Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

DOI Artikel:
Voss, Georg: Farbige Bildhauerarbeiten in der Berliner Nationalgalerie
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0100

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
72

Farbige Bildhauerarbeiten in der Berliner Nationalgalerie. von Georg voß.

Farbige BildhLuerLrbeilrn in der Verliner
Nskionglgalerie.
Jn die den Werken der Bildhauerkunst gewidmete
Säulenhalle der Nationalgalerie ist seit wenigen Tagen
ein anderer Geist eingezogen. Die ernsten weißen Marmor-
bilder sind von ihren Postamenten herabgenommen. An
ihre Stelle ist ein Wald von bunt bemalten Statuen ge-
treten; Werke aus den verschiedensten Jahrhunderten, von
denen jedes auf seine Weise uns von dem Glanz und
Schimmer farbiger Zeiten erzählt; und mitten darunter
eine Reihe von neuen Arbeiten, die selbst die glühendsten
Farbenträume der Vorzeit noch einmal in das Leben
zurückrufen möchten. Die neuesten Forschungen haben un-
zweifelhaft erwiesen, daß alles, was in der Bildhauer-
kunst von den Standbildern der Pharaonen an bis zur
Zeit der Renaissance geschaffen ist, von den alten Künstlern
bnnt bemalt wurde. Erst als die Reuaissancezeit die
Statuen der Alten aus ihren vielhundertjährigen Ruinen-
gräbern hervorsuchte, in deuen der Farbenschmuck des
Marmors längst verblichen war, ließ man die Bemalung
der Statuen fallen. Jn blinder Nachahmung von allem,
was sich aus dem Rom der Cäsaren auf die Nachwelt
herübergerettet hatte, nahm man auch die weiß gewordenen
Bildhauerarbeiten der Alten zum Vorbilde. Bemalte
Statuen wurden nur noch nebenher geschaffen, namentlich
im Dienste der Kirche. Ein Marienbild, das die alten
Wunder im Herzen der Gläubigen wirken sollte, mußte
auch mit der alten Farbenschönheit zum Herzen der Ge-
meinde sprechen. Doch aus den Bildwerken der großen
Meister war die Bemalung verbannt. Und wie es die
Archäologen waren, die damals den Statuen die Farben
genommen hatten, so sind es auch heute wiederum Archäo-
logen, die dem Marmor die Farben zurückzuerobern be-
müht sind. Nicht weil man mit eiuemmale antike
Marmor-Büsten und -Statuen in einer solchen Schönheit
der Farbe aufgefunden hätte, daß uns ihr Vorbild mit
zwingender Gewalt zur Nachahmung herausforderte. Jm
Gegenteil. Nnr hier und da sind auf griechischen oder
römischen Marmorwerkeu einige unscheinbare, verlorene
Farbenspuren gefnnden. Von irgend einer Bemalung,
cbenbürtig dem Geiste, dcr den Meißel an diesen Werkeu
führte, hat sich kein einziges Beispiel erhalten. Lediglich
diese Farbenspuren und die begeisterten Schilderungen der
alten Schriftsteller gaben den Anstoß zu der neuen Be-
wegung, die bereits eine Reihe der bedeutendsten Talente
in ihre Bahnen gezogen hat.
Da die Frage der Bemalung der Statuen somit zu
einer brennenden geworden ist, muß man der Direkkion
der Nationalgalerie dafür dankbar sein, durch die gegen-
wärtige Ansstellung einen klaren Überblick über das Ge-
biet der farbigen Skulptur ermöglicht zu haben. Ein
wesentliches Verdieust um die Anregung zu einer möglichst
zahlreichen Teilnahme einiger unserer ersten Bildhauer ge-
bührt auch dem Direktor des Dresdener Antikenkabinetts,
Professor Or. Treu, der schon seit Jahren dieser Frage
sein besonderes Jnteresse gewidmet hat.
Die Färbung, welche die Bildhauer und Maler den
hier ausgestellten modernen Werken gegeben haben, schlägt
die verschiedensten Wege ein. Bei deu Marmorwerken hat
man sich in den meisten Fällen mit einer leichten Tönung
begnügt. Ähnlich wie man in Rom schon seit Jahrzehnten

