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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pietsch, Ludwig: Berliner Brief
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0036

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2,


Bertiner Brief.
Von Ludwig pietich.

Z^Mker sonst im Monot September und Oktober über die
Erscheinungen des Kunstlebens in Berlin zu berichten
hatte, dem drängte sich als Hanptstoff und im Gegenstand
seiner Mitteilungen unabwcislich die großc akademische
Kunstausstellung auf. Bis 1876 sand dieselbe immer nur
in jedem zweiten Jahre (denen mit „gerader" Zahl) und
zwar in den dafür ihrer sonstigen Bestimmung entzogcncn
Klassenrüumcn der Akademie der Künste selbst statt. Bei
der Reorganisation dieses Jnstitutes (1875) wurde die
fernere Überlassung jener Säle zu solchcm fremden Zweck
als unmöglich erklärst der Fachwerkbau des „provisorischen
Knnstausstcllnngsgebündes" am Cantianplatz errichtet nnd
dic alljührliche Wiedcrkehr des „Bcrlincr Salon" an-
geordnct. Der Brand des Wicner Ringtheaters, welcher
plötzlich dcn Berdacht der Fenergesährlichkcit auf jcdcs uicht
einzig aus Stein nnd Eisen konstruierte Gcbände warf,
crzeugte auch in Bezug auf jcnes Fachwerkhans bei dcn
Kiinstlern cine so schlimme Meinnng, daß sie erklürten,
demselbcn keine Werke mchr zur Ausstellung in seinen
Rünmen anvcrtrauen zu können. Jn Folge dieser Weigerung
unterblieb im Jahre 1882 die Akadcmische Ausstellung
ganz und gar) die 1883 veranstaltete aber wurde weit vor
die Stadt hinaus in die noch unbenutzten Räume des neuen
kvlossalen Gebüudes des Berliner Polytechnikums an dcr
Charlottenburger Chaussee und versuchsweise in die Zcit vom
Mai bis Juli verlegt. Das Erperiment mißglückte gänzlich.
Künstler und Publikum waren gleich unzufrieden damit.
Jm Jahre darauf bat man gleichsam dem „Provisorischen"
das Unrecht und die böse Nachrede ab und kehrte reumütig
dähin zuriick. Wieder sand im September und Oktober in

gewohnter Weisc die große akadcmische Ausstellung in jenem
Hause am Cantianplntz statt. Kein Werk und kcin Bc-
sucher hat von dcssen Fcuergeführlichkeit gelitten. Fast jedes
Bild aber hat hicr durch die grelle sehr unvorteilhaflc
Beleuchtung vom Glasdach her um so mehr von seiner
rcchten Wirknng eingebüßt. Jmmer lebhafter und all-
gemeiner wird von den an den Ausstellungen beteiligten
Künstlern der Mangel eines echten und rechten Ausstellungs-
gebäudes empfunden. Da ist ihnen ein Erlöser aus solcher
Not erstanden in dem großen Glas- und Eisenban, welcher
fiir die Hygiene-Ausstellung von 1883 in der Nähe des
Lchrter Bahnhoses aufgeführt worden war, und seitdem für
die verschiedensten Ausstellungszwecke, ähnlich dem Miinchencr
Glaspalaste, vcrwendet worden ist. Turch die gehörigen
An- und Umbautcn, Jnneneinrichtungcn und Dekorationen
läßt er sich allcnfalls auch der Bestimmung eines Kunst-
ausstellungsgebündes anpasscn. Die dazn nötigen Arbeitcn
aber crfordcrten manche Monate zu ihrer Durchführung. Erst
bis zum Beginne des nüchsten Jahrcs können sie vollcndet sein.
Jn diesem nächsten Jahre aber ist ein Jahrhundert seit der
crsten akademischen Kunstausstellung zu Berlin vergangen.
Der Senat hat mit Zustimmung der Staatsregierung bc-
schlossen, dies Jubilüum durch die Veranstaltung einer Aus-
stellung in jenem Glas- und Eisenbau und in größerem Maß-
stabe als sonst zu feiern. Nicht nur die deutschen Künstler,
sondern auch die des Auslandes sind znr Beteilignng daran
eingeladen. Jn der Aussicht aus diese, bereits im Mai zu
eröffnende und mit mancherlei reizcnden eigenartigen Zu-
gaben verbrämte, große Ausstellung des Jahrcs 1886 hat man
für 1885 auf die gewöhnliche Jahresausstellung verzichtet.
 
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