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Die Berliner Iubiläums-Asslelluung. von Fr. Pecht — Aus dem j?ariser Salan
tionalgalerie bis heule nicht einfiel, etwa einmal diesen stolzesten Augenblick der dentschen Geschichte snr ihre
Sammlung malen zu lassen, sondern daß sie dasür dem Direktor Piloty in München den „Tod Alcxanders
des Großen" bestellte, von dem selbstverständlich der Maler genau so viel weiß, als wir alle, d. h. nichts,
während man hier einen Augenzeugen und vortrefslichen Künstler zugleich besaß, und also sicher war, statt
einer unvermeidlich konventionell theatralischen Szene, etwas zu erhalten, was unsere Nachkommen noch nach
Jahrhunderten interessiert hätte. Genau so hat auch der Berliner Magistrat verfahren, der heute noch nicht recht
zu wissen scheint, was er für das Treppenhaus des Rathauses einer Stadt malen lassen solle, welche der
Mittelpunkt des Staates ist, der die glanzvollste Geschichte besitzt, welche das moderne Europa kennt! Wahr-
scheinlich werden sie sich schließlich wieder für den König Priamos oder Abraham und scine Söhne entscheiden.
Man komme mir nur nicht damit, daß es die Alten auch so gemacht hätten.
(Fortsetzung folgt.)
Aus dcm variler Salon
ucht man in dem Pariser Salon das Spiegelbild, den
künstlerischen Reflex dessen, was das französische Volk
während des vorangegangenen Jahres besonders beschästigt,
seine Ausmerksamkeit am meisten in Anspruch genommen
hat, so scheinen die Gedanken unserer Nachbarn neuer-
dings wieder sehr auf la Zloirs und 1s. revsnctre gerichtet
zu sein, denn die kriegerischen Stoffe nehmen, um die
Kunst einmal mit der Elle zu messen, im diesjährigen
Salon neben den 900 antiken Bilderu vor allen anderen
den weitaus größten Raum ein: freilich nur durch ihre
Zahl, nicht durch Größe im einzelnen. Hieriu müssen sie
anderen und naturgemäß vornehmlich den zur Aus-
schmückung größerer Wandflächen bestinimten weichen, nnter
welchen letzteren sich gleichzeitig einige der besten Leistungeii
der Zlusstellung befinden,
Denn dazu gehören ohne Zweifel die drei umfangreichen
Kompositionen, welche Puvis de Chavannes seinem vor-
jährigen „Heiligen Hain" sür das Museum in Lyon hat folgen
lassen: die „Vision aus demAltertum", eine sonnige altgriechische
Landschaft mit verschleierten Frauen, welche auf eincn die
Syrinx blasenden Hirten lauschen, im Vordergrunde, die
„christliche Jnspirativu", welche in einem mittelalterlichen
Kloster Toskanas einen Giotto oder Fra Angelico bei der
Vollendung seines Tagewerks nebst einigen bewundernden
und diskntierenden Brüdern zeigt, und endlich „Rhone
und Saone", in zwei allegorischen Gestalten Kraft und
Genie symbolisterend. Diese Werke sind mit hinreißendem
Zauber anmutvoller Poesie und idyllischer Ruhe umkleidet:
ihre volle Wirkung werden sie natürlich aber erst am Lrte
ihrer Bestimmung. auf welchen der feinfühlige Künstler
in richtiger Würdigung seiner Aufgabe bei der Aussüh-
rung sehr Bedacht genommen, ausüben könuen. Bielleicht
daß dort auch die hier den Genuß immerhin etwas beeinträch-
tigenden Iknwahrscheinlichkeiten der Zeichnung uud Unzuläng-
lichkeiten der Gruppierung weniger hervortreten werden. Ebenso
darf man den Ort derBestimmung bei Bau douins trefflicher
Komposition „Familie und Arbeit" sürdie msiriecke Lt. Alsur,
neben des Künstlers vorjähriger „Verlobung" einer der
glücklichsten durch die Konkurreuzen der Stadt Paris ent-
standenen Schöpfungen, und den übrigen dekorativen Arbei-
ten nicht außer acht lassen. An solchen sinden sich ferner
von Humbert und Lagarde zwei gleichfalls von der
Stadtverwaltung bestellte Werke: „Aus der Belagerung
von Paris" und „Landleben", vou ersterem noch sür das
Pantheon eiu Wandbild „Jn Kriegszeiten", von Tupain
ein allegorischer „Veuusdurchgang" als Plafond für das
astronomische Observatorium der Stadt, von Mvncha-
blou ein „Lothringens berühmte Söhne" darstellender
Fries für die Universität Nancy und eine große dekorative,
jedoch durchaus realistisch gehaltene Landschaft „An der
Küste der Proveuce", mit welcher Montenard auf diesem
Gebiete mit glücklichem Erfolg debütiert.
