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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Über die deutsche Malerei der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0016

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von Friedrich pecht.

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Drr Eiferfürhtigr. von Friedrich 6iddemann.

Wie rührend nnd nnmittelbar ergreifend das zu wirken vermag, sehen wir aus dem Christus mit
den Jüngern in Emaus des eben genanntcn Uhde, der hier in diesem nenesten Werk uns durch die gleiche
Jnnigkeit nnd Wärme fesselt, die schon in dem seither so berühmt gewordenen „Lasset die Kleinen zu mir
kommmen" die frivolen Pariser nicht weniger ergriff als die gemütvolleren Deutschen. Ja jene offenbar
noch viel mehr, da ihnen diese Eigenschaften in ihrer eigenen Prodnktion so selten entgegentreten. Und wer
vermöchte sich auch der Wahrheit des Ausdruckes zu verschließen, mit welcher die freudige Überraschung des
jüngeren der beiden Apostel, der den Heiland eben am Brodbrechen erkannt, ausgesprochen ist, oder dem tiefen
Respekt, der gespannten Aufmerksamkeit des Älteren der beiden so schlicht und demutsvoll wiedergegebenen
Männer? Wer sühlte nicht das Geisterhafte im edlen Ausdrucke des Heilands? Wie traulich und geheim-
nisvoll fesselnd ist die ganze Szene in der dämmrigen Bauernstube, wie ist ihr abendliches Dunkel so ganz
gemacht unser Herz zu öffnen! Allerdings erscheint Uhdes Bild nicht für eine Kirche berechnet, weil es da
der strengen Erhabenheit der Architektur widerspräche, aber für die Kirche ist es auch gar nicht bestimmt, sondern
sür das Gemach solcher, die gerne allein sein mögen mit ihrem Gott, die aber das Bedürfnis haben, sich an
der tiefen und einfachen Schönheit biblischer Erzählungen zu erbauen. Christus ist Uhden immer der Freund
der Armen und Gedrückten, der selber nicht hatte, wohin er sein Haupt legen sollte und sie daher wohl verstand.
Er ist ihm kein wohlgebürsteter und srisierter Herr, der sich uur so dann und wann zu ihnen herabläßt, sondern
ein Freund sür alle schweren Tage. Dieseu aber, wie wir ihn heute verstehen und verehren, gibt er mit einer
Tiefe und Schlichtheit der Empfiudung wieder, die altdeutscher Meister vollkommen würdig wäre. —
Das ist ja der Sinn und das letzte Ergebnis der ganzen großen modernen deutschen Kulturbewegung:
daß in Übereinstimmung mit unseres Volkes sieggekrönten Anstrengungen, sich ein großes, sreies und mächtiges
Baterland zu erobern, auch unsere Kunst die klassische wie die französische Livröe ausgezogen und sich aus
Wolkenkukuksheim herab auf die heimische Erde niedergelasseu, aus ihr aber auch eine Gesundheit und Kraft
geschöpft hat, die sie seit den Van Eyk's, Dürer und Holbein unzweifelhaft nie mehr besaß.
 
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