Ilnsere Bilder — !)om Meibnachts-Büchertisch
85
Baterlande gewidmet, bei der er die obenerlvähnten Eigen-
schaften in ganz besonderem Grade entfaltet und damit
begreiflich entschiedenes Glück macht, ja fich bereits den
besten und gesuchtesten Bildnismalern dort angereiht hat.
Bekanntlich gibt es wohl viele und ausgezeichnete
amerikanische Maler, aber, da sie sich allein in München oder
Paris gebildet haben, noch keine amerikanische Kunst. Bei
den Neal'schen Porträts ist indes doch schon ein entschieden
nationaler Zug zu bemerken, zunächst durch den Anschluß
an die Malerei der stammverwandteu Engländer und ihre
große und freie Ausfassung und Formen-Behandlung.
Man kann sich wohl keinen größeren Eegensatz denken
als er zwischen den elegant und jedenfalls vornehm
austretenden Venetianern Carl Beckers und den selbst auf
fester bayrischer Erde überaus unsicher schwankenden Bauern
besteht, die Meister Diez „grad aus dem Wirthhaus heraus"
kommeu läßt. Jn bester, ja in einer so fidelen Stimmung
ofsenbar, daß sie ganz ansteckend wirkt nnd man unwill-
kürlich mitlacht. kknd wie geistvoll und pikant das alles
gemacht ist, so daß man ganz vergißt, daß das Leute aus
dem ledernen neunzehnten Jahrhuudert sind, die vielleicht
gestern noch auf des Herrn Pfarrers Geheiß einen ultra-
montanen Kunstsreund in die bayerische Kammer geschickt
haben, während sie sich heute auf den Ortssinu ihrer zürt-
lichen Gattinnen verlassen müssen, um nur den Weg nach
Hause zurückzufinden. Wenn man Diez' Bild nur von
weitem ausiebt, so weiß man schon, daß sich hier eine liebens-
würdige Sonntags-Nachmittagsszene abspielen müsse,. bei
der im warmen Sonnenscheine alles durcheinander purzelt
und deren Signatur der lorbeerumkränzte Maßkrng bildet,
wie er im goldneu Abendlicht glänzend, zum Giebel des
Wirtshauses hinten heraushängt. Teniers sähe noch lang-
weilig aus neben diesem Bild und man muß schon Holbein
und Menzel mit dazunehmen, um Pathen fiir dies Meisrer-
stück echt deutscher Kunst zu finden, das so voll und direki
an unsere alte nationale Kunst anknüpft.
So trnnken fidel Tiez' Bild aussieht, so düsterc
Schwermut weht nns aus Wengleins „Hochmoor" ent-
gegen, der deu ganzen Thalgrund mit seinen schivarzen.
nur von einzelnen Wassertümpeln unterbrochenen -i orf-
feldern eiunimint, während oben der erste Schnee die Berge
im Hintergrund in seinen weißen Leichenmantel hüllt.
Wie unseres trefflichen Meisters Bilder immer, hat auch
dieses eine völlig überwältigende Kraft der Stimmung,
solch unwiderstehliche Trauer ergreift uns bei diesem
Anblick einer im Sumps untergegangenen Welt, während
wir die Zerstörung und Vernichtung bereits ihr Werk
wieder beginnen sehen, daß uns der Anblick förmlich das
Herz beklemmt. Es ist aber zugleich etwas so Erhabenes
und echt männliches in dieser Trauer, sie ist so entfernt
von aller schwächlichen Sentimentalitüt, daß wir kaum
irgend einen Meister wüßten, außer Everdingen und unter
den Neueren Gnde, die mit diesem, den Charakter der bay-
rischen Hochebene im Spätherbst so unübertrefflich wieder-
gebenden, Kunstwerk eine gewisse Verwandtschast zeigten.
Studie. von D. Chodowiecki (s. S- 88).
kAus„D. Chodowiecki's Künstlermappe". Berla v. Amsleru. Ruthardt, Berlin.)
Vom 1V ei h nachts- V ücherii sch.
von Friedrich Pecht.