Die religiösen Darstellungen werden mit dem Nach-
lassen der staatlichen Bestellungen immer seltener im
Salon: ein „Tod Johannes des Täufers", welcher in
besonders gelungener Farbeustimmung den Heiligen im
Kerker und im Hintergrunde die mit dem Henkersknecht
nahenoe Salome zeigt, von Henry Levy und eine
„Misericordia" von G. Dubuffe sind wohl ihre besten
Vcrtreter. Tie Malerei des Nackten liesert dagegeu wieder
viel Gutes, so Raphael Collins' fein mvdellierte Alle-
gorie des (republikanischen Blütemouats) Floreal, eine
Nymphe auf Orpheus' Kopf und Leier stoßend, (nach
Ovid) von Weiß, eiue „blutende Venus" von A. Mercie
und vor allem zwei wahre Kabinettstücke: „Tas Erwachen"
von Carolus Duran, der sich im diesjährigen Salon
sowohl mit diesem Bilde, wie auch mit dem feingestimm-
ten Portrüt einer Engländerin wieder einmal vou seiner
besten Seite zeigt, und die durch klassische Aumut und
Poesie alle vorhergehenden in mancher Beziehung über-
bictende Nymphe „Einsamkeit" Henners, welcher gleich-
salls noch ein ausgezeichnetes Porträt einer jungen „Waise"
ansstellt, Ein sehr tüchtiges Naturstudinm verrät ferner
auch Gervex' Schöne, welche vor aller andern Klei-
dung zunächst nur eine schwarze Maske vor das Gesicht
hält, um sich im Spiegel zu betrachten. Ter Künstler
vergißt hier aber doch zu sehr den Unterschied zwischen
der Malerei des Nackten nnd derjenigen des Entkleideten
und erinnert damit gar zu direkt an Jean Berauds —
übrigens das Laster mit packcnder Lebenswahrheit wieder-
gebende — Halbweltgestalten in der Arresthallc der Pariser
Polizeipräfektur.
Die Berliner Iubiläums-Asslelluung. von Fr. Pecht — Aus dem j?ariser Salan
tionalgalerie bis heule nicht einfiel, etwa einmal diesen stolzesten Augenblick der dentschen Geschichte snr ihre
Sammlung malen zu lassen, sondern daß sie dasür dem Direktor Piloty in München den „Tod Alcxanders
des Großen" bestellte, von dem selbstverständlich der Maler genau so viel weiß, als wir alle, d. h. nichts,
während man hier einen Augenzeugen und vortrefslichen Künstler zugleich besaß, und also sicher war, statt
einer unvermeidlich konventionell theatralischen Szene, etwas zu erhalten, was unsere Nachkommen noch nach
Jahrhunderten interessiert hätte. Genau so hat auch der Berliner Magistrat verfahren, der heute noch nicht recht
zu wissen scheint, was er für das Treppenhaus des Rathauses einer Stadt malen lassen solle, welche der
Mittelpunkt des Staates ist, der die glanzvollste Geschichte besitzt, welche das moderne Europa kennt! Wahr-
scheinlich werden sie sich schließlich wieder für den König Priamos oder Abraham und scine Söhne entscheiden.
Man komme mir nur nicht damit, daß es die Alten auch so gemacht hätten.
(Fortsetzung folgt.)
Aus dcm variler Salon
ucht man in dem Pariser Salon das Spiegelbild, den
künstlerischen Reflex dessen, was das französische Volk
während des vorangegangenen Jahres besonders beschästigt,
seine Ausmerksamkeit am meisten in Anspruch genommen
hat, so scheinen die Gedanken unserer Nachbarn neuer-
dings wieder sehr auf la Zloirs und 1s. revsnctre gerichtet
zu sein, denn die kriegerischen Stoffe nehmen, um die
Kunst einmal mit der Elle zu messen, im diesjährigen
Salon neben den 900 antiken Bilderu vor allen anderen
den weitaus größten Raum ein: freilich nur durch ihre
Zahl, nicht durch Größe im einzelnen. Hieriu müssen sie
anderen und naturgemäß vornehmlich den zur Aus-
schmückung größerer Wandflächen bestinimten weichen, nnter
welchen letzteren sich gleichzeitig einige der besten Leistungeii
der Zlusstellung befinden,
Denn dazu gehören ohne Zweifel die drei umfangreichen
Kompositionen, welche Puvis de Chavannes seinem vor-
jährigen „Heiligen Hain" sür das Museum in Lyon hat folgen
lassen: die „Vision aus demAltertum", eine sonnige altgriechische
Landschaft mit verschleierten Frauen, welche auf eincn die
Syrinx blasenden Hirten lauschen, im Vordergrunde, die
„christliche Jnspirativu", welche in einem mittelalterlichen
Kloster Toskanas einen Giotto oder Fra Angelico bei der
Vollendung seines Tagewerks nebst einigen bewundernden
und diskntierenden Brüdern zeigt, und endlich „Rhone
und Saone", in zwei allegorischen Gestalten Kraft und
Genie symbolisterend. Diese Werke sind mit hinreißendem
Zauber anmutvoller Poesie und idyllischer Ruhe umkleidet:
ihre volle Wirkung werden sie natürlich aber erst am Lrte
ihrer Bestimmung. auf welchen der feinfühlige Künstler
in richtiger Würdigung seiner Aufgabe bei der Aussüh-
rung sehr Bedacht genommen, ausüben könuen. Bielleicht
daß dort auch die hier den Genuß immerhin etwas beeinträch-
tigenden Iknwahrscheinlichkeiten der Zeichnung uud Unzuläng-
lichkeiten der Gruppierung weniger hervortreten werden. Ebenso
darf man den Ort derBestimmung bei Bau douins trefflicher
Komposition „Familie und Arbeit" sürdie msiriecke Lt. Alsur,
neben des Künstlers vorjähriger „Verlobung" einer der
glücklichsten durch die Konkurreuzen der Stadt Paris ent-
standenen Schöpfungen, und den übrigen dekorativen Arbei-
ten nicht außer acht lassen. An solchen sinden sich ferner
von Humbert und Lagarde zwei gleichfalls von der
Stadtverwaltung bestellte Werke: „Aus der Belagerung
von Paris" und „Landleben", vou ersterem noch sür das
Pantheon eiu Wandbild „Jn Kriegszeiten", von Tupain
ein allegorischer „Veuusdurchgang" als Plafond für das
astronomische Observatorium der Stadt, von Mvncha-
blou ein „Lothringens berühmte Söhne" darstellender
Fries für die Universität Nancy und eine große dekorative,
jedoch durchaus realistisch gehaltene Landschaft „An der
Küste der Proveuce", mit welcher Montenard auf diesem
Gebiete mit glücklichem Erfolg debütiert.
Die religiösen Darstellungen werden mit dem Nach-
lassen der staatlichen Bestellungen immer seltener im
Salon: ein „Tod Johannes des Täufers", welcher in
besonders gelungener Farbeustimmung den Heiligen im
Kerker und im Hintergrunde die mit dem Henkersknecht
nahenoe Salome zeigt, von Henry Levy und eine
„Misericordia" von G. Dubuffe sind wohl ihre besten
Vcrtreter. Tie Malerei des Nackten liesert dagegeu wieder
viel Gutes, so Raphael Collins' fein mvdellierte Alle-
gorie des (republikanischen Blütemouats) Floreal, eine
Nymphe auf Orpheus' Kopf und Leier stoßend, (nach
Ovid) von Weiß, eiue „blutende Venus" von A. Mercie
und vor allem zwei wahre Kabinettstücke: „Tas Erwachen"
von Carolus Duran, der sich im diesjährigen Salon
sowohl mit diesem Bilde, wie auch mit dem feingestimm-
ten Portrüt einer Engländerin wieder einmal vou seiner
besten Seite zeigt, und die durch klassische Aumut und
Poesie alle vorhergehenden in mancher Beziehung über-
bictende Nymphe „Einsamkeit" Henners, welcher gleich-
salls noch ein ausgezeichnetes Porträt einer jungen „Waise"
ansstellt, Ein sehr tüchtiges Naturstudinm verrät ferner
auch Gervex' Schöne, welche vor aller andern Klei-
dung zunächst nur eine schwarze Maske vor das Gesicht
hält, um sich im Spiegel zu betrachten. Ter Künstler
vergißt hier aber doch zu sehr den Unterschied zwischen
der Malerei des Nackten nnd derjenigen des Entkleideten
und erinnert damit gar zu direkt an Jean Berauds —
übrigens das Laster mit packcnder Lebenswahrheit wieder-
gebende — Halbweltgestalten in der Arresthallc der Pariser
Polizeipräfektur.