Die Lanon-Ausstcllung. von Lm. Ranzoni.
Schwäbischrr Bauer. Studie von 6ans Lanon.
Die Lanon-Ausstellung
von
Em. Ransoni.
^>ie am 19. ds. im hiesigen Künstlerhause eröffnete, zu
Ehren des Gedächtnisses Hans Canons in Szene ge-
sehte Ausstellung. cnthält nicht mehr als 208 Werke
des Meisters, niacht daher auf Vollständigkeit durchaus
keincn Anspruch, erfüllt aber ihren Zweck vollkommen, da
sie uns den Entwicklungsgang des Künstlers durch seine
hervorragendsten Schvpfungen illustriert, welche, wenn auch
nicht immer in den ausgeführten Gemälden, doch in Zeich-
nungen und Farbenskizzen vorhanden sind. Man lernt ihn
hier kennen als Porträt-, Genre-, Historien- und Monu-
mentalmaler und überzeugt sich, dasz er ein ebenso großer
Meister mit dem Stift und der Feder wie mit dem
Pinsel war.
Freilich, um das Wesen dieses eigenartigen Künstlers
ganz zu verstehen, muß man auch seinen Lebensgang über-
schauen können, denn nur wenn man in dieser Lage ist,
wird man auch begreifen, warum er erst nach so vieler
und ernster Arbeit, nach so vielen schweren Kämpfen zur
Abklärung und vollen Reife gelangte!
Canon war im Jahre 1829 zu Wien als der Sohn
des allgemeingeehrten fürstlich Stahremberg'schenWirtschafts-
rates Strasiripka geboren. Das war eine hochanständige
Familie und der Vater hatte jene Lebensanschauung, welche
bei Männern dieses Standes, wenn sie nicht sogenannte
Josefiner waren, d. h. an dem Übel der Aufklärung Leidende,
stch ganz von selbst verstand. Das höchste Ziel, was für
einen Sohn angestrebt wurde, war, daß er Beamter, am
besten Staatsbeamter und nur, wenn er nicht „leicht
studierte", daß er Offizier wurde. Jn derartigen Familien
dachte man im allgemeinen kaiserlicher als der Kaiser und
püpstlicher als der Papst!
Die Kunst wurde nicht besonders, die Künstler aber
wurden gering geschätzt und das alte Wort „liderales
artes" mit „brodlose Künste" übersetzt. Das war über-
haupt die Durchschnittsmeinung im damaligen Wien und,
wer anders dachte, wurde als ein exzentrischer Mensch an-
gesehen, wenn er nicht den höchsten Ständen angehörte,
denen eben alles erlaubt war. Canon besuchte als Knabe
erst die Volksschule bei St. Anna, dann das Gymnasium
der Piaristen in Krems und schließlich, bevor er sich ganz
der Kunst zuwendete, die Wiener technische Hochschule.
Was man damals an Gesinnung in der Schule, nanient-
lich aber an den Gymnasien der Piaristen und überhanpt
im allgemeinen an geistlichen derartigen Lehranstalten an
Lebensanschauung gewinnen konnte und mußte, war das
gerade Gegenteil von den, um einen Metternich'schen Aus-
druck zu gcbrauchen, „korrekten Gesinnungen", welche wie
oben gesagt, in den Kreisen der Staats- und Patrinwnial-
beamten zu herrschen pflegten. Für uns alle, die wir
danials studierten, war das höchste Ziel, das anzustreben,
kirchliche, politische und soziale Freiheit, die Helden, zu
denen wir mit der allergrößten Bewunderung empor-
blickten, die Heroen der französischen Revolution, ein
Mirabeau, Tanton, Robespierre, und dann bewunderten wir
Luther, Cromwell u. s. w., über alles aber ging uns das
dcutsche Vaterland.
Söhne, welche Familien von der bezeichneten
korrekten Gesinnung angehörten und die scharfe Freiheits-
luft in solchen öffentlicheu Schulen geatmet hatten, kamen
also mit dem Hausgeist, der in ihrer gesamteu Verwandt-
schaft herrschte, in böse Konflikte. Eine eigene, von der durch
Familientradition geheiligte, abweichende Meinung durste
der Juuge nicht haben und wehe, wenn er sie äußcrte.
So fanden sich viele Jünglinge gerade in Bezug auf ihre
idealsten Anschauungen mit demjenigen, was man in ihrem
elterlichen Hause für gut, wahr, anftrebenswert hielt, in
vollem Widerspruche, sie verstummten erst völlig, wenn sie
daheim waren und mieden nach und nach dieses Heim und
trieben sich in der Welt hernm, welche ihnen zusagte.
Diese Thatsache im Zusammenhange mit einer ebenso kräf-
tigen Konstitution als einer lebhaften, allbegehrenden Phan-
tasie nnd einem stets zuni Kampf aufgelegten titanenhaften
Willenstrotz erklärt die Sturm- und Drangjahre Canons,
wclche eigentlich vom Ende der vierziger Jahre bis Mitte
der sechziger Jahre währten. Man rechne dazu, daß er
unter Anderm stets viel mehr Pulsschläge in einer Minute
hatte, als ein Normalmensch haben soll, so daß die Ärzte
erklärten, sein Blut jage immer so rasch durch die Adern,
wie dies bei einem andern nur der Fall wäre, wenn er
im Fieber liege. Zu Ende des Jahres 1847 und zu
Anfang des Jahres 1848 hospitierte er zugleich mit Fried-
länder bei dem berühmten Sittenmaler Ferdinand Waldmüller
als ein sehr fahriger und nur stoßweise fleißiger Schüler;
die Art, wie da gemalt wurde, gesiel ihm aber nicht und er
wandte sich später der Rahlschule zu, welche, wie er in
einer von seiner Hand verfaßten kurz umrissenen Biographic
Schwäbischrr Bauer. Studie von 6ans Lanon.
