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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Lang, Heinrich: Ein Tag aus meiner Sommerfrische
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0149

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Am Pilrkpl-rj;. Von keinrich Lang.

Lin Tag aus memer Sommerrrische.
von Deinkläi Lailg.

s bläst. Tas ist während der Manövertage nichts
Außergewöhnliches, anch nicht nwrgens um 4 Uhr, wie
jetzt: einfach das Zeichen zum Beginu eines neuen Tage-
werkes. Ein Blick durchs Fenster vom Bette aus belehrt
mich, daß dieses Tagewerk heute naß, schlüpfrig, strapazant
sein wird. Grauer als grau — Theorie im Superlativ
— dazu ein „Kronprinztag" und für mich speziell der
Probetag für ein neues Pferd! Letzteres ist mir zwar nicht
fremd; ich kenne es, lvie alle Pferde der Batterie, welch
letztere mir seit Jahren aus dem Lechfeld und bei Manövern
edle Gastfreundschaft gewährt, ich kenne es sogar spezieller,
als andere Pferde — hat es doch voriges Jahr Lieute-
nant H., während er der Batterie zugeteilt war, geritten
und bei dieser Gelegenheit habe ich keine eigentlich schlimme
Eigenschaft an ihm entdeckt, als die einer gründlichen
Häßlichkeit. Lieutenant H. hatte zwar tüglich geklagt, daß
die „Viarda" (diesen schönen Namen führt mein heutiges
Streitroß) unbeschreiblich harte Bewegungen habe und un-
erträglich stoße, sein — d. h. H.'s — Zustand in den
letzten Manövertagen war auch in der That beklagenswert,
und die kleinen Samariterdienste, die ich ihm mit Ver-
bandzeug rc. leisten konnte, hatten leider bloß die Wirkung
eines Palliativs. Also dieses Tier war mir heute be-
schieden. Jm Feuer steht sie ruhig, die „Viarda", das
habe ich beobachten können; ob sie aber nicht „klebt" oder
drängt, wenn ich einmal von der Truppe entfernt etwas
skizzieren will? Jch bin seit deu letzten zwei Jahren an
ein wunderbares „Zeichnungs-Pferd" gewöhnt, den edlen
„Tambour", ein wahres ciievgl cle conscience für den
künstlerischen Schlachtenbummler — wie wird es heute
mit der Kunst gehen? Das waren so die Gedanken, unter
denen ich meinen „Pfühl" verlies, um mein Tagwerk zu-
nächst im „Waschkabinett" zu beginnen. Dieses war der
rechte Flügel einer sehr langen Bank, welche in ihrem
weiteren Verlaufe nach links als Wäschekommode, Kleider-
schrank, Bücherstelle und am linksesten als Trockenboden
für etwa durchnäßte Kleidungsstücke und Skizzenbücher zu
dienen hatte. Ein kleiner Tisch nnd ein „sehr" überzogener
Stuhl bildete das weitere Ameublement in meiner Woh-
nung in L. während der 11 Manövertage.

Eine genauere Prüfung des Himmels und Bodens
durch das Fenster gab nicht viel Hossnung — doch regnete
es wenigstens im Moment nicht — aber ich werde doch
trotz „Kronprinztag" die zweite Reitgarnitur nehmen, ich
spiele ja ohnehm auf der „Viarda" keine besondere Figur.
Gottlob, daß ich bei diesem Zustand der Straße nicht
in das 2 Kilometer entfernte Wirtshaus zum Frühstück
gehen muß! Die Bäuerin, meine frcundliche Wirtin, hat
die Aufmerksamkeit gehabt, mir Frühstück im Hause anzu-
bieten: da kommt es schon, zubereitet und serviert von der
strammen Lene, der Köchin des Hofes, deren erste Bezieh-
ungen zur bewaffneten Macht übrigens wohl in die Zeiten
des Steinschloßes zurückdatieren dürften. Sie setzte den
Hafen voll Kaffee und einen „Watzmann" von Zucker auf
das Tischchen, dazu eine Anzahl Semmeln aus H., welche
in frischem Zustand ein sehr vorzügliches Gebäck sein
sollen. Lenes Kaffee ist übrigens famos und der Kampf
mit den Semmeln wird durch ihn wesentlich erleichtert,
bald jedoch gewaltsam unterbrochen, denn es bläst nochmals
und abermals. Also rasch noch einige Fetsbrocken von dem
Zuckergebirge für das Pferd eingesteckt und dann mit der
Morgenzigarre und einem Schluck Kognak ausgerückt!
Huh, welcher Morast draußen! Das wird gut
werden durch den —er Graben, um desseu Passieren es
sich heute — wie man hört — hauptsächlich handeln soll.
Wie wird sich die „Viarda" solchen Gefahren gegenüber
benehmen?
Eben bringt sie mein edler „Bolandi" und stellt sie
breit lächelnd vor: „Herr Maler, heute kriegen Sie den
Rappen hier; der Herr Wachtmeister läßt sich empfehlen,
er hat den „Tambour" für Sr. Exzellenz v. M. ab-
stellen müssen." Nun, so übel ist das Tier ja gar nicht.
Sie blickt mich verständnisinnig an, wie ich in die Juppen-
tasche nach einem „Felsbrocken" greife und unterstützt mit
großer Jntelligenz und mit ihrem grün geifernden Maule
diese Absicht energisch — sie ist also bereits an Feines
gewöhnt. Jch untersuche Sattelgurt, Kehlriemen und Kinn-
kette, messe die Bügelriemen und nun in Gottes Namen
aufgesessen!
Hier bemerke ich schon eine zweite gute Eigenschaft
 
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