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Ireruenchiemsee. von Aarl Raupx».
Sommerfrischen Münchener Unnstler
I. Fraurnchirmsre.
Von Larl Laushofer.
meinem Fenster schauend laste ich meine Blicke über die
' weite Wasterfläche gleiten, welche unter einem leisen Wind-
hanch zittert und flimmcrt wie flüssigcr Smaragd. Sie
hasten zunächst auf einer Jnsel, die, von einem Wolken-
schatten überlagert, dunkel inmitten des Glanzes liegt und
mit ihren Häuschen und mächtigen Baumgruppen, mit ihren
Gegenüber der überwältigenden Macht einer solchen
Szenerie mag es verzeihlich erscheinen, wenn man kleinmütig
darauf verzichtet, den begeisterten Schilderungen, die der
Chiemseelandschast durch die berusensten Federn zu Teil ge-
worden sind, eine neue anzureihen — um so mehr, als etwas
Neues kaum hinzuzufiigen wäre. Doch mag es ihren alten
getreuen Verehrern bediinken, als sei sie seit etlichen Jahren
wieder mehr in Vergessenheit geraten und durch die Eröff-
nung neuer Reisewege in den Alpen etwas zur Seite ge-
schoben worden. Eine Auffrischnng der verblassenden Er-
innerungen könnte deshalb nicht überflüssig erscheinen, wenn
auch damit manchem Sommergast, der die stillen Tage ab-
seits vom Touristenschwarm zu genießen vorzieht, kein großer
Gesallen geschähe. Jndessen ist nicht zu befürchten, daß auch
der glänzendste Lobgesang des Chiemsees eine Übersüllung
seiner Sommerfrischorte zu bewirken im Stande wäre. Denn
als gewissenhafter Berichterstattec könnten wir nebenher nicht
grauen Klostergebäuden und dcm ungeschlachten romanischen Kirchturm wie
ein Märchengebilde über der Flut schwebt. Stolzgeschwungene blaue Berge
überragen sie, nach Osten hin sanft zu waldigem Hügelland abfallend. Dort, im
Fernduft verdämmernd, taucht noch wie ein scharfer Zahn der Schafberg am
Wolfgangsee empor. Schwere, gewaltig aufgetürmte Gewitterwolken, oben blendend
weiß wie riesige Schneelawinen, unten schwarzgesäumt, stehen über den Bergen und
breiten indigofarbene Schatten über ihre vordersten Reihen, während durch Lücken des
Gebirges noch der breite Rücken des Watzmanns und die edelgezeichnete Pyramide des
Hohen Göhl frischbeschneit im Sonnengold hereinlenchten.
verschweigen, daß es einerseits einer sehr feinsinnigen, schier
künstlerisch fühlenden Gemütsanlage bedarf, um die land-
schastlichen Schätze des Chiemsee's nach ihrem vollen Werte
zu würdigen nnd zn genießen, andererseits aber auch einer
gewissen Anspruchslosigkeit, welche in dem Zauber der Natur
hinlänglich Ersatz für mancherlei kleine Mängel in der Lebens-
bequemlichkeit findet. Die vorlängst aufgestellte Behauptung
scharfsinniger und landeskundiger Forscher, daß sich die Be-
griffe über das, was der großen Schaar der Reisenden angenehm
und Bedürfnis ist, bei den Gastwirten des oberbayerischen
Landes aufsallend langsamer entwickeln als im angrenzenden
Salzburgerländchen und selbst in Tirol, scheint noch immer
nicht ganz veraltet und hauptsächlich auf Beobachtungen im
Gebirgsvorlande zwischen Jnn und Salzach gestützt zu sein.
Doch ist seit geraumer Zeit schon ein erfreulicher Ümschwung
in den Anschauungen der ländlichen Gastwirte eingetreten;
es mehren sich die Zeichen, daß sie die schwierige Frage,
Ireruenchiemsee. von Aarl Raupx».
Sommerfrischen Münchener Unnstler
I. Fraurnchirmsre.
Von Larl Laushofer.
meinem Fenster schauend laste ich meine Blicke über die
' weite Wasterfläche gleiten, welche unter einem leisen Wind-
hanch zittert und flimmcrt wie flüssigcr Smaragd. Sie
hasten zunächst auf einer Jnsel, die, von einem Wolken-
schatten überlagert, dunkel inmitten des Glanzes liegt und
mit ihren Häuschen und mächtigen Baumgruppen, mit ihren
Gegenüber der überwältigenden Macht einer solchen
Szenerie mag es verzeihlich erscheinen, wenn man kleinmütig
darauf verzichtet, den begeisterten Schilderungen, die der
Chiemseelandschast durch die berusensten Federn zu Teil ge-
worden sind, eine neue anzureihen — um so mehr, als etwas
Neues kaum hinzuzufiigen wäre. Doch mag es ihren alten
getreuen Verehrern bediinken, als sei sie seit etlichen Jahren
wieder mehr in Vergessenheit geraten und durch die Eröff-
nung neuer Reisewege in den Alpen etwas zur Seite ge-
schoben worden. Eine Auffrischnng der verblassenden Er-
innerungen könnte deshalb nicht überflüssig erscheinen, wenn
auch damit manchem Sommergast, der die stillen Tage ab-
seits vom Touristenschwarm zu genießen vorzieht, kein großer
Gesallen geschähe. Jndessen ist nicht zu befürchten, daß auch
der glänzendste Lobgesang des Chiemsees eine Übersüllung
seiner Sommerfrischorte zu bewirken im Stande wäre. Denn
als gewissenhafter Berichterstattec könnten wir nebenher nicht
grauen Klostergebäuden und dcm ungeschlachten romanischen Kirchturm wie
ein Märchengebilde über der Flut schwebt. Stolzgeschwungene blaue Berge
überragen sie, nach Osten hin sanft zu waldigem Hügelland abfallend. Dort, im
Fernduft verdämmernd, taucht noch wie ein scharfer Zahn der Schafberg am
Wolfgangsee empor. Schwere, gewaltig aufgetürmte Gewitterwolken, oben blendend
weiß wie riesige Schneelawinen, unten schwarzgesäumt, stehen über den Bergen und
breiten indigofarbene Schatten über ihre vordersten Reihen, während durch Lücken des
Gebirges noch der breite Rücken des Watzmanns und die edelgezeichnete Pyramide des
Hohen Göhl frischbeschneit im Sonnengold hereinlenchten.
verschweigen, daß es einerseits einer sehr feinsinnigen, schier
künstlerisch fühlenden Gemütsanlage bedarf, um die land-
schastlichen Schätze des Chiemsee's nach ihrem vollen Werte
zu würdigen nnd zn genießen, andererseits aber auch einer
gewissen Anspruchslosigkeit, welche in dem Zauber der Natur
hinlänglich Ersatz für mancherlei kleine Mängel in der Lebens-
bequemlichkeit findet. Die vorlängst aufgestellte Behauptung
scharfsinniger und landeskundiger Forscher, daß sich die Be-
griffe über das, was der großen Schaar der Reisenden angenehm
und Bedürfnis ist, bei den Gastwirten des oberbayerischen
Landes aufsallend langsamer entwickeln als im angrenzenden
Salzburgerländchen und selbst in Tirol, scheint noch immer
nicht ganz veraltet und hauptsächlich auf Beobachtungen im
Gebirgsvorlande zwischen Jnn und Salzach gestützt zu sein.
Doch ist seit geraumer Zeit schon ein erfreulicher Ümschwung
in den Anschauungen der ländlichen Gastwirte eingetreten;
es mehren sich die Zeichen, daß sie die schwierige Frage,