Die Lanon-Ausstellung
von
Em. Ransoni.
^>ie am 19. ds. im hiesigen Künstlerhause eröffnete, zu
Ehren des Gedächtnisses Hans Canons in Szene ge-
sehte Ausstellung. cnthält nicht mehr als 208 Werke
des Meisters, niacht daher auf Vollständigkeit durchaus
keincn Anspruch, erfüllt aber ihren Zweck vollkommen, da
sie uns den Entwicklungsgang des Künstlers durch seine
hervorragendsten Schvpfungen illustriert, welche, wenn auch
nicht immer in den ausgeführten Gemälden, doch in Zeich-
nungen und Farbenskizzen vorhanden sind. Man lernt ihn
hier kennen als Porträt-, Genre-, Historien- und Monu-
mentalmaler und überzeugt sich, dasz er ein ebenso großer
Meister mit dem Stift und der Feder wie mit dem
Pinsel war.
Freilich, um das Wesen dieses eigenartigen Künstlers
ganz zu verstehen, muß man auch seinen Lebensgang über-
schauen können, denn nur wenn man in dieser Lage ist,
wird man auch begreifen, warum er erst nach so vieler
und ernster Arbeit, nach so vielen schweren Kämpfen zur
Abklärung und vollen Reife gelangte!
Canon war im Jahre 1829 zu Wien als der Sohn
des allgemeingeehrten fürstlich Stahremberg'schenWirtschafts-
rates Strasiripka geboren. Das war eine hochanständige
Familie und der Vater hatte jene Lebensanschauung, welche
bei Männern dieses Standes, wenn sie nicht sogenannte
Josefiner waren, d. h. an dem Übel der Aufklärung Leidende,
stch ganz von selbst verstand. Das höchste Ziel, was für
einen Sohn angestrebt wurde, war, daß er Beamter, am
besten Staatsbeamter und nur, wenn er nicht „leicht
studierte", daß er Offizier wurde. Jn derartigen Familien
dachte man im allgemeinen kaiserlicher als der Kaiser und
püpstlicher als der Papst!
Die Kunst wurde nicht besonders, die Künstler aber
wurden gering geschätzt und das alte Wort „liderales
artes" mit „brodlose Künste" übersetzt. Das war über-
haupt die Durchschnittsmeinung im damaligen Wien und,
wer anders dachte, wurde als ein exzentrischer Mensch an-
gesehen, wenn er nicht den höchsten Ständen angehörte,
denen eben alles erlaubt war. Canon besuchte als Knabe
erst die Volksschule bei St. Anna, dann das Gymnasium
der Piaristen in Krems und schließlich, bevor er sich ganz
der Kunst zuwendete, die Wiener technische Hochschule.
Was man damals an Gesinnung in der Schule, nanient-
lich aber an den Gymnasien der Piaristen und überhanpt
im allgemeinen an geistlichen derartigen Lehranstalten an
Lebensanschauung gewinnen konnte und mußte, war das
gerade Gegenteil von den, um einen Metternich'schen Aus-
druck zu gcbrauchen, „korrekten Gesinnungen", welche wie
oben gesagt, in den Kreisen der Staats- und Patrinwnial-
beamten zu herrschen pflegten. Für uns alle, die wir
danials studierten, war das höchste Ziel, das anzustreben,
kirchliche, politische und soziale Freiheit, die Helden, zu
denen wir mit der allergrößten Bewunderung empor-
blickten, die Heroen der französischen Revolution, ein
Mirabeau, Tanton, Robespierre, und dann bewunderten wir
Luther, Cromwell u. s. w., über alles aber ging uns das
dcutsche Vaterland.
Söhne, welche Familien von der bezeichneten
korrekten Gesinnung angehörten und die scharfe Freiheits-
luft in solchen öffentlicheu Schulen geatmet hatten, kamen
also mit dem Hausgeist, der in ihrer gesamteu Verwandt-
schaft herrschte, in böse Konflikte. Eine eigene, von der durch
Familientradition geheiligte, abweichende Meinung durste
der Juuge nicht haben und wehe, wenn er sie äußcrte.
So fanden sich viele Jünglinge gerade in Bezug auf ihre
idealsten Anschauungen mit demjenigen, was man in ihrem
elterlichen Hause für gut, wahr, anftrebenswert hielt, in
vollem Widerspruche, sie verstummten erst völlig, wenn sie
daheim waren und mieden nach und nach dieses Heim und
trieben sich in der Welt hernm, welche ihnen zusagte.
Diese Thatsache im Zusammenhange mit einer ebenso kräf-
tigen Konstitution als einer lebhaften, allbegehrenden Phan-
tasie nnd einem stets zuni Kampf aufgelegten titanenhaften
Willenstrotz erklärt die Sturm- und Drangjahre Canons,
wclche eigentlich vom Ende der vierziger Jahre bis Mitte
der sechziger Jahre währten. Man rechne dazu, daß er
unter Anderm stets viel mehr Pulsschläge in einer Minute
hatte, als ein Normalmensch haben soll, so daß die Ärzte
erklärten, sein Blut jage immer so rasch durch die Adern,
wie dies bei einem andern nur der Fall wäre, wenn er
im Fieber liege. Zu Ende des Jahres 1847 und zu
Anfang des Jahres 1848 hospitierte er zugleich mit Fried-
länder bei dem berühmten Sittenmaler Ferdinand Waldmüller
als ein sehr fahriger und nur stoßweise fleißiger Schüler;
die Art, wie da gemalt wurde, gesiel ihm aber nicht und er
wandte sich später der Rahlschule zu, welche, wie er in
einer von seiner Hand verfaßten kurz umrissenen Biographic