Unsere Bilder. von Friedrich pecht.
5L
Um nichts zu verteyen, ließen wir die kleinen Reste
vmi Tünche, ivvmit das Bild jetzt noch übersüt ist, un-
berührt, die völlige Wiederherstellnng eincr damit ver-
trauteren Hand überlassend.
Wir hieltcn uns verpflichtet, unsern Fnnd dem da-
maligen Beichtvater des Klvsters sowohl als dem Bürger-
meister von Frauenchiemsee zur Meldnng an die Regiernng
mitznteilen. Bon behördlicher Seite soll das Bild darans-
hin wohl in Augenschein genommen worden sein, weiter
erfolgt ist aber bis jetzt — nichts! —
Man sollte glauben, es verlohnte sich doch der Blühe,
ein derartiges, gewiß hochinteressantes Werk aus der
Kindheit deutscher Kunst von der banlichen Umgebung,
niit welcher es durch die Veränderuiigen der Zeit in
keinerlei innerem Zusammenhang mehr steht, loszulösen
und dem Nationaliiiuseum in München, nach forgfältiger
Restanriernng, einzuverleiben. Vielleicht genügt aber dieser
ernente Hinweis, um das schlichte Werk unseres alten
Mcisters nnter der gesammelten gleichzeitigen Hinterlassen-
schaft aus graner Vorzeit seine Stelle als ein wertvolles
ergänzendes Glied dieser Zeugen unserer Kulturentwicklung
dennoch einiiehmen zn lassen.
Die Nlosterkirche -ink Iraurnchirinsee.
Zeichnung von Hermann Koch.
Unsere Vilder.
Von L. pecht.
Taß die deutsche Kunst an Hans Canon sStra-
schiripka) einen ihrer interessanteren Meister verloren habe,
das können wir aus dem von uns heute gebrachten großen
Ältarbilde, der sogenannten Loge St. Johannis desselben
sehen, welches er zwar schon vor 12 Jahren für eme Frei-
maurerloge gemalt hat, das aber all seine Eigentümlichkeiten
voll wiederspiegelt. Zunächst seine hervorragendste: als
Maler ebensowenig einen bestimmten Charakter zu besitzen,
wie einen um so ausgesprocheneren als Mensch, wo sein
stürmisches, exzentrisches, gewaltthütiges, aber immer geist-
volles Wesen ihm Frennde und Feinde in Menge erwarb.
Sbwohl aus deutschen nnd slavischen Bestandteilen sonder-
bar gemischt, im ganzen aber doch vor alleni ein echtes
Wiener Kind mit dem lärmenden Ungestüni eines solchen,
besaß er zwar eine merkwürdige Geschicklichkeit sich alle
möglichen Stilsormen alter und neuerer Meister anzueignen,
hat es aber wie gesagt kairm jemals zu ihm allein eigen-
tümlichen gebracht. So ahmte er besonders Rubens mit
großem Geschicke nach, wie es hier geschieht, wo er eine
Art „8anta convsrsaÄone" gibt, welche die gegenseitige
Tuldung allen Glaubensbekenntnissen predigen soll, sich
also eine wenn nichtnnlösbare, doch außerordentlich schwierige
Aufgabe setzt. Wir sehen da die großartige Fignr des
Moses auf einen Throne sitzend und mit strengem Ernste
Die Kunst für Alle I.
ans die Gesetzestaseln hinzeigend, das alte Testament aus
seinen Knieen. Ans ihm als festem Boden der Gerechtig-
keit steht als das Höhere, Erlösende, die Liebe in ihrer
Verkörperung, dem Christiisknaben, welcher das Kreuz im
Arm, eben die Lehre „liebet Ench untereinander" verkündet,
die als Jnschrist auf deni neuen Teftament steht, welches
der linksstehende von den unten versammelten Vertretern
der vier christlichen Glaubensbekenntnisse. der Reprüsentant
des Protestantismns anfgeschlagen trägt, und aus welche
der zu Füßen des Christus als Vermittler sitzende Täuser
die Sbengenannten als den Kern und Ülngelpnnkt der
Lehre hinweist, nicht ohne ein gewisses Mißtrauen in
die Fruchtlosigkeit seiner Anstrengungen.
Man sieht, das ist geistvoll ersunden nnd mit ent-
schiedener Größe der Auffassung kompvniert, mit all der
Farbenpracht und auch nicht wenig von jener inneren Kälte
gemalt, wie sie Rubens bei seinen religiösen Bildern zu
zeigen selten verfehlt. — So achtbar nun die Historien-
bilder Canons auch dnrch sein anßerordentliches malerisches
Talent gemacht werden, so trifft man an denselben doch
dieselbe kühle Gleichgültigkeit wie sie Makart und beider
Vorgänger, Rahl, sowie init ihnen den weitaus größten Tell
der WienerHistorienmalerei seit Jahrhunderten charakterisiert,
und von welcher nur der tief innerliche, überzeugungstreue
Führich eine glänzende Älusnahme macht. Tarum liegt
denn auch die eigentliche Stärke Canons in seinen Por-
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Um nichts zu verteyen, ließen wir die kleinen Reste
vmi Tünche, ivvmit das Bild jetzt noch übersüt ist, un-
berührt, die völlige Wiederherstellnng eincr damit ver-
trauteren Hand überlassend.