/«^rblickl man die Flut von Erzeugnissen des Buch- und Kunst-
handels, die, jedes Jahr wechselnd, sich zur Wejhnachtszeit deni
doch gar nicht so übermäßig kauflustigen deutschen Publikum dar-
bietet, so gerät man unwillkürlich aus die Frage, wer denn das
Alles sehen, lesen und - - bezahlen soll. Dennoch zeigen die
wiederholten Auflagen vieler dieser Produktionen, daß die Auf-
nahmsfähigkeit der deutschen Nation für dergleichen beständig wächst.
Noch mehr allerdings die unserer Landsleute in allen Teilen der
Welt, welche dadurch ihren geistigen Zusammenhang mit der geliebten
Heimat ausrechterhalten. Jn diesem Labyrinth braucht jeder einen
Führer, wenn er nicht Gefahr laufen will, bald ganz wertloses,
bald auch etwas ganz anderes zu finden als er sich gedacht. Wie
in der letzten Nummer, so versuchen wir im Nachfolgenden zu
solcher Orientierung beizutragen, wenn wir auch begreiflich darauf
verzichten müssen, den ungeheuren Stoff irgendwie zu erschöpfen. —
Da man uns aber den ganz gerechtfertigten Vorwurf gemacht hat,
mit allzu großem Zartgefühl die einschlägige Thätigkeit der eigenen
Verlagshandlung bis jetzt in unserem Blatte gar nicht berücksichtigt
zu haben, so beginnen wir diesmal bei dieser. Wir können das
um so eher, als sie doch mehr oder weniger nur der Reflex der
ungeheuren Produktion der Münchener Schule ist.
Nirgends Vielleicht tritt die Mannichsaltigkeit der in unserem
Knnstleben vertretenen Richtungen indes so aufsallend hervor, als
bei dem Jahrbuch, welches davon seinen Namen herleitet,
der „Münchener Bunten Mappe" sin Prachtband 10 M.).
Dank seiner ebenso überraschendeu als gehaltvollen Blumen-
lese, hat denn auch dieses jüngste Münchener Kindl einen
geradezu kolossalen Beifall schon bei seinem ersten Erscheinen
im vorigen Jahr gefunden. und die heurige Wiederholung
scheint denselben noch zu steigern. Die Ursache davon
Die 2<unst fnr 2llle I.
72
85
Baterlande gewidmet, bei der er die obenerlvähnten Eigen-
schaften in ganz besonderem Grade entfaltet und damit
begreiflich entschiedenes Glück macht, ja fich bereits den
besten und gesuchtesten Bildnismalern dort angereiht hat.
Bekanntlich gibt es wohl viele und ausgezeichnete
amerikanische Maler, aber, da sie sich allein in München oder
Paris gebildet haben, noch keine amerikanische Kunst. Bei
den Neal'schen Porträts ist indes doch schon ein entschieden
nationaler Zug zu bemerken, zunächst durch den Anschluß
an die Malerei der stammverwandteu Engländer und ihre
große und freie Ausfassung und Formen-Behandlung.
Man kann sich wohl keinen größeren Eegensatz denken
als er zwischen den elegant und jedenfalls vornehm
austretenden Venetianern Carl Beckers und den selbst auf
fester bayrischer Erde überaus unsicher schwankenden Bauern
besteht, die Meister Diez „grad aus dem Wirthhaus heraus"
kommeu läßt. Jn bester, ja in einer so fidelen Stimmung
ofsenbar, daß sie ganz ansteckend wirkt nnd man unwill-
kürlich mitlacht. kknd wie geistvoll und pikant das alles
gemacht ist, so daß man ganz vergißt, daß das Leute aus
dem ledernen neunzehnten Jahrhuudert sind, die vielleicht
gestern noch auf des Herrn Pfarrers Geheiß einen ultra-
montanen Kunstsreund in die bayerische Kammer geschickt
haben, während sie sich heute auf den Ortssinu ihrer zürt-
lichen Gattinnen verlassen müssen, um nur den Weg nach
Hause zurückzufinden. Wenn man Diez' Bild nur von
weitem ausiebt, so weiß man schon, daß sich hier eine liebens-
würdige Sonntags-Nachmittagsszene abspielen müsse,. bei
der im warmen Sonnenscheine alles durcheinander purzelt
und deren Signatur der lorbeerumkränzte Maßkrng bildet,
wie er im goldneu Abendlicht glänzend, zum Giebel des
Wirtshauses hinten heraushängt. Teniers sähe noch lang-
weilig aus neben diesem Bild und man muß schon Holbein
und Menzel mit dazunehmen, um Pathen fiir dies Meisrer-
stück echt deutscher Kunst zu finden, das so voll und direki
an unsere alte nationale Kunst anknüpft.