dem Marmor an einzÄnen Stellen einen leichten Farben-
hauch zu geben wußte, um die Haare und die Brauen
von dem Gesicht oder der Gewandung zu unterscheiden,
ist man auch hier verfahren. Der krystallinische Schimmer
des Marmors ist dabei völlig bewahrt und der Stein hat
durch diese in einigen Fällen mit Tabakssaft hervorgerufene
Beizung den warmen kebensvollen braunen Ton alter
Bildwerke erhalten. Besonders schön in dieser Art ist die
Porträtbüste des Archäologen Ernst Curtius von Fritz
Schaper und die des Malers H. v. Marses von
Karl Begas. Ebenso eine bereits von der National-
galerie erworbene Gruppe „Venus, dem Amor die Flügel
stutzend", von Rudolph Schweinitz. Ferner das Relief-
porträt des Staatsministers v. Delbrück, ausgeführt von
Josef Kopf. Stärker tritt die Bemalung in einer Reihe
von Werken auf, die indessen in den meisten Fällen, be-
sonders im Fleisch, der natürlichen Schönheit des Marmors
ihre Wirkuug lassen. Bernhard Römer hat auf dem
flach gehaltenen Marmorrelief eines Kinderporträts den
Grund grau gesürbt, Gesicht und Hals gelblich und einen
Ton duukler die Haare. Die Wirkung ist eine vortreff-
liche. Eine Nixe desselben Meisters blickt aus dunkel-
gefärbteni Seetaug hervor, ein dunkler Schilfkranz mit
einer weißen Seerose, in der die gelben Staubfäden mit
heller Farbe mit hineingemalt sind, umwindet den Kopf.
Das Fleisch ist in allen Teilen gefärbt, und die Tönungen
desselben sind von einer Reinheit und von einem krystal-
linischen Glanze belebt, daß man Marmor von natürlicher
Farbe vor sich zu sehen glaubt. Noch weiter in der Be-
maluug geht Arthur Volkmann, der in zwei Werken
den Marmor an einzelnen Stellen völlig unter der bunten
Farbe verschwinden läßt. Die Wirkung aus der Ferne ist
von großem Reiz und von leuchtender Klarheit. Jn der
Nühc beseheu, erscheint das Fleisch und die Lippen schmutzig.
Eine iu diescr Art ausgeführte Porträtbüste, im Zimmer
uud dem Auge uahe aufgestellt, muß schon wegen dieses
Schmutzes uuaugeuehm wirken. Die glänzende dekorativc
Wirkung dagegen sür eine dem Auge ferner gerückte Auf-
stelluug, etwa iu Berbindung mit der Architektur, muß
eutschieden anerkanut werden.
Die Bersuche in Gips und Terracotta schwelgen
völlig in Farbe. Ein lebensgroß ausgeführter italienischer
Knabe von Kuno v. Uechtritz ist durchweg realistisch
bunt bemalt. Die Wirkung, besonders aus der Ferne, ist
eine sehr schöne. Jn der Nähe sind die Farben besonders
im Fleisch unrein, doch bei einem italienischen Flötenspieler
ist man an ein wenig Schmutz gewöhnt. Durchaus störend
ist indessen dieser Schmutz in den Gesichtszügen und auf
der Wäsche 'an den Porträtbüsten. Alle Bemalungs-
versuche in Gips, in Stearinmasse oder Terracotta leiden
dadurch enffetzlich. Auch Rembrandt hat seine Männer
und Frauen in Hemdkragen gemalt, die aussehen, als ob
sie schon drei Tage in Tabaksqualm getragen seien. Doch
was ein Rembrandl mit der ganzen Leuchtkraft seiner
Palette geschaffen hat, läßt sich nicht aus diesen flüchtig
bemalten Büsten nachahmcn, aus deren trockener Farbeu-
kruste überall der tote Gips hervorstarrt. Einzelne mit
bemerkenswertem Talent für dekorative Wirkung in die
Ferne geschafsene Beispiele befinden sich indessen auch unter
diesen Werken. So Albert Wolffs in Stearinmasse
ausgeführte und mit Beize und Wasserfarben bemalte
Büste der Großherzogin Marie von Mecklenburg-Strelitz.
Ferner die mit der bnnten Uniform bekleidete Büste eines
 
Annotationen