erlasse der Beurtheilung zum Grunde lcgen
und diese sind allerdings noch mehr als ein
Vergehen, sie sind ein politischer Fehler (Bei-
fall), dcnn Iedermann bezweckt mit seiner
Handlungsweise einen Erfolg, und wir haben
erlebt, daß die Wahlerlaffe gerade den ent-
gegengesetzten Erfolg gehabt haben, den sie
haben sollten (Heiterkeit). Ein eben solcher
politischer Fehler, das will ich hier offen aus-
sprechen, war auch der Hagen'sche Antrag,
denn dieser hatte auch nicht den beabsichtig-
ten Erfolg, indem er die liberalen Minister
aus dem Ministerium entfernte, aber für einen
Eingriff in die Rechte des Königs halte ich
ihn nicht. Daß der Minister in seinem Wahl-
erlasse nicht die Mehrheit dieses Hauses, son-
dern cine andere- Partei gemeint hat, das
wird ihm Niemand glauben (Heiterkeit). Wir
können eine einzelne Handlung in der Adreffe
besprechen, aber wir haben nicht das Recht,
darauf hin ein Urtheil für immer zu fällen.
Der Redner geht dann zu einer Kritik der
einzelnen Sätze des Cpmmissionsentwurfes
über. In der Commission hat man gegen
eine Erörterung so vieler wichtigen Fragen
in der Adreffe geltend gemacht, man wolle mit
diesen Ministern gar nichts zu thun haben,
da sie des Hauses unwürdig. Die Adreffe
ist kein Dialog zwischen dem König und dem
Hause^ sie durchtönt das Vaterland und fin-
det ihren Wiederhall durch ganz Europa. (Nuf
rechts: Sehr wahr!) Wie würde es im In-
und Auslande verstanden werden, wcnn daS

nach angestammten Fürstenhause als „Mark-
graflcr' benannt, und darauf ist der kräftige und
mannhafte Stamm des Oberlandes mit seinen
scbmucken Dirncn stolz; cr benrkundet gern hier-
mtt dre Lrebe, Treue und Anhänglichkeit an seinen
Landcsherrn.

Und so soll es bleiben! Ein Kind dieses Thals,
das mit derselben Trcue an seinem Fürstenhause,
wie an seincm Volke hing und nur wenige Tausend
Schritte von hier seinc Heimath hatte, „dcr ale-
mannische Sänger Hebel", gibtunsheutedeneitt-
sachsten Ausdruck, dcr seincm Gemüth entquollen ist:

E frohe Ma, e brave Ma,

Jez schenket i und stoßct a,

Es leb der Marggraf und si Hus,

Ziehn't d' Chappen ab und trinket us!

, wohlan, hochansehnliche Versammluna.
lassen Sie mit gefülltem Becher von Markgräfler
ern dreifach jubelndeö Hoch erschallen aus Se. Kö-
mgllche Hoheit den Großherzog und das Groß-
Herzogtiche Haus!

Se. Komgliche Hoheit der Großherzog crwi-
derte hlerauf folgende Nede:

Herren! Es wird mir schwcrlich gelin-
gcn, Ihnen nach einem so beredten Vortrag den
wahren Ausdruck meines Dankes zu schildern; allein
es lregt mir recht am Herzcn, Zhnen zu sagen, däß
merne Dankbarkert tief empfunden ist für die Art, ^
wle Sre Alle den Trinkspruch des Herrn Oberst i
Geigy aufgcnommcn baben und für die warmen
Worte des Redners >elbst.

Die theuersten und werthesten Beziehungen mei- j

Mangelhaftigkeit meines Wlrkens überzeugt, als
daß ich die schmeichelhaftcn Aeußerungen über das-
selbe andcrs auffaffen könnte, wie eine Anerkcnnt-
niß treuer Pstichterfüllung. Das Land, dem ich
angehöre, betrachte ich wie eine große Familie, der
ich alle meine Kräfte widmcn will, unb daS ist cine
werthe Pflicht. Daß mir das Land bei dtesem
Strcben entgegenkommt und daß dte Manner,
wclche ich zur Leitung des Staates berufen habe,
ihm ihre ganze Thätigkeit widmen, Dcm allein ist
es zu danken, wenn wir schon von Erfolgen reden
können. Von Herzen freue ich mich über den Er-
folg, der zur heutigen Feier führte, und ich danke
den Herren der Direction für alle Aufmerksam-
keiten, welche Sie mir dabei erwiescn.

Jch habe Jhnen aber noch einen besonderen Dank
auszusprechen dafür, daß Sie mir Gelegenheit ga-
ben, ciner Feier anwohncn zu können, welche für
dte beiden Länder, deren Vertreter hier versammelt
stnd, von fo großer Bcdeutung ist. Jede erneute
Verbiridung der Schweiz mit Badcn bcgrüße ich als
ein freudiges Ereigniß. Segensreiche Folgen müssen
daraus entspringen, wenn zwei stammverwandte
Völker, deren Jnteressen nach Außen sich vielfach
brrühren und deren inn^re Bcstrebungen gleich
hohen Aufgaben des staatlichen Lebens zugewandt
stnb, immcr mehr darnach trachten, das Band in-
niger Beziehunaen fester zu schlingen.

Zn fvlcher Äefinnung begrüße ich die heutige

freundnachbarliche Begegnung mit den Vertretern
der Schweiz und danke dem Herrn Bundespräsidcn-
ten für das ehrende Entgegenkommen, womit ich
auf schweizerischem Territorium empfangen ward.
Jch zweifle nicht, daß alle deutschen Theilnehmer
dieses Festes sich gern mit mir vereinigen werden,
wenn ich sie eiylade, der Schweizerischen Eidge-
nossenschaft ein dreifaches kräftiges Hoch zu bringen.

Bundespräsident Stämpfli trank auf das Wohl
des Landes Baden, desscn Fürst und Regierung von
den Schweizern mit Hochachtung bctrachtet werden.
Burgermeistcr Grether von Schopfheim brachte
das Wohl der Stadt Basel und Rathsherr
Stähelin aus Basel einen sinnigen Toast auf
dre Wiesenthalbahn aus.

Gleichzeitig fanden in dem weiteren Saale des
Pfluges und in verschiedenen andern Gasthöfen
allgemeine Festessen der übrigen Festtheilnehmer
statt, bei denen es an freudigen, begcisterten Wor-
ten nicht fehlte.

Nach Tisch wurde auf der Hebelshöhe, einem
der schönsten Punkte des Wiesenthals mit großar-
tigem Bergpanorama, der Kaffe eingenommen.

Nach 6 Uhr fuhr der Zug, von lebhaftem Hoch-
rufen begleitet, zurück. Se. Königl. Hohcit der
Großherzog bliev bie Nackt in Lörrach, das bei
ernbrechender Dunkelheit in allgemciner prächtiger
Jllumination strahlte. Die Fcrerlichkeiten dauern
an einzelnen Orten heute noch fort, z. B. hier in
Schopfheim, wo untcr Gcpränge dcr Omnibus be-
graben wird, da die Gisenbahn moraen für das
Publikum rxöffnet ist. (K. Z.)
 
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