Aus Müncbeu.
Unsere Bilder
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Gerade sehr viel tröstlicher war es nicht, wenn man
vom Glaspalast zum Kunstverein ging, um sich dort die
frisch gefirnißten Jahreseinkäufe vor der Verlosung zu
betrachten. Tenn sicherlich wird der Schatz der deut-
schen Kunst durch die Mehrzahl dieser Ankäuse nicht ver-
mehrt, die seinetwegen ebenso gut ungemalt hätten bleiben
können.
Ein Tutzend hübsche Laudschasten, unter denen
die kleinste, eine Heuernte von Robert Schleich, beinahe
die anlockendste war, weitere trefsliche von Röth, Malchus
u. a. wenigstens als in ihrer Art vollendet gelten konnten,
das war nach dieser Seite hin so ziemlich alles. Viel
schlimnier stand es mit den Figurenbildern, wo einen
die ewigen Kammerjungfern und Kellnerinnen, samt allen
zärtlichen Müttern gleich sehr langweilten, weil man fast
nie ein ächtes Naturgesühl, gesunden Humor wahrnahm,
sondern immer wieder den alten sentimentalen Rührbrei
vorgesetzt bekam. Daß Essen, Trinken, Schlafen und
Kinderzeugen das Hauptlebensinteresse der Menschheit aus-
machen, das wird einem hier doch etwas zu klar bewiesen.
Ein einziges Bild: „Die Verfolgung auf dem Chicmsee"
von Wopfner, zeigte einen wirklichen Gedanken, erregte
durch seine wahrgeschilderten Menschen unser Jnteresse.
Die Skulptur ging fast leer aus bei diesen Ankäufen und
das vorjährige Kunstvereinsblatt endlich ist eine geradezu
unglaubliche Erwerbung: da wäre es denn doch viel
besser gewesen, an Stelle solch sinnloser Verschwendung
die 12 000 Mk. doch lieber gleich den Obdachlosen oder
der freiwilligen Armenpflege zuzuwenden, statt die Münchener
Kunst in solch heransfordernder Weise vor aller Welt zu
kompromittiereu. — Glücklicherweise ist dieser Welt nicht
mehr unbekannt, daß diese Müncheuer Kunst uud der
Münchener Kunstverein eigentlich recht wenig mit einander
zu schaffen haben, da sich die erstere im letzteren wohl
gelegentlich zeigt, aber in der Regel nur, um ihn schlennigst
wiedcr zu verlassen.
Da war es denu eine rechte Erquickung, ein ächtes Ta-
lent wenigstens in der „Gnauth-Ausstellnng" wieder-
zufinden, die eben jetzt in der Aula des Polytechniknms zn
sehen war und uns einen überraschenden Einblick in die rast-
lose Thätigkeit des viel zu früh dahingeschiedenen hoch-
begabten Meisters eröffnete. Seit dem glänzenden Erfolg
der Spitzweg-Ausstellung, die wohl noch lange im Ge-
dächtnis ihrer Beschauer fortleben wird und in der wir
alle erst die volle Bedeutung dieses liebenswürdigsten und
begabtesten Vertreters des ächten Münchener Humors
kennen lernten, hat nian keinen so wohlthuenden Eindruck
mehr gehabt. Wie sich nicht nur glänzende Phantasie,
reiche Bildung, ungemeines Wissen, sonderu auch tiefes
Gemüt in den Architekturformeu aussprechen können, davon
konnte man sich in dieser Ausstellung überzeugen. Wenn
Gnauths Empfänglichkeit für edle Eindrücke, für alles
Schöne, ihn vielleicht verhinderte, zu einem festen Glau-
bensbekenntnis in baulichen Dingen zu konimen, so kann
es doch keinem Zweifel unterliegen, daß er zusolge der
großen Verwandfichaft seiner Natur mit der Makarts
