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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Die Berliner Jubiläums-Ausstellung, [5]
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Trautmann, Franz: König Ludwig I. und die Künstler, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0409

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Das Sittenbild, — Trautmann, Ludwig I, und die Künstler

32;


Gewalt der Leidenschaft, meisterhafter Technik und hinreißender Wärme der Überzeugung, wie Reichtum der
gestaltenbildenden Phantasie, — Ossenbar ist der Knnstler so kurzsichtig geworden, daß er gar keinen Überblick
mehr über sein Bild hat, nicht mehr im stande ist, die Massen auseinander zu halten, das Wichtige dem
Unwichtigen überzuordnen. Hier hatte er überdies die Kaprice, das Ganze nachts bei Fackelschein vor sich gehen
zu lassen, wodurch denn, da er das entsprechende Gegengewicht von kalten Lufttönen zu geben vergaß, sein
Bild eine große Masse von braunroten Figuren bildet, in deren Gewühl man das einzelne nur mit Mühe
heransfindet. Dem den Zug vorausreitenden Zinkenisten solgt die, eben mit einer Vision der Himmelskönigin
nnd des hl. Michael mit Flammenschwert beglückte Jungfrau in verzückter Stellung nach oben blickend zu
Pferde und ihre weiße Fahne
haltend. Jhr solgen Karl VII.
zwischen Agnes Sorel und der
Königin unter einem Baldachin
reitend. Dann kommen die Pala-
dine und Soldaten hinterdrein,
alle umdrängt von einer unzähl-
baren Menge jubelnden Volks
und sich nur darin gleichend, daß
keine einzige Person von ihnen
einem Franzosen ähnlich sieht,
viele aber Polen und anderen
Slaven, so daß man die Szene
ebensogut nach Krakau oder Mos-
kau verlegen könnte als nach
Reims in der Champagne. Sieht
man das Bild länger an, so
meint man allerdings zuletzt selber
champagnertrunken zu sein uud
bedauert nur, daß der Künstler
sein Talent an einen sür ihn so
ganz und gar nicht passenden
Gegenstand verschwendet.
Offenbar wurde er dazu
durch den Wunsch bestimmt, den
Jnbel einer Nation über ihre
Befreiung von der Fremdherr-
schaft zu schildern, denn er läßt
nnter anderem die Soldaten eine eroberte englische Fahne mit Füßen treten; leider aber gleicht das ganze weit
weniger einem Triumph über die Engländer als seiner eigenen Niederlage, obgleich man selbst hier nicht ver-
kennen kann, daß nur ein großes Talent so zn sündigeu vermochte. (Fortsetzung folgt.)

probe aus „Adolpb Nenzels s)llustrationen zu den lVerken Friedrichs
des Großen" (5. 5. ZL.s)

Nönig Hudwig I. und die Künstler.
Von .^ranr Trautmann

H.'s sei einem anderen — und wem mehr, als meinem
lieben Freunde, Fr. Pecht, dem nnangestrittenen Chef
dcs „Reichs-Kunstgesundheits-Amtes" — über-
lasscn, die Wirkungzu kennzeichnen, welche König Ludwigs I.
Schöpfungen weithin znr folge hatten. Von meiner Seite
hierorts nur ein harmloses Geplauder, vielleicht als Vor-
läufer von etwas Größerem in gewählter Richtung, näm-
lich einer möglichst allseitigen Schilderung des Verkehrs
jenes erhabenen Mäcens mit den Ausführern seiner Jdeen.
Wie denn gleich dies Jmpromptu beginnen? Noch
Knabe, hatte ich Ludwig rasch in freier Gegend — der,
welche jetzt die schöne, nach ihm benannte Straße einnimmt
— dahinschreiten und wieder einhalten gesehen. Den Blick

sandte er eisrig und wie prüfend da und dorthin, denn
es handelte sich nm Entwürfe hochbedeutsamer Art. Tabei
bemerkte ich von ferne, daß er mit ein' oder dem andern,
welcher ihn gelegentlich begleitete, lebhast debattiere.
Aber: „Guten M—Morgen, lieber Schntzgeist in
Jtalien!" Dies waren die ersten Worte, welche ich um
etwas später ganz deutlich, weil in nächster Nähe besind-
lich, aus des Monarchen Munde vernahm.
Es war bei dem, meinem Vater befreundeten StaaW-
rat Kirschbanm, welcher mir gerne Besuche genehmigte,
damit ich mich, wie daheim, auch bei ihm an schönen,
namentlich niedertändischen Kabinettsbildern laben könne,
 
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