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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Zum 70. Geburtstag Adolf Menzels
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0099

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Oon Friedrich Pecht.

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zwölfjährigen Jesus im Tempel, das offenbar schon dieselbe Richtung einschlägt, wie sie seither Liebermann,
nur nicht so frappant wahr, weiter verfolgt.
Konnte unserer konventionell akademisch nnd gründlich charakterlos kosmopolitisch gewordenen Kunst
nur die Rückkehr zur rücksichtslosesten
Wahrheit und Ehrlichkeit, zur unbe-
dingtesten Hingabe an die eigene Natur
und an die nationale Geschichte helfen,
so hat Meuzel das uugeheure Verdieust,
diesen Weg, weun nicht zuerst einge-
schlagen, doch mit einer Konsequenz uud
Willenskraft, aber auch eiuem durch-
dringendeu Geist und tiefen Verständnis
versolgt zu haben, in der ihn, wcnigstens
aus dem Felde der vaterländischeu Pro-
fangeschichte, bis heute Niemand erreicht
hat. Ohne Zweifel ist er kein naiver
Künstler wie Defregger, lange Ver-
kennuug und Mißhaudlung habeu über-
dies seinem Geist eine gewisse ätzende
Schärfe aufgeprägt, die ebenso spezifisch
norddeutsch ist wie Lessings Wesen.
Gerade dadurch ist er aber der glän-
zendste Vertreter jener Periode voll
furchtbarer Kämpfe gemvrden, in der
Norddeutschland die Führung überuahm,
wie sie in Menzel ihren unvergleichlichen
Schilderer sand. — Der Einfluß des
so viel angefochtenen Meisters auf seine
Zeitgenossen, auf die gesamte deutsche
Kuust, war denu anch so unermeßlich
als das Feld, das er ihr eröffnet hat.
Kaum irgend ein deutscher Künstler ist
ganz unberührt von ihm geblieben, eine
ganze Anzahl der vortrefflichsten wären
ohne seine Anregung nie geworden was
sie heute sind. Hat doch die Malweise
fast aller unserer nnd vieler fremder
Sitteubildmaler sich nach Menzcl nm-
geformt, so daß die srühere glatte
Langweiligkeit derselben fast völlig
verschwand.
Weit größer aber ist sein Ver-
dienst, dem deutschen Volke zuerst
wieder die eigene Geschichte interessant
und fesselud dargestellt, der uugesunden
Schwärmerei siir König Priamos und
Brutus oder Cäsar ein Ende mit Schrecken
bereitet, endlich die Kunst wiederum zum
Ausdruck unseres eigeusten Wesens ge-
macht, und ihr damit völlig neue Wege
geöffnet zu haben!
Sludir. Oon Adolf tNenzel.

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