offenbar mehr als irgend ein anderer dazu geeignet war,
das rein sinnliche Element der sarbigen Wirkung in unserer
Bauknust auszubilden. Denn wie bei Makart überwog
bei ihm die Jntuition, die Empfindnng, durchaus die ver-
ständige Erwügung. Taher auch seine Sympathie sür die
orientalischen Baustile. Es ist daher nur gut, daß er in
seiner Stellung als Tirektor der Nürnberger Kunstschule
in Hammer einen Nachfolger gesunden hat, der ihni nach
dieser Seite hiu vielsach verwandt ist und zugleich das
spezifisch nationale Temperament, aus dem heraus ganz
allein eine gesunde Stilbildung erfolgen kann, unzweifel-
hast in noch höherem Maße besitzt. Taß Klenze, infolge
seiner Lebensgeschichte, bei all seiner Begabung diese nationale
Empfindung gänzlich fehlte, das gab seiner Ausstellung
voriges Jahr bei aller Großartigkeit das kühle doktrinäre
Weseu, zu dem die Gnauth'sche in so anffallendem Gegen-
satz steht. Das wird man aber bei der Mehrzahl aller
wahrhast klassischen Künstler finden, daß sie das Tempera-
meut ihres Volkes, ja oft selbst das ihres speziellen
Stammes oder Gebnrtsortes, nicht nur in ihren Werken,
sondern anch in ihrer ganzeu Art reiner darstellen, als
irgend welche andere Sterbliche. Gerade es ist die eigent-
liche Suclle ihrer Lrigiualität, wie der Boden auf dem
er gewachscn, dem Wein erst seine Blume giebt.
Uniere Bilder.
von Fr. pccht
aß Wilhelm Lindenschmit zu nnsereu origincUsten
und selbständigsten Historienmalern zähle, das hat
er nie gläuzender bewiesen, als durch die Wandgemälde,
mit denen er den von Hauberisser neuerbauten Rathaus-
saal von Kaufbeuren vor zwei Jahren geschmückt hat.
Der Auftrag hiezu war ihm durch eine Preisbewerbung ge-
worden, aus der er als Sieger hervorging. Gänz sach-
gemäß schniückte er dcn Saal mit den Figuren der Bürger-
tugenden, um dieselben deu da tagenden Ratsherrn fort-
während gegenwürtig zu halten. Da das Rathaus in
deutscher Renaissance ausgeführt ward, so kleidete er diese
Tugenden auch alle in die Tracht der Zeit. Dabei blieb
er nicht nur in Harmonie mit dem Bau, sondern erreichte
auch eine uni so größere Lebendigkeit, als er den Tamen
gleichzeitig ein scharf ausgeprägtes deutsches, ja schwäbisches
Aussehen und Benehmen verlieh. — Tas ist nun um so
richtiger, als Religiofität, Fleiß, Gerechtigkeit, Wohlthätig-
keit :c. sicherlich in einer kleinen schwäbischen Reichsstadt
ein ganz anderes Aussehen und Gebahren zeigten als in
Athen und Rom, woher dergleichen allegorische Frauen-
zimmer von unserer klassizistischen Malerei gewöhnlich be-
zogen wurden. Ebenso find die Kinder, mit denen er sie
nmgab, ächt schwäbische Flachsköpfe. Dic notwendige Folge
dieses Versahrens, ivie wir es bci der hierneben mitgeteilten
Fignr der Wvhlthätigkeit sehr hübsch ausgesprochen sinden,
war aber gerade jenc Würme und Vertraulichkeit, jenes an-
heimelnde Wesen, wclches die Knnstwerke erst recht lebendig
und glaubwürdig, also auch uni so wirksamer macht. Denn
wenn wir unsere offenbaren Ahnen mit solchen Tugenden
geziert sehen, so werdcn wir sicherlich weit mehr Lust
empfinden sie uns anzueignen, als wenn sie nur der König
Priamos oder die Königin von Saba besessen hätten.
