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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Über die staatliche Kunstpflege in Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0145

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l. Iabrgang. tzeft 5.

Ianuar zzzö


Untrr besondrrer Wilwirknng von Fr. Pecht, hrrMsgegrbrn oon drr verlagsanstalt iiir Lunst und lvistenichait
_ vormals Frirdrich Bruckmann in München.
^ erscheint in halbmonatlichen Hesten von ca. 1^2 Bogen reich illustriertem Text und ca. 4 Bilderbeilagen in Umschlag. Abonnementspreis im
-öuchhandel oder durch die Post (Reichspostverzeichnis 14. Nachtr. 2916c, bayer. Verzeichnis 386a.) 3 M. 60 Ps. für das Vierteljabr (6 Heste); das e^nzelne
Hest 75 Ps. — Inserate die viergespaltene Nonpareillezeile 30 Vf. 6000 Beilagen 45 Mark, bei größerem Format oder Umfang Preisaufschlag.

Über die ttaatliche Runttpttege in Bavern.
Bon F. pecht.
^°>ie den Kammern eben vorliegende Regierungsforderung von 20,000 Mk. für Ankäufe zur Ergänzung
^ der beiden Pinakotheken regt Betrachtungen iiber unsere staatliche Kunstpflege um so mehr an, als die
Wichtigkeit der richtigen Behandlung der letzteren ja wohl jedermann in die Augen springt. Denn gewiß
ist es fnr den Staat wohl nicht gleichgiltig, ob die Kunst ihren Beruf erfülle, die fittlichen Begriffe
der Nation zu reinigen, ob sie die Bürgertugenden der Vaterlandsliebe, Aufopferungsfähigkeit, der Begeisterung
für die idealen Güter des Daseins, für alles Edle und Hohe zu stärken verstehe oder sich erniedrige. Nicht
minder, ob sie die häuslichen Tugenden des Volkes befördere oder zerstöre, ob sie uns thatkräftiger und männ-
licher zu machen suche oder uns verweichliche, ob sie endlich die produktive Kraft der Nation durch Verfeinerung
des Geschmacks und Schönheitsfinnes mächtig erhöhe oder sie verderbe. — Da die sittliche Gesundheit der
Bürger für den Staat doch noch ungleich wichtiger ist als selbst die physische und da dieselbe im genauesten
Zusammenhange mit ihrer Kunst steht, so muß er also Eiufluß auf dieselbe nehmen, sie in jeder Weise bei der
Erreichung jener Ziele zu fördern suchen.
Leider kann nicht geleugnet werden, daß der Staat gerade diese seine Pflicht, die er unter König
Ludwig I. glänzend ersüllte, seit bald einem Vierteljahrhundert immer auffallender vernachlässigt. Vielleicht
noch unbestreitbarer ist aber, daß er — selbst in dem Wenigen was er thut, ein konsequentes System und be-
wußte Absicht zu sehr vermissen läßt. Denn die Kunstpflege ist bei uns wie in den meisten deutschen Staaten
nur ein lästiges Nebengeschäft, während sie das Leben eines Manues gar sehr auszufüllen hätte und wahrlich
nicht nebenher besorgt werden kann, sondern außer dem jetzt unzweifelhast vorhandenen guten Willen auch viel
Zeit und eine lange Erfahrung verlangt.
Betrachtet man nun aber, wie die deutsche Kunst seit dem Ansang unseres Jahrhunderts jenen idealen
Forderungen im Großen und Ganzen nachgekommen ist, so kann man nicht nmhin, ihr die höchste Anerkennung
zu zollen, da sie in der That ganz ungewöhnliche Verdienste für sich geltend zu machen vermag. Ja sie sind
kaum geringere als die, welche sich die deutsche klassische Dichtung um die Nation erworben. Während unsere
Kunst noch im vorigen Jahrhundert vollkommen charakter- und vaterlandslos, lediglich die Schmeichlerin des
ärgsten kirchlichen und weltlichen Tespotismus war, bedieutenhaft, feil, hohl nnd würdelos, ohne alle Über-
zeugung, hat sie unter Cornelius, Overbeck und Führich die vom Zopf ganz veräußerlichten religiösen Jdeale
erst wieder tiefer und innerlicher gefaßt und ihnen damit eine erneute Macht über die Gemüter verschafft.
Sie, die so weibisch war, ist ernst und männlich geworden und hat, so lange Cornelius auf sie wirkte, ihrer
Würde nie vergessen. Sie hat dann aber bald darauf, und das ist ihr unvergänglichster Ruhmestitel — das
deutsche Volk erst wieder zum Bewußtsein seines Wertes und seiner Krast gebracht durch ihre Schilderungen
seines Lebens, wie sie die Schwind, Ludwig Richter, Lessing, Rethel, Menzel, Meyerheim, Knans, Defregger,
von Werner, Janssen und unzählige andere gaben und dadurch die Nation mächttg in ihrer Selbstachtung ge-
hoben, die Heimat erst wieder lieben gelehrt haben. Ja sie hat gerade das eigentliche Volk, die Bürger,
Bauern und Arbeiter erst wieder zu Ehren gebracht, nicht nur in ihren eigenen, sondern in der ganzen Welt
Augen. Deshalb kann man wohl sagen, daß ohne die stille aber unablässige Arbeit der deutschen Kunst jene
flammende Begeisterung niemals möglich gewesen wäre, welche das Jahr 1870 zum erhabensten unserer Ge-
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