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Oas Urheberrecht auf dem Gebiete der bildenden Lunst und Pbotograpbie.
von kandgerichtsrat L. Erünewald in Metz
Vorbemerkung
,i7rst der neueren Zeit war es vorbehnlten, dem Grund-
satze, das; dem Urheber einer geistigen Arbeit, „als
der Offenbarung und des Ausdrucks seines persönlichen
Geistes," Rechtsschutz gebühre, in der Gesetzgebung
Tentschlands Anerkennung zu verschaffen.
Auf Grund des Art. 18 der deutschen Bnndesakte
bestimmte ein Beschluß des vormaligen deutschen Bundes
vom 9. November 1837 in Art. 1, daß litterarische Er-
zeugnisse aller Art, sowie Werke der Künstler, sie mögen
bereits veröffentlicht sein oder nicht, ohne Einwillignng des
Urhebers oder desjenigen, dem derselbe seine Rechte an
dem Originale übertragen hat, auf mechanischem Wege
nicht vervielfältigt werden dürfen. Diesem Beschlusse
folgten die weiteren vom 22. April 1841 bezüglich der
mnsikalischeii und dramatischen Schöpfnngen und der vom
6. November 1856. Jndessen enthielten diese Bundes-
beschlüsse nur allgemeine Grundzüge nnd überließen
es der Gesetzgebung der Einzelstaaten, dieselben näher aus-
znführen. Demgemäß wurden in Preußen das am
29. November 1837 pnblizierte Gesetz vom 11. Jnni 1837,
in Bayern das vom 15. April 1840 und später das vom
28. Juni 1865, in Sachsen das vom 22. Februar 1844
nnd in Österreich das vom 19. Oktober 1849 erlassen.
Die Verfassung des norddeutschen Bundes hat in
Art. 4 Ziff. 6 den „Schutz des geistigen Eigentnms" der
Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Bundes unterstellt.
Demgemäß kam zuerst das Gesetz vom 11. Juni 1870
betr. das Urheberrecht an Schriftwerken rc. zu stande,
welches durch Z 2 des Gesetzes vom 16. April 1871
zum Reichsgesetze erklärt wurde. Der damals gleich-
zeitig vorgelegte Gesetzentwnrf über Nachbildung von
Werken der bildenden Kunst, Photographie, Mnster und
Modelle wurde einer späteren Erörterung vorbehalten. Er
gelangte sodann im Jahre 1675 in drei getrennten Ent-
würfen zur Beratuug und Beschlußfassung an den Reichs-
tag. So entstanden die Gesetze betr. das Urheberrecht
an Werken der bildenden Künste vom 9. Januar 1876,
das zum Schutze der Photographie vom 10. Januar 1876
und das betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen
vom 11. Januar 1876. Dieselben, namentlich das erst-
und letztgenannte, lehnen sich im wesentlichen an das
Urhebergesetz von 1870 an und haben das oben erwähute
preußische Gesetz vom 11. Juni 1837 zur Grundlage.
Dagegen ist der Photographie in dem zweiterwähnten
Gesetze nur ein beschränkter Schutz gewährt worden.
1.
Die Natur und Aufgabe dieser Zeitschrift bestimmt
die beiden oben erwähnten Gesetze vom 9. und 10.
Januar 1876 als Rahmen für unsere Mitteilungen. Bei
der Anwendung derselben haben in Bezug auf das Recht
des Urhebers an den Erzeugnissen seiner individuell
geistigen Arbcit, dem sog. „Geisteseigentum", im
allgemeinen nachstehende Grundsätze als leitend in Betracht
zu kommen:
u) Dem Urheber, sei er Schriftsteller oder Künstler,
bleibt die Verfügung über sein Erzeugnis in der b e-
fonderen Form, in welcher er seine Gedanken
dargestellt hat, soweit unantastbar, als dabei eine
Verbreitung oder Veröffentlichung desselben
beabsichtigt ist. (Vgl. Z 1 Ges. v. 9. u. 10. Jan.
1876.) Darüber hinaus konnte das Verbietungsrecht
der Benutzung und Nachahmung nicht ausgedehnt
werdeu, ohne die Fortentwickelung der Litteratur und
des Kuustlebens selbst zu stören, ja unmöglich zu
machen.
k) Das Urheberrecht gibt den gesetzlichen Anspruch auf den
aus der Veröffentlichung zu erzielenden Gewinn und
ist insofern ein Vermögensrecht. Eine Verletzung
desselben durch Nachdruck oder Nachahmung setzt aus
Seite des Verletzenden nicht einmal eiue eigennützigc
und gewinusüchtige Absicht, ja nicht cininal die Ver-
ursachung eines vermögensrechtlichen Schadens voraus.
c) Die Schutzfrist des Urheberrechts ist nur auf einc
genau bestimmte Zeit gewährt.
6) Wie jedes Vermögensrecht, so hat auch das Urheber-
recht die Eigenschaft, mit der Gesamtheit des Ver-
mögens auf die Erben überzugehen. Es kann aber
auch beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag
oder durch Verfüg ung von Todeswegen auf anderc
übertragen werden (Z 3 Ges. v. 9. Jan., tz 7 Ges. v.
10. Jan. 1876). Eine gleiche Bestimmung enthalten
die Uebereinkünfte mit Jtalien vom 12. Mai 1869 in
Art. 8, mit der Schweiz vom 13. Mai 1869 in Art. 7
und mit Frankreich vom 19. April 1883 in Art. 3.
Diese allgemeinen Gesichtspuiikte vorausgeschickt,
wollen wir auf eine Erörterung der Einzelbestimmuugen
beider Gesetze an der Hand der Praxis, und zwar zunächst
des Gesetzes vom 9. Januar 1876, betr. das Urheber-
recht an Werken der bildenden Künste (Reichsgesetzblatt
S. 4), übergehen.
Dies Gesetz zerfällt in vier Hauptabschnitte: Der
erste behandelt das „Ausschließliche Recht des Ur-
hebers" und lautet Z 1:
„Das Recht, ein Werk der bildenden
Künste ganz oder teilweise nachzubilden,
steht dem Urheber ausschließlich zu."
Der Ausdruck „Werk der bildenden Künste" und
nicht vielmehr „Kunstwerk" wnrde gewählt, um die An-
nahme auszuschließen, daß das artistische Urheberrecht sich
nur auf solche Leistungen erstrecke, die einen gewissen Grad
von künstlerischer Bedeutung oder Vollendung zu bean-
spruchen veruiögen. Allein immerhin muß das Werk, im
Gegensatz zu den Erzeugnissen der Jndustrie, ein Produkt
individueller geistiger Arbeit sein und eine ästhetische
Darstellung auf dem Gebiete der Malerei, Zeichnung
oder Bildhauerei bezwecken. Dabei kommt es nicht allein
auf die Originalität des Gedankens und der Auffassung,
sondern auch auf die Selbständigkeit der Formgebung an.
Jn dieser Hinsicht sagt die Entscheidung des I. Strafsen.
des RG. vom 5. Juni 1882 (Slg. Bd. 6 S. 343): „Die
ästhetischem Zwecke dienende, formbildende Thätigkeit des
Urhebers ist es, welche die Eigenschaft des von diesem
geschaffenen Originals (einer Zeichnung) als eines Werkes
der Kunst kennzeichnet."
(Fortsetzung folgt.)
Oas Urheberrecht auf dem Gebiete der bildenden Lunst und Pbotograpbie.
von kandgerichtsrat L. Erünewald in Metz
Vorbemerkung
,i7rst der neueren Zeit war es vorbehnlten, dem Grund-
satze, das; dem Urheber einer geistigen Arbeit, „als
der Offenbarung und des Ausdrucks seines persönlichen
Geistes," Rechtsschutz gebühre, in der Gesetzgebung
Tentschlands Anerkennung zu verschaffen.
Auf Grund des Art. 18 der deutschen Bnndesakte
bestimmte ein Beschluß des vormaligen deutschen Bundes
vom 9. November 1837 in Art. 1, daß litterarische Er-
zeugnisse aller Art, sowie Werke der Künstler, sie mögen
bereits veröffentlicht sein oder nicht, ohne Einwillignng des
Urhebers oder desjenigen, dem derselbe seine Rechte an
dem Originale übertragen hat, auf mechanischem Wege
nicht vervielfältigt werden dürfen. Diesem Beschlusse
folgten die weiteren vom 22. April 1841 bezüglich der
mnsikalischeii und dramatischen Schöpfnngen und der vom
6. November 1856. Jndessen enthielten diese Bundes-
beschlüsse nur allgemeine Grundzüge nnd überließen
es der Gesetzgebung der Einzelstaaten, dieselben näher aus-
znführen. Demgemäß wurden in Preußen das am
29. November 1837 pnblizierte Gesetz vom 11. Jnni 1837,
in Bayern das vom 15. April 1840 und später das vom
28. Juni 1865, in Sachsen das vom 22. Februar 1844
nnd in Österreich das vom 19. Oktober 1849 erlassen.
Die Verfassung des norddeutschen Bundes hat in
Art. 4 Ziff. 6 den „Schutz des geistigen Eigentnms" der
Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Bundes unterstellt.
Demgemäß kam zuerst das Gesetz vom 11. Juni 1870
betr. das Urheberrecht an Schriftwerken rc. zu stande,
welches durch Z 2 des Gesetzes vom 16. April 1871
zum Reichsgesetze erklärt wurde. Der damals gleich-
zeitig vorgelegte Gesetzentwnrf über Nachbildung von
Werken der bildenden Kunst, Photographie, Mnster und
Modelle wurde einer späteren Erörterung vorbehalten. Er
gelangte sodann im Jahre 1675 in drei getrennten Ent-
würfen zur Beratuug und Beschlußfassung an den Reichs-
tag. So entstanden die Gesetze betr. das Urheberrecht
an Werken der bildenden Künste vom 9. Januar 1876,
das zum Schutze der Photographie vom 10. Januar 1876
und das betr. das Urheberrecht an Mustern und Modellen
vom 11. Januar 1876. Dieselben, namentlich das erst-
und letztgenannte, lehnen sich im wesentlichen an das
Urhebergesetz von 1870 an und haben das oben erwähute
preußische Gesetz vom 11. Juni 1837 zur Grundlage.
