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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Lang, Heinrich: Ein Tag aus meiner Sommerfrische
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0150

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Lin Tag aus meiner Sommerfrischen vcm lfeinrick Lang.

„Viardas": sie ist bedeutend kleiner als „Tambour", ich
habe also nicht so hoch hinauf, eventuell auch nicht so weit
hinunter. Dabei hat sie eine bequeme Breite, da thut
auch eine hohe Gangart nicht so viel. Probieren wirs
einmal und traben >vir bis zum Parkplatz! Ja, was ist
denn das — das Untier stößt ja gar nicht so arg! Oder
ist es blos die xmree-artige Beschaffenheit der Straße,
welche die Härte ihrer Gänge mildert? Jch habe jetzt
schon gar keine Besorgnis mehr bezüglich meiuer Bein-
kleider und der in denselben steckenden Körperteile.
„Wohl mir, ich atme freier!"
Am Parkplatz gehts schou lebhaft zu — die Fahrer
spannen ein, die Geschntzführer betrachten alles und jedes
mit größter Ausmerksamkeit; das und jenes wird gerügt
und verbessert, hier gelockert, dort angezogen — da kommt
auch der in F. detaschierte Zug, seinem Aussehen nach
staubt es dort drüben auch nicht, die Leute und Pferde
machen schon einen ganz kriegsmäßigen Eindruck; das würe
jetzt eine ganz gute Gelegenheit, auszuknnden, wie sich das
„Vize-Zeichnungspferd" macht. Also heraus mit dem
Skizzenbuch, die Zügel vorsichtshalber unter dem Schenkel
durchgezogen und der erste Versuch beginnt. „Viarda"
scheinl Sinn für die bildende Kuust zu haben, wenigstens
innerhalb der Batterie; höchstens, daß sie eine mit be-
sonderem künstlerischen Schwung hingeworfene Linie für
eine mit den bewußten „Felsbrocken" in Beziehung stehende
Bewegung hält und dann versucht, einen Schwanenhals zu
machen, um zurückzulangen. Ach, dieses Vertrauen! Man
soll es nicht täuschen — da, mein Tier, hast Du L.'er
Süßigkeit.
„An die Pferde!" Zuckertraum und Künstlerschaffen
wird durch diesen Ruf gewalffam unterbrochen.
Alles steht stramm und scharf gerichtet, das kurze
Klappern der Säbel und Sporen beim Antreten weicht
einer tadellosen Stille. „Auf-gesessen!" Da naht auch
schon der Herr Batteriechef in elegantem kurzen Galopp,
die übliche Begrüßung, die Meldung der Zugskomman-
danten und Geschützführer u. s. w. erfolgt, der Herr
Batteriechef empfiehlt in wenigen kernigen Worten für das
heutige Manöver Ausmerksanikeit, Raschheit und Ruhe, an
jedem Geschütz wird eine Schlagröhre probiert und nach
diesem kleinen Pelotonfeuer ist die Batterie „schlachten-
bereit". „Batterie, zu Einem rechts brecht ab, Marsch"
und wir ziehen durch die lange, lange L.'er Straße, an
dem „2 Kilometer"-Wirtshaus vorbei in das nasse „Feld
der Ehre".
Ansangs geht es zur Seite eines mit leichtem Erlen-
gebüsch bewachsenen Grabens aus ziemlich gutem Wies-
boden; unterwegs schaut man sich die Karte ein bischen
an: der Rendezvousplatz ist ziemlich weit, das Manöver
wird zeitlich und örtlich eine gehörige Ausdehnung be-
kommen. Gottlob, daß ich von den H'er Semmeln und
von dem gestrigen delikaten Entenbraten „eiuiges gerettet"
und in der Packtasche am Sattel habe!
Doch siehe da: der Herr Batteriechef reitet auf den
Erlengraben los— „Tete halb rechts schwenkt!" Ha, jetzt
giebt es was zu sehen: wir müssen über den Graben.
Rasch voran, daß ich nichts versäume! Schon bin ich am
ersten Geschütz vorüber, der Graben ist vor mir — „Viarda"
bringt sich und mich glücklich hinüber und nun kann ich
mich den Eindrücken ungestört hingeben, welche nicht blos
den Maler, sondern jedermann entzücken müssen.

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Es giebt nichts Flotteres, als das Nehmen selbst
eines kleinen Hindernisses durch eine reiteude Batterie, be-
sonders eines Grabens, und der durchweichte Boden sorgt
schon bei den sechs Geschüyen und den Wagen der „Staffel"
sür Abwechselung der Situationen; ich hole mir diesmal
als ächter moderner Künstler meine Modelle „aus dem
Schlamme", und von den Feldern, auf die wir jetzt kommen,
bleibt ein sehr bedeutender Teil an Rädern und Huseu
hängeu. Es geht leicht bergan und von den eifrig arbei-
tenden Pferden zieht schon ein leichter Damps in die
frische Morgenluft; die Geschütze polteru über die massigeu
Schollen der Bruchselder. Wir haben den Kamm einer
Mulde erreicht uud nun einen weiteren Ausblick über das
Terrain, in welchem man lange Züge uud kompakte dunkle
Massen sich bewegen sieht, die Regimenter der Kavallerie-
Division, welche sich dem Rendezvousplatz nähern. Ein
Stoppelfeld, das wir nun betreten, ermöglicht raschere
Bewegung, die Batterie setzt sich in Trab, zahlreiche
Schwalben umschwirren sie und schwingen sich hoch in
graziösen Kreisen um die Kolonne — am Eude wird das
Wetter doch noch besser!


Bald sind wir am Rendezvousplatz angelangt, die
Batterie marschiert auf und rangiert sich neben dcn
Kavallerieregimentern des ersten Treffens. Wir halten, eS
wird abgesessen, alles nachgesehen, besonders auch die Hufe
der Pferde, ob kein Eisen beim Passieren der schweren
Felder verloren gegangen. Jetzt kommt ein Moment, wo
ich wirklich ruhig arbeiten kann, d. h. wenn die schwarze
„Viarda" es gestattet; ich will nämlich die Pause bis zum
Beginn des „Kampfes" zu dem Versuche benützen, ob und
wie sie die unfreiwillige Jsolierung verträgt und reite also
im Schritt aus der Batterie auf das nüchste Chevaurlegers-
Regimeut zu, welches mit den abgesessenen Mannschasten
gerade ein gutes Motiv abgiebt und beginne etwa 50
Schritt vom Regiment zu arbeiten. „Viarda" hält aus-
gezeichnet und ich bringe wirklich einiges zu Papier, wobei
ich mit Vergnügen leichte Schlagschatten beobachte — der
Himmel heitert sich also auf.
Plötzlich werde ich aus dem Regiment begrüßend ange-
rufen und ich bemerke unseren liebenswürdigen Prinzen A.,
der in seiner leuffeligen Weise gegen mich herkommt. So
hocherfreut ich über diese Auszeichnung bin, versuche ich
doch nur mit einer gewissen Ängstlichkeit der militärischen
Etiquette zu folgen, welche vorschreibt, Sr. kgl. Hoheit im
kurzen Galopp entgegenzureiten und elegant parierend zu
grüßen. Das hatte ich vergessen, mit „Viarda" vorher
zu „vereinbaren". Nun bin ich in höchster Gefahr, mich
Angesichts einer ganzen Brigade zu blamieren! Aber da
hilft kein Nachgrübeln: ich nehme meine ganze Reitkunst
 
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