Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

DOI article:
Brandes, Otto: Der Römerpreis
DOI article:
Personal- und Ateliernachrichten - Denkmäler - Ausstellungen, Sammlungen, etc. - Vermischte Nachrichten- Kunstliteratur - Vom Kunstmarkt - Briefkasten
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0430

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

SH0 Brandes, Der Römerpreis -— Personal- u»d Ateliernachrichten — Denkmäler rc.

Bcirt. blaue Augen, etwas stumpfe Nase uud ein Kostüm
ü la Nobinsan Crusve oder nach Art der bigblLiiäer,
das sind die notwendigen Jngredienzen des Goten auf
einem modernen französischen Bilde. Namentlich hat der
„grarict-prix" mit einem solchen Exemplar einen gewissen
Unfng getrieben. Es ist das ein Jndividnum, vor dem
man sich unwillkürlich fragt, wo hast du den Kerl schon
mal gesehen. Eine Frage, auf welche man zu antworten
in der Lage: Auf allen Bilderu, wo Goten vorkommeu.
Tas in der Aufgabe besonders betonte Moment des
Hervorziehens aus dem Versteck ist ebenfalls auf fast allen
Bilderu mißlungen. Bald sehen wir Claudius geführt
von dem Prätorianer wie von dem Gedankenleser Cumberland,
bald gezerrt, bald wird ihm unehrerbietig die Hand auf
die Schulter gelegt, während der Prätorianer mildernde
Umstände für ihn zu plaidieren scheint. Überall Unnatur,
überall malerische Kulissenreißerei.
Auch in der Farbe macht sich teilweise eine große
Unsicherheit erkennbar. Geradezu grotesk wirkt ein Bild,
in welchem der Claudius und der Prätorianer in Lakrißcn-
sast gemalt sind, während ein anderes sich mehr dem
Schokoladetone nähert.
Jch habe bci diesen Bildern so lange verweilt, nm
daran nachzuweisen, wohin die inißverständliche Zlnffassung
einer Preisbewerbung führen kann.
Die Aufgabe für die Skulptur ist im ganzen besser
gelöst. Es kommt das zum Teil auf Rechnung einer
größeren Klarheit derselben, zum Teil auf die eines
größeren Könnens der konkurrierenden Bildhauer. Die
Audeutung des Wassers durste konventionell durch Schilf
gescheheu. Eiue größere Schwierigkeit war der Fisch. Um
die Furcht bei Tobias vor diesem wahrscheiulich zu macheu,
hätte er von stattlicher Größe sein sollen. Einzelne dcr
Üonkurrenten haben geglaubt, ein leidlich großer Karpfeu
erfülle den Zweck. Andere, denen uichts über die Linie
geht, lassen Tobias mit einem Arm nach dem Fisch greifen,
während der andere graziös in der Luft sich bewegt.
Einige stellen den Jüngling auf einem Beine knieend, an-
dere sogar am Wasser liegend dar. Die einzige Arbeit,
die nach Charakterisierung des Tobias und Auffassung der
Situaüon, wenn auch nicht durch Linienschönheit, meiuer
Ansicht nach befricdigen könnte, ist Nr. 10. Tobias, aus
dessen Gesicht durch die halb geschlosseneu Augen, den nach
hinten zurückgeworfenen Kopf. sich die Furcht vor seiner
Aufgabe, die er nach dem Gebot des Engels erfüllen muß,
ankündigt, greist, ich möchte sagen blind, in die Kiemen
des Fisches uud zieht, auf seineu freilich uuschön gesprcizten
Beiuen fest ruhend, diesen unter Aufbietung einer gewisscu
Kräftesumme so aus dem Wasser, daß der häßliche Fisch-
kopf dem Beschauer abgewendet bleibt und von dem Tiere
nur ein Teil der geschlängelten Rückenlinie an der Har-
monie des Kunstwerkes teilnimmt. Fast alle Arbeiten
zeigen ein bedeutendes technisches Köunen, ein ausmerk-
samcs und liebevolles Studium des Nackten, weun man
auch fast aus keiuer die Geschichte des Tobias herauslesen
kann. Ein Verdikt ist in dieser Abteilung noch nicht er-
gangen.
Die Bewerber in der Abteilung der Kupferstechkunst
haben einen ansprechenden Akt ausgestellt. Ohne daß
hieriu Hervorragendes geleistet wordeu, erhebt sich eine
der Arbeiten durch eiue weiche, dabei nicht kraftlose Be-
handlung, wie durch eine sorgfältige Beobachtung des