Dagegen ist der Photographie in dem zweiterwähnten
Gesetze nur ein beschränkter Schutz gewährt worden.
1.
Die Natur und Aufgabe dieser Zeitschrift bestimmt
die beiden oben erwähnten Gesetze vom 9. und 10.
Januar 1876 als Rahmen für unsere Mitteilungen. Bei
der Anwendung derselben haben in Bezug auf das Recht
des Urhebers an den Erzeugnissen seiner individuell
geistigen Arbcit, dem sog. „Geisteseigentum", im
allgemeinen nachstehende Grundsätze als leitend in Betracht
zu kommen:
u) Dem Urheber, sei er Schriftsteller oder Künstler,
bleibt die Verfügung über sein Erzeugnis in der b e-
fonderen Form, in welcher er seine Gedanken
dargestellt hat, soweit unantastbar, als dabei eine
Verbreitung oder Veröffentlichung desselben
beabsichtigt ist. (Vgl. Z 1 Ges. v. 9. u. 10. Jan.
1876.) Darüber hinaus konnte das Verbietungsrecht
der Benutzung und Nachahmung nicht ausgedehnt
werdeu, ohne die Fortentwickelung der Litteratur und
des Kuustlebens selbst zu stören, ja unmöglich zu
machen.
k) Das Urheberrecht gibt den gesetzlichen Anspruch auf den
aus der Veröffentlichung zu erzielenden Gewinn und
ist insofern ein Vermögensrecht. Eine Verletzung
desselben durch Nachdruck oder Nachahmung setzt aus
Seite des Verletzenden nicht einmal eiue eigennützigc
und gewinusüchtige Absicht, ja nicht cininal die Ver-
ursachung eines vermögensrechtlichen Schadens voraus.
c) Die Schutzfrist des Urheberrechts ist nur auf einc
genau bestimmte Zeit gewährt.
6) Wie jedes Vermögensrecht, so hat auch das Urheber-
recht die Eigenschaft, mit der Gesamtheit des Ver-
mögens auf die Erben überzugehen. Es kann aber
auch beschränkt oder unbeschränkt durch Vertrag
oder durch Verfüg ung von Todeswegen auf anderc
übertragen werden (Z 3 Ges. v. 9. Jan., tz 7 Ges. v.
10. Jan. 1876). Eine gleiche Bestimmung enthalten
die Uebereinkünfte mit Jtalien vom 12. Mai 1869 in
Art. 8, mit der Schweiz vom 13. Mai 1869 in Art. 7
und mit Frankreich vom 19. April 1883 in Art. 3.
Diese allgemeinen Gesichtspuiikte vorausgeschickt,
wollen wir auf eine Erörterung der Einzelbestimmuugen
beider Gesetze an der Hand der Praxis, und zwar zunächst
des Gesetzes vom 9. Januar 1876, betr. das Urheber-
recht an Werken der bildenden Künste (Reichsgesetzblatt
S. 4), übergehen.
Dies Gesetz zerfällt in vier Hauptabschnitte: Der
erste behandelt das „Ausschließliche Recht des Ur-
hebers" und lautet Z 1:
„Das Recht, ein Werk der bildenden
Künste ganz oder teilweise nachzubilden,
steht dem Urheber ausschließlich zu."
Der Ausdruck „Werk der bildenden Künste" und
nicht vielmehr „Kunstwerk" wnrde gewählt, um die An-
nahme auszuschließen, daß das artistische Urheberrecht sich
nur auf solche Leistungen erstrecke, die einen gewissen Grad
von künstlerischer Bedeutung oder Vollendung zu bean-
spruchen veruiögen. Allein immerhin muß das Werk, im
Gegensatz zu den Erzeugnissen der Jndustrie, ein Produkt
individueller geistiger Arbeit sein und eine ästhetische
Darstellung auf dem Gebiete der Malerei, Zeichnung
oder Bildhauerei bezwecken. Dabei kommt es nicht allein
auf die Originalität des Gedankens und der Auffassung,
sondern auch auf die Selbständigkeit der Formgebung an.
Jn dieser Hinsicht sagt die Entscheidung des I. Strafsen.
des RG. vom 5. Juni 1882 (Slg. Bd. 6 S. 343): „Die
ästhetischem Zwecke dienende, formbildende Thätigkeit des
Urhebers ist es, welche die Eigenschaft des von diesem
geschaffenen Originals (einer Zeichnung) als eines Werkes
der Kunst kennzeichnet."
(Fortsetzung folgt.)