Tie lange Wand, den Fenstmi gegenüber, verzierte
Lindenschniit dann mit der Erzählung einer anmutigen
Unsere Bilder
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Gerade sehr viel tröstlicher war es nicht, wenn man
vom Glaspalast zum Kunstverein ging, um sich dort die
frisch gefirnißten Jahreseinkäufe vor der Verlosung zu
betrachten. Tenn sicherlich wird der Schatz der deut-
schen Kunst durch die Mehrzahl dieser Ankäuse nicht ver-
mehrt, die seinetwegen ebenso gut ungemalt hätten bleiben
können.
Ein Tutzend hübsche Laudschasten, unter denen
die kleinste, eine Heuernte von Robert Schleich, beinahe
die anlockendste war, weitere trefsliche von Röth, Malchus
u. a. wenigstens als in ihrer Art vollendet gelten konnten,
das war nach dieser Seite hin so ziemlich alles. Viel
schlimnier stand es mit den Figurenbildern, wo einen
die ewigen Kammerjungfern und Kellnerinnen, samt allen
zärtlichen Müttern gleich sehr langweilten, weil man fast
nie ein ächtes Naturgesühl, gesunden Humor wahrnahm,
sondern immer wieder den alten sentimentalen Rührbrei
vorgesetzt bekam. Daß Essen, Trinken, Schlafen und
Kinderzeugen das Hauptlebensinteresse der Menschheit aus-
machen, das wird einem hier doch etwas zu klar bewiesen.
Ein einziges Bild: „Die Verfolgung auf dem Chicmsee"
von Wopfner, zeigte einen wirklichen Gedanken, erregte
durch seine wahrgeschilderten Menschen unser Jnteresse.
Die Skulptur ging fast leer aus bei diesen Ankäufen und
das vorjährige Kunstvereinsblatt endlich ist eine geradezu
unglaubliche Erwerbung: da wäre es denn doch viel
besser gewesen, an Stelle solch sinnloser Verschwendung
die 12 000 Mk. doch lieber gleich den Obdachlosen oder
der freiwilligen Armenpflege zuzuwenden, statt die Münchener
Kunst in solch heransfordernder Weise vor aller Welt zu
kompromittiereu. — Glücklicherweise ist dieser Welt nicht
mehr unbekannt, daß diese Müncheuer Kunst uud der
Münchener Kunstverein eigentlich recht wenig mit einander
zu schaffen haben, da sich die erstere im letzteren wohl
gelegentlich zeigt, aber in der Regel nur, um ihn schlennigst
wiedcr zu verlassen.
Da war es denu eine rechte Erquickung, ein ächtes Ta-
lent wenigstens in der „Gnauth-Ausstellnng" wieder-
zufinden, die eben jetzt in der Aula des Polytechniknms zn
sehen war und uns einen überraschenden Einblick in die rast-
lose Thätigkeit des viel zu früh dahingeschiedenen hoch-
begabten Meisters eröffnete. Seit dem glänzenden Erfolg
der Spitzweg-Ausstellung, die wohl noch lange im Ge-
dächtnis ihrer Beschauer fortleben wird und in der wir
alle erst die volle Bedeutung dieses liebenswürdigsten und
begabtesten Vertreters des ächten Münchener Humors
kennen lernten, hat nian keinen so wohlthuenden Eindruck
mehr gehabt. Wie sich nicht nur glänzende Phantasie,
reiche Bildung, ungemeines Wissen, sonderu auch tiefes
Gemüt in den Architekturformeu aussprechen können, davon
konnte man sich in dieser Ausstellung überzeugen. Wenn
Gnauths Empfänglichkeit für edle Eindrücke, für alles
Schöne, ihn vielleicht verhinderte, zu einem festen Glau-
bensbekenntnis in baulichen Dingen zu konimen, so kann
es doch keinem Zweifel unterliegen, daß er zusolge der
großen Verwandfichaft seiner Natur mit der Makarts
offenbar mehr als irgend ein anderer dazu geeignet war,
das rein sinnliche Element der sarbigen Wirkung in unserer
Bauknust auszubilden. Denn wie bei Makart überwog
bei ihm die Jntuition, die Empfindnng, durchaus die ver-
ständige Erwügung. Taