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L-lir 25rrlmer IuülIaump-Anr,sre 1 liing
ie hundertjährige Wiederkehr des Tages der Eröffnung
der regelmäßigeu akademischen Kuustausstellungen
in Berlin hat die Veranlassung zu einem Unternehmen
gegeben, wie es Berlin in diesem Unisange und in dieser
Bedeutung bisher nicht gekannt hat. Zum ersten Mal ist
bei dieser Gelegenheit die zeitgenössische Kunsl des Aus-
landes in größerem Maßstabe in nnseren Mauern vertreten.
Für das Kunstleben der Hauptstadt ein nm so wichtigeres
Ereignis, als damit auch hier endlich erreicht ist, was die
ältere Kunststadt München aus ihren internationalen Ansstel-
lungen längst verwirklicht hatte. Zwar sind uns auch jept noch
die sranzösischen Künstler, die sich in München so gern an
dem künstlerischen Wettstreit der Völker betheiligten, sern
geblieben. Ter Grund hierfür beruht keineswegs in einem
Mißtrauen aus den Kunstmarkt der deutschen Hauptstadt,
sondern lediglich in den politischen Verhältnissen. Dentsch-
land hatte sich gezwungen gesehen, die Aufforderung
zur Beteiligung an der bevorstehenden Weltausstellung
in Paris abzulehnen. Daß die Revanche Frankreichs
gerade Berlin trifft, muß eben ertragen werden. Da-
für hat die jepige Ausstellnng aber auch einen schönen
Erfolg zu verzeichnen. Es ist gelungen, die englischen
Künstler zu veranlassen, ihre bisher dem Auslande gegen-
über bewahrte Zurückhaltuiig aufzuheben. llber 50 Künstler
sind mit etwa 150 Werken vertreten, also in einer Menge und
in einer Geschlossenheit, wie die englische Knnst seit langem
nicht aus dem Kontinent vertreten war. Die englische Abtei-
lung der vorjährigen Weltausstellung in Antwerpen wies z. B.
nur 55 Gemülde aus. Die Vertretnng der übrigen Lünder
ist nicht durch die Akasse der eingelieferteu Knnstwerke
hervorragend, aber die dnrchschnittlich sich in den einge-
gangenen Arbeiten zeigende künstlerische Höhe beweist, mit
welcher Sorgsalt man in den einzelnen Staaten seine
Auswahl getroffen hat, um sich neben der deutschen Kunst
würdig zn behaupten.
Neben diesem der Kunst der Gegenwart gewidmeten
Hauptteil der Ausstellung sind die der älteren Kunst ge-
widmeten Säle von vorwiegend kunsthistorischer Bedeutung;
hierfür aber nm so mehr, als hier zum ersten Male eine
Anschauung von der Entwicklung der Künste in Berlin
im Verlaufe der letzten hundert Jahre gegeben ist.
Die Werke der Kunstschulen von Düsseldorf, Weimar
und Dresden sind zu dieser Vertretung mit hinzu-
gezogeu, so daß sich die historische Abteilung zn eineni
Bilde von der Entwicklung der Kunst in Norddeutschland
überhaupt erweitert hat. Das Jahr 1786, mit welchem
diese Übersicht beginnt, bedeutet allerdings für diese Kunst
keinen besonders hervortretenden Abschnitt. Selbst in
Berlin sind die Folgen der in dem genannten Jahre er-
folgten Reformierung der Akademie und der Einfluß der
seitdem veranstalteten öffentlichen akademischen Ausstel-
lungen keineswegs mit einem Schlage in's Leben geneten.
Noch lebte bis zum Jahre 1801 Chodowiecky, die
alte Säule des Rokoko, ohne daß in dieser Zeit,
neben ihm in Berlin auch nur ein Maler von irgend
welcher Bedeutung gewirkt hätte. Der einzige aber, Car-
stens, der 2 Jahre spüter in Berlin eintraf, vermochte die
Berliner Malerschule nicht in andere Bahnen zu lenken.
Berlin hat nur das Verdienst, den Schöpfer der neueren
deutschen Kunst ein paar Jahre vor dem Verhungern ge-
schüpt zu haben. Eine wirkliche Nachfolge seiner künst-
lerischen Bestrebungen wurde erst durch süddeutsche Maler,
durch Männer wie Koch, Wächter und Schick erreicht.
Von folgenreicherer Bedeutung war das Jahr 1788
für die Entwicklung der Bildhauerkunst in Berlin. Der
alte Tas s ae rt, dessen zopfige Marmorstatuen der Generale
Seydlitz und Keith aus dem Wilhelmsplatz lange Zeit bis
zu ihrer Erneuerung durch Kiß ein Tenkmal der besangenen
Kunstrichtung jener Epoche geblieben sind, war gestorben
und an seine Stelle der damals in seinem 24. Lebensjahre
stehende Johann Gottfried Schadow berufen. Jn
ihm trat hier zum ersten Male eine wirklich in Berlin
geborene schöpferische Künstlerkrast anf, in deren Werken
das Wesen des Berliner Volksgeistes zum ersten Male
seinen entschiedenen Ausdruck gefunden hat. Schadow ist
denn auch der Schöpfer der einzigen sest in sich bernhen-
den Künstlerschule geworden, welche die preußische Haupt-
stadt kennt: der Gründer der realistischen Bildhanerschule
Berlins.
Auch diese Schule konnte an der antiken Kunst, die
der ganzen zeitgenössischen Welt zum Vorbild diente,
nicht gleichgültig vorübergehen, seitdem englische und
deutsche Forscher auf die Schönheit der Antike hingewiesen
und die Künstler der französischen Revolution die Gestalten
der Sarkophagreliefs der Alten in ihren Gemälden zu
einem nenen Dasein heraufbeschworen hatten. Die Haupt-
vertreter dieser Berliner Bildhauerschule, der alte Sch adow
und Rauch, haben indessen, trotz allen Studiums der
Antike, als hauptsächlichstes Ziel ihres künstterischen Wirkens
eine auf treuester Naturbeobachtung gegrüudete Schildcrung
des Charakters der in ihren Werken darzustellenden Per-
sönlichkeit erkannt. Und wo sie znr Veredlung ihres
Formensinnes nach dem Muster der Antike arbeiten, greiien
sie im Gegensatz zu Thorwaldsen uud seiner Schule
nicht aus die griechische Kunst, sondern auf die Werke der
römischen Kaiserzeit zurück, in deren Portrüt-Statuen
und Werken der Triumphalplastik sie die ihnen mustergiltig
erscheiuende Vereinigung von Lebenswahrheit nnd plastischem
Stil erkannt hatten. Große Marmorwerke dieser Richtung
für den Zweck der Ausstellnng hier zn vereinigen, war
natürlich mit erheblichen Schwierigkeiien verbunden. llnsere
öffentlichen Sammlungen hat man hierbei mit Recht, als
so wie so jedem zugünglich, nicht berücksichtigt. Aus Privat-
besip oder aus fremden Galerien derartige Werke zu-
sammen zu leihen, stößt aber stets auf vielfache Ablehnung.
Dennochsind von Tassaert, Rauch.Kalide, Bläser,
Kiß, Afinger und deren Zeitgenossen hier eine stattliche
Anzahl von Bildwerkeu vereinigt, welche die Bedeutnng
der Berliner Plastik recht klar erkennen lassen.
Wesentlich vielgestaltiger, aber in den Bestrebnngen der
einzelnen Kräfte desto unklarer, ist das Bild, welches die
Malerei der letzten Hundert Jahre in Berlin darbietet.
Von einer „Berliner Schule" kanu hier überhaupt nicht die
Rede sein. Vor der Napoleonischen Zeit galten hier fast
ausschließlich die französischen Vertreter des Rokoko- und
Zopfstils. Tann solgten Jahre des Krieges, in denen so
gut wie nichts geschah. An dem überall inzwischen hervor-
tretenden Streben, die Malerei durch das Vorbild der
L-lir 25rrlmer IuülIaump-Anr,sre 1 liing
ie hundertjährige Wiederkehr des Tages der Eröffnung
der regelmäßigeu akademischen Kuustausstellungen
in Berlin hat die Veranlassung zu einem Unternehmen
gegeben, wie es Berlin in diesem Unisange und in dieser
Bedeutung bisher nicht gekannt hat. Zum ersten Mal ist
bei dieser Gelegenheit die zeitgenössische Kunsl des Aus-
landes in größerem Maßstabe in nnseren Mauern vertreten.
Für das Kunstleben der Hauptstadt ein nm so wichtigeres
Ereignis, als damit auch hier endlich erreicht ist, was die
ältere Kunststadt München aus ihren internationalen Ansstel-
lungen längst verwirklicht hatte. Zwar sind uns auch jept noch
die sranzösischen Künstler, die sich in München so gern an
dem künstlerischen Wettstreit der Völker betheiligten, sern
geblieben. Ter Grund hierfür beruht keineswegs in einem
Mißtrauen aus den Kunstmarkt der deutschen Hauptstadt,
sondern lediglich in den politischen Verhältnissen. Dentsch-
land hatte sich gezwungen gesehen, die Aufforderung
zur Beteiligung an der bevorstehenden Weltausstellung
in Paris abzulehnen. Daß die Revanche Frankreichs
gerade Berlin trifft, muß eben ertragen werden. Da-
für hat die jepige Ausstellnng aber auch einen schönen
Erfolg zu verzeichnen. Es ist gelungen, die englischen
Künstler zu veranlassen, ihre bisher dem Auslande gegen-
über bewahrte Zurückhaltuiig aufzuheben. llber 50 Künstler
sind mit etwa 150 Werken vertreten, also in einer Menge und
in einer Geschlossenheit, wie die englische Knnst seit langem
nicht aus dem Kontinent vertreten war. Die englische Abtei-
lung der vorjährigen Weltausstellung in Antwerpen wies z. B.
nur 55 Gemülde aus. Die Vertretnng der übrigen Lünder
ist nicht durch die Akasse der eingelieferteu Knnstwerke
hervorragend, aber die dnrchschnittlich sich in den einge-
gangenen Arbeiten zeigende künstlerische Höhe beweist, mit
welcher Sorgsalt man in den einzelnen Staaten seine
Auswahl getroffen hat, um sich neben der deutschen Kunst
würdig zn behaupten.
Neben diesem der Kunst der Gegenwart gewidmeten
Hauptteil der Ausstellung sind die der älteren Kunst ge-
widmeten Säle von vorwiegend kunsthistorischer Bedeutung;
hierfür aber nm so mehr, als hier zum ersten Male eine
Anschauung von der Entwicklung der Künste in Berlin
im Verlaufe der letzten hundert Jahre gegeben ist.
Die Werke der Kunstschulen von Düsseldorf, Weimar
und Dresden sind zu dieser Vertretung mit hinzu-
gezogeu, so daß sich die historische Abteilung zn eineni
Bilde von der Entwicklung der Kunst in Norddeutschland
überhaupt erweitert hat. Das Jahr 1786, mit welchem
diese Übersicht beginnt, bedeutet allerdings für diese Kunst
keinen besonders hervortretenden Abschnitt. Selbst in
Berlin sind die Folgen der in dem genannten Jahre er-
folgten Reformierung der Akademie und der Einfluß der
seitdem veranstalteten öffentlichen akademischen Ausstel-
lungen keineswegs mit einem Schlage in's Leben geneten.
Noch lebte bis zum Jahre 1801 Chodowiecky, die
alte Säule des Rokoko, ohne daß in dieser Zeit,
neben ihm in Berlin auch nur ein Maler von irgend
welcher Bedeutung gewirkt hätte. Der einzige aber, Car-
stens, der 2 Jahre spüter in Berlin eintraf, vermochte die
Berliner Malerschule nicht in andere Bahnen zu lenken.
Berlin hat nur das Verdienst, den Schöpfer der neueren
deutschen Kunst ein paar Jahre vor dem Verhungern ge-
schüpt zu haben. Eine wirkliche Nachfolge seiner künst-
lerischen Bestrebungen wurde erst durch süddeutsche Maler,
durch Männer wie Koch, Wächter und Schick erreicht.
Von folgenreicherer Bedeutung war das Jahr 1788
für die Entwicklung der Bildhauerkunst in Berlin. Der
alte Tas s ae rt, dessen zopfige Marmorstatuen der Generale
Seydlitz und Keith aus dem Wilhelmsplatz lange Zeit bis
zu ihrer Erneuerung durch Kiß ein Tenkmal der besangenen
Kunstrichtung jener Epoche geblieben sind, war gestorben
und an seine Stelle der damals in seinem 24. Lebensjahre
stehende Johann Gottfried Schadow berufen. Jn
ihm trat hier zum ersten Male eine wirklich in Berlin
geborene schöpferische Künstlerkrast anf, in deren Werken
das Wesen des Berliner Volksgeistes zum ersten Male
seinen entschiedenen Ausdruck gefunden hat. Schadow ist
denn auch der Schöpfer der einzigen sest in sich bernhen-
den Künstlerschule geworden, welche die preußische Haupt-
stadt kennt: der Gründer der realistischen Bildhanerschule
Berlins.
Auch diese Schule konnte an der antiken Kunst, die
der ganzen zeitgenössischen Welt zum Vorbild diente,
nicht gleichgültig vorübergehen, seitdem englische und
deutsche Forscher auf die Schönheit der Antike hingewiesen
und die Künstler der französischen Revolution die Gestalten
der Sarkophagreliefs der Alten in ihren Gemälden zu
einem nenen Dasein heraufbeschworen hatten. Die Haupt-
vertreter dieser Berliner Bildhauerschule, der alte Sch adow
und Rauch, haben indessen, trotz allen Studiums der
Antike, als hauptsächlichstes Ziel ihres künstterischen Wirkens
eine auf treuester Naturbeobachtung gegrüudete Schildcrung
des Charakters der in ihren Werken darzustellenden Per-
sönlichkeit erkannt. Und wo sie znr Veredlung ihres
Formensinnes nach dem Muster der Antike arbeiten, greiien
sie im Gegensatz zu Thorwaldsen uud seiner Schule
nicht aus die griechische Kunst, sondern auf die Werke der
römischen Kaiserzeit zurück, in deren Portrüt-Statuen
und Werken der Triumphalplastik sie die ihnen mustergiltig
erscheiuende Vereinigung von Lebenswahrheit nnd plastischem
Stil erkannt hatten. Große Marmorwerke dieser Richtung
für den Zweck der Ausstellnng hier zn vereinigen, war
natürlich mit erheblichen Schwierigkeiien verbunden. llnsere
öffentlichen Sammlungen hat man hierbei mit Recht, als
so wie so jedem zugünglich, nicht berücksichtigt. Aus Privat-
besip oder aus fremden Galerien derartige Werke zu-
sammen zu leihen, stößt aber stets auf vielfache Ablehnung.
Dennochsind von Tassaert, Rauch.Kalide, Bläser,
Kiß, Afinger und deren Zeitgenossen hier eine stattliche
Anzahl von Bildwerkeu vereinigt, welche die Bedeutnng
der Berliner Plastik recht klar erkennen lassen.
Wesentlich vielgestaltiger, aber in den Bestrebnngen der
einzelnen Kräfte desto unklarer, ist das Bild, welches die
Malerei der letzten Hundert Jahre in Berlin darbietet.
Von einer „Berliner Schule" kanu hier überhaupt nicht die
Rede sein. Vor der Napoleonischen Zeit galten hier fast
ausschließlich die französischen Vertreter des Rokoko- und
Zopfstils. Tann solgten Jahre des Krieges, in denen so
gut wie nichts geschah. An dem überall inzwischen hervor-
tretenden Streben, die Malerei durch das Vorbild der