So trnnken fidel Tiez' Bild aussieht, so düsterc
Schwermut weht nns aus Wengleins „Hochmoor" ent-
gegen, der deu ganzen Thalgrund mit seinen schivarzen.
nur von einzelnen Wassertümpeln unterbrochenen -i orf-
feldern eiunimint, während oben der erste Schnee die Berge
im Hintergrund in seinen weißen Leichenmantel hüllt.
Wie unseres trefflichen Meisters Bilder immer, hat auch
dieses eine völlig überwältigende Kraft der Stimmung,
solch unwiderstehliche Trauer ergreift uns bei diesem
Anblick einer im Sumps untergegangenen Welt, während
wir die Zerstörung und Vernichtung bereits ihr Werk
wieder beginnen sehen, daß uns der Anblick förmlich das
Herz beklemmt. Es ist aber zugleich etwas so Erhabenes
und echt männliches in dieser Trauer, sie ist so entfernt
von aller schwächlichen Sentimentalitüt, daß wir kaum
irgend einen Meister wüßten, außer Everdingen und unter
den Neueren Gnde, die mit diesem, den Charakter der bay-
rischen Hochebene im Spätherbst so unübertrefflich wieder-
gebenden, Kunstwerk eine gewisse Verwandtschast zeigten.
Studie. von D. Chodowiecki (s. S- 88).
kAus„D. Chodowiecki's Künstlermappe". Berla v. Amsleru. Ruthardt, Berlin.)
Vom 1V ei h nachts- V ücherii sch.
von Friedrich Pecht.
/«^rblickl man die Flut von Erzeugnissen des Buch- und Kunst-
handels, die, jedes Jahr wechselnd, sich zur Wejhnachtszeit deni
doch gar nicht so übermäßig kauflustigen deutschen Publikum dar-
bietet, so gerät man unwillkürlich aus die Frage, wer denn das
Alles sehen, lesen und - - bezahlen soll. Dennoch zeigen die
wiederholten Auflagen vieler dieser Produktionen, daß die Auf-
nahmsfähigkeit der deutschen Nation für dergleichen beständig wächst.
Noch mehr allerdings die unserer Landsleute in allen Teilen der
Welt, welche dadurch ihren geistigen Zusammenhang mit der geliebten
Heimat ausrechterhalten. Jn diesem Labyrinth braucht jeder einen
Führer, wenn er nicht Gefahr laufen will, bald ganz wertloses,
bald auch etwas ganz anderes zu finden als er sich gedacht. Wie
in der letzten Nummer, so versuchen wir im Nachfolgenden zu
solcher Orientierung beizutragen, wenn wir auch begreiflich darauf
verzichten müssen, den ungeheuren Stoff irgendwie zu erschöpfen. —
Da man uns aber den ganz gerechtfertigten Vorwurf gemacht hat,
mit allzu großem Zartgefühl die einschlägige Thätigkeit der eigenen
Verlagshandlung bis jetzt in unserem Blatte gar nicht berücksichtigt
zu haben, so beginnen wir diesmal bei dieser. Wir können das
um so eher, als sie doch mehr oder weniger nur der Reflex der
ungeheuren Produktion der Münchener Schule ist.
Nirgends Vielleicht tritt die Mannichsaltigkeit der in unserem
Knnstleben vertretenen Richtungen indes so aufsallend hervor, als
bei dem Jahrbuch, welches davon seinen Namen herleitet,
der „Münchener Bunten Mappe" sin Prachtband 10 M.).
Dank seiner ebenso überraschendeu als gehaltvollen Blumen-
lese, hat denn auch dieses jüngste Münchener Kindl einen
geradezu kolossalen Beifall schon bei seinem ersten Erscheinen
im vorigen Jahr gefunden. und die heurige Wiederholung
scheint denselben noch zu steigern. Die Ursache davon
Die 2<unst fnr 2llle I.
72