Wir hieltcn uns verpflichtet, unsern Fnnd dem da-
maligen Beichtvater des Klvsters sowohl als dem Bürger-
meister von Frauenchiemsee zur Meldnng an die Regiernng
mitznteilen. Bon behördlicher Seite soll das Bild darans-
hin wohl in Augenschein genommen worden sein, weiter
erfolgt ist aber bis jetzt — nichts! —
Man sollte glauben, es verlohnte sich doch der Blühe,
ein derartiges, gewiß hochinteressantes Werk aus der
Kindheit deutscher Kunst von der banlichen Umgebung,
niit welcher es durch die Veränderuiigen der Zeit in
keinerlei innerem Zusammenhang mehr steht, loszulösen
und dem Nationaliiiuseum in München, nach forgfältiger
Restanriernng, einzuverleiben. Vielleicht genügt aber dieser
ernente Hinweis, um das schlichte Werk unseres alten
Mcisters nnter der gesammelten gleichzeitigen Hinterlassen-
schaft aus graner Vorzeit seine Stelle als ein wertvolles
ergänzendes Glied dieser Zeugen unserer Kulturentwicklung
dennoch einiiehmen zn lassen.
Die Nlosterkirche -ink Iraurnchirinsee.
Zeichnung von Hermann Koch.
Unsere Vilder.
Von L. pecht.
Taß die deutsche Kunst an Hans Canon sStra-
schiripka) einen ihrer interessanteren Meister verloren habe,
das können wir aus dem von uns heute gebrachten großen
Ältarbilde, der sogenannten Loge St. Johannis desselben
sehen, welches er zwar schon vor 12 Jahren für eme Frei-
maurerloge gemalt hat, das aber all seine Eigentümlichkeiten
voll wiederspiegelt. Zunächst seine hervorragendste: als
Maler ebensowenig einen bestimmten Charakter zu besitzen,
wie einen um so ausgesprocheneren als Mensch, wo sein
stürmisches, exzentrisches, gewaltthütiges, aber immer geist-
volles Wesen ihm Frennde und Feinde in Menge erwarb.
Sbwohl aus deutschen nnd slavischen Bestandteilen sonder-
bar gemischt, im ganzen aber doch vor alleni ein echtes
Wiener Kind mit dem lärmenden Ungestüni eines solchen,
besaß er zwar eine merkwürdige Geschicklichkeit sich alle
möglichen Stilsormen alter und neuerer Meister anzueignen,
hat es aber wie gesagt kairm jemals zu ihm allein eigen-
tümlichen gebracht. So ahmte er besonders Rubens mit
großem Geschicke nach, wie es hier geschieht, wo er eine
Art „8anta convsrsaÄone" gibt, welche die gegenseitige
Tuldung allen Glaubensbekenntnissen predigen soll, sich
also eine wenn nichtnnlösbare, doch außerordentlich schwierige
Aufgabe setzt. Wir sehen da die großartige Fignr des
Moses auf einen Throne sitzend und mit strengem Ernste
Die Kunst für Alle I.
ans die Gesetzestaseln hinzeigend, das alte Testament aus
seinen Knieen. Ans ihm als festem Boden der Gerechtig-
keit steht als das Höhere, Erlösende, die Liebe in ihrer
Verkörperung, dem Christiisknaben, welcher das Kreuz im
Arm, eben die Lehre „liebet Ench untereinander" verkündet,
die als Jnschrist auf deni neuen Teftament steht, welches
der linksstehende von den unten versammelten Vertretern
der vier christlichen Glaubensbekenntnisse. der Reprüsentant
des Protestantismns anfgeschlagen trägt, und aus welche
der zu Füßen des Christus als Vermittler sitzende Täuser
die Sbengenannten als den Kern und Ülngelpnnkt der
Lehre hinweist, nicht ohne ein gewisses Mißtrauen in
die Fruchtlosigkeit seiner Anstrengungen.
Man sieht, das ist geistvoll ersunden nnd mit ent-
schiedener Größe der Auffassung kompvniert, mit all der
Farbenpracht und auch nicht wenig von jener inneren Kälte
gemalt, wie sie Rubens bei seinen religiösen Bildern zu
zeigen selten verfehlt. — So achtbar nun die Historien-
bilder Canons auch dnrch sein anßerordentliches malerisches
Talent gemacht werden, so trifft man an denselben doch
dieselbe kühle Gleichgültigkeit wie sie Makart und beider
Vorgänger, Rahl, sowie init ihnen den weitaus größten Tell
der WienerHistorienmalerei seit Jahrhunderten charakterisiert,
und von welcher nur der tief innerliche, überzeugungstreue
Führich eine glänzende Älusnahme macht. Tarum liegt
denn auch die eigentliche Stärke Canons in seinen Por-