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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Trautmann, Franz: König Ludwig I. und die Künstler, [2]
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3ZS
König Qldwig l. und die Künstler.
von Franz Trautmann
(Schluß)

-^ines Tages verfügte man sich seitens der Knnstler aus
besonderem Anlaß nach Villa Malta, um deputations-
weise Glückwünsche und obligate Huldigung für zu
„München" Geleistetes zn Füßen zu legen. Bildhauer
Wagner, der treffliche, nebenbei gesagt, ein wenig derb
angelegt und betreffs mündlicher Verausgabung unver-
kenntlich nicht der Schule des Demosthenes angehörig, war
infolge seiner Seniorennatur als Zugführer gewählt wor-
den. Weller hingegen, welcher sich sehr verbindlich aus-
zusprechen verstand, brachte die Huldigung an deu Mann,
wobei er gewissermaßen aus die Unvergleichlichkeit des zu
München „srüher" entstandenen nüt den Schöpfungen Lud-
wigs und der von ihm benutzten Meister hinzudeuten für
gut saud.
Der gute Weller hatte sich verrechnet. Denn Ludwig
verwahrte sich nach Schluß der Rede auf freundlich akute
Weise „gegen etwaiges Ab—Absorptionswollen alles
Ruhmes von seiner Seite", nahm die hochsürstlichen Vor-
fahren nebst deren Agnaten je nach Zeit und Möglich-
keiten in Betracht und setzte hinwieder die damals, nament-
lich mit „Bauten" betrauten Meister entsprechend ins Licht.
So betonte er für gnnz früh den welschen Jngenieur
Ruperto als Erbauer und Vergrößerer der 1327 ab-
gebrannten „Ludwigsburg", für das 15. Jahrhundert
Jörg Gangkhofer von Haselbach, den von Herzog
Siegmund mit dem Bau der „Liebfrauenkirche" betrau-
ten Meister, für das 16. Jahrhundert bezüglich der „Mi-
chaelskirche" Wilhelm V. und den Architekten Gundel-
singer nebst drei Jesuiten, für Anfang des 17. Jahr-
chunderts Kurfürst Max I., Heinrich Schön nnd Peter
Candid betreffs des „Residenzbaues" und für die zweite
Hälste Barella in puncito der „Theatinerkirche",
Viscardi in verschiedenen Beziehungen, für das
18. Jahrhundert wies er auf Esfner, Cuvillier uud
bis in unser Säkulum herein aufThurne, Verschaffelt
und Fischer hin, welcher nach des Vorgenanuten Plänen
das Hof- nnd Nationaltheater erbaute.
Kurz, er acceptierte das ihm übergroß scheinende Lob
nur bedinguugsweise, sühlte sich aber gleichivohl zum Dank
verpflichtet, und — wohl wissend, was komme — forderte
er Meister Wagner auf, denselben an die Komparenten
zu übertrageu. Worauf sich Wagner an die Herren
wandte und mit Donnerkeilworten verlauten ließ: „Seine
Majestät lasse vermelden: Sie bedankten sich für solches
Lobgethu auf das gnädigst gesinnte, übrigens wüßten
Allerhöchstdieselben schon selbst. was er in die Münchener
Welt gesetzt habe und noch setzen werde, ohne daß dabei
denen Antezessoribus eine Perle von Krone oder Fürsten-
barett gerissen zu werden brauche — und daß er selbst
den Anführer bei jetzt statthabender Audienz gemacht habe,
sei noch das Allerärgste!" Über die Ungeniertheit dieser
Koramisierung Wellers und der Konsorten war man aller-
seits ganz perplex, Ludwig ausgenommen, höchstwelcher
den Meister Wagner mit einem kleinen Schlag anf die
Schulter beehrte und in voller Freudigkeit sagte: „Ah!
W—Wagner, sehr zufrieden — nicht nur guter Plastiker
in M—Marmor, auch in B—Böotischer Grobheit —
sehr anzuerkennen, sehr", worauf sich die Deputationsmit-

glieder nicht mehr halten konnten und in ein homerisches
Lachen ausbracheu.
Nicht viel später gab es eiu Fest, bei wclchem aus
Künstlerkostcn eine „Girandola" in die Lnft fuhr. Rics
Ludwig niutwillig: „Ah, h—hundcrt Raketen auf ein-
mal — kostet viel und habe kein Entree bezahlt! Werde
bezahlen, wann wieder Geld haben — jetzt nichts —
geht mir, wie Kaiser Lndwig dem Bayern in 3kom —
hatte einmal anch nichts — kein Gcld haben, nicht gnt —
armer Mann — gar nicht gut, und will noch sv vicl
bauen und m—malen lassen!"
Ob die Künstler diesen lustigen, ganz ernst aus-
sehenden Wortcn Jubel solgcn ließen! Ein anderes mal zu
Riedel, als dieser ein gar schönes, am Meeresufer befiud-
liches Mädchen gemalt hatte: „Riedel, genial, sehr
genial — Mädchen nicht ganz dekoltiert und doch hin-
reißend — großer Schelm — wenn heilige Vater sähe,
Niedels Palette auf den „Jndex" gesetzt — habe ge-
warnt — Jndex!"
So und mehrfach wieder in Nom. Zur Seite des
tiefen Ernstes in steter Bctrachtnahme seiner staatlichen
Pstichten für die Heimat, andererseits eingehender Kiiust-
studien, stoben nebenbei Scherzworte.
Nicht anders zu München, wo er wechselnd mit
Ernst oder in momentan heiterem Anlauf irgend etwaS
hinwarf, wie ich es auderen Ortes zum besten geben werdc
— wohl erwartend, daß man mir nicht vorwerfe, dadurch
den großen Eindruck des merkwürdigen Fürsten ab-
schwächen zu wollen, welcher mit Philosophen und Ge-
lehrten überhaupt, Schelling, Görres, Lasaulx,
Schubert, Bayer u. a. freilich wichtige Gespräche pflog
und dabei die Tiefe seines eigenen Denkens kund gab —
ebenso wie er sich um Beginn der Regierungszeit gerne
mit den Gebrüdern Sülpiz und Melchior Boisseree
nebst deren Freund Bertram, von welchem er um
120,000 Thl. die berühmte Scimmlung altdeutschcr Mal-
werke angekauft hatte, in Beziehung auf Kunst alter Zeiten
aussprach und dabei große Fähigkeit bewiesen haben soll,
die Originalität, so zu sagen, die „Handschrift" des oder
jenes Meisters zu erkennen, ob auch irgend ein Mono-
grainm fehlte.
Jch sagte zu München.
Was denn etwa? Ja, Rottmnan, der edle Meister,
machte sich seiner Zeit bei einem großen Landschaftswerke
viele Gedanken, ob er einen gewissen „dunklen Busch"
links oder rechts auf der hellen Bodenfläche anbringen
sollte und sagte zu Morgenstern und ein paar anderen,
daß ihn der Gedanke Tag und Nacht verfolge. Was
Ludwig zufällig erfuhr. Als er unviel später zu Rottmann
ins Atelier kam, waren seine ersten Worte: „Ah —
rechter Ort für B—Busch noch nicht gefunden? Schon
gehört!" „Wie, Majestät davon gehört? Jst schon ent-
schieden, geruhen zu sehen, hier ist er." Ludwig: „Sehr
schön, ganz am Platz — mir sehr lieb — konnte auch
nicht mehr schlafen, weil ich selbst mit nachgedacht!"
„Majestät geruhen allergnädigst zu scherzen!" „Nicht
gnädig, gar nicht! Dunkler Busch sch—schwarzer Punkt
in meinem Leben — Sie mir die Nachtruhe geraubt" —
 
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