menschlichen Körpers ziemlich weit über das Niveau dcr
Mittelmäßigkeit der übrigen Arbeiten.
Nicht der Staats-Ehrenpreis allein ist es übrigens,
der den verschiedeuen „Orancks-I'rix" zu Teil wird. Tie
Liebe der Franzosen zur Kunst hat in klingenden Legaten
und Stiftungen ihrcu Ansdruck gesunden. So bezieht dcr
jedcsmalige glückliche erste Sieger in der Malerei neben
dem Staatsstipendium die artige Summe von 3695 Fr.,
uud selbst der zweitc Preis erhält aus einer Stiftung ver
Herzogin von Cambacery eine Belohnnug von 1000 Fr.
Ob die Placierung so reicher Mittel auf das Haupt der
Sieger im „prix cte Rome" nun cine sichcre, zinstrageude
sein wird, das möchtc ich nicht so unbedingt behaupten.
Es hängt das vielmehr von dem individuellen Können des
einzelnen, von seinem festen Wollen, „qcielcpi' un" zu
sein, als von der nun beginnenden amtlichen Künstlcr-
laufbahn ab. Doch das ist eine Fcage, die bei einer
Besprechung des Betriebes des Kunststudiums in Frankreich
eingehender zu behandeln ist, eine Besprechung, zu der sich
an dieser Stelle später vielleicht Gelegenheit finden wird.
Personal- und Nlrlirrnachrichten
* Der Bildhauer Ockelmann in Dresden ist augen-
dlicklich mit einer iuteressanten Arbeit siir die Nikolaikirche in
Haniburg beschaftigt, die bckanntlich nach dem Brande von 1812
in gotischem Stile neu aufgebaut worden ist. Die Aufgabe be-
stebt darin, in den beiden spitzbogigen Tympancn in Relief die
Eiiifübrnng des Christenlums uud der Resormalivn in Hamburg
w schildcrn. Temgemäst stellt der Kiinfller in dem einen F-elde
die Taufe einer Germanenfamilie durch Bischof Ansgar, im
andern die Austeilung des Abendmabls in beiderlei Gcstalt durch
die beiden nordischen Refvrmalvren Bugenhagen und Kempe dar.
Die Standbilder der drei Manner, denen das Portal gewidmel
ist, stehen schon zu Zeiten und inmitten desselben. Jn deni
oberslen Felde endlich werden die vier Evaiigelistenzeichen in
streng stilistischer Durchsührung ihren Platz sinden.
O. L. Ein Kiinstler von Ruf, Maxime Lalanne, ist
in blo§ent-sur-dlLrne nach längerer Krankheit verstorben. Sobn
eines Gerichtsschreibers des Appcllhofes in Bvrdeaux, trat Ma-
xiiue Lalanne gegen das Jahr 1850 in das Atelier des Kolo-
risten und Romontikers Jean Gigoux. Lalanne ist der Grnnder
der Kupferstech-Gesellschaft und als solcher einer der tüchtigsten
Zeichner unserer Zeit gewesen. Vor allem war er es, der der
„Schwarz und Weitz-Kunsl", die lange Zeit in Frankreich ver-
uachlästigt war, einen neuen Aufschwung gegeben. Er stand an
der Spitze aller derartigen ?lusstellungen. Aber nicht nur mit
Stift und Nadel arbeitete er, er war auch ein Meister der Feder,
und die Kunst verdankt ihm trefsliche dlrbciten über Radiernng
und Pantotypie. Die Jllustration eines Werkes über Holland,
eine Reihe von Stichen nach französischen Bleisteni, verschiedene
vortreffliche Porträts, worunter das seines Meisters Gigoux,
sind die künstlerische Ausbeute seines Lebens. An künstlerischen
und bürgerlichen Ehren hat es ihm nicht gesehlt. Es wnrde ihm
die 2. und 1. Medaille im Salon zuerkannt. 1875 erhielt er
die sür Künstler nicht bedeutungslose Ehreulegion. Lalanue ist
59 Jahre alt geworden.
vm Von der kgl. Akademie der Künste zu Berlin wurden
die Maler Sir John E. Millais nnd Sir Fred. Leighton,
Präsident der Royal-Academii in London, zn Ehrenmitgliedern
ernannt.
sis Jm Ilnschlust an den Nekrolog „Karl von Piloty" im
ersicn Bogen dieses Heftes können wir hier nachtragen, dast
München inzwischen bereits durch die Ernennung des Professors
Fritz August von Kaulbach zum Nachsolger Pilotys in der
Direktion der Münchener Kunstakademie überrascht wurde.

Drnkmäler rtc.
vm Für ein Denkmal König Ludwig I. in der Walhalla
hnt der letzte bayrische Budget-Landtag die Sumnie von 30,000
Mark bewilligt. Jm Bollzuge dieses Bejchlusses wird das Mini-
 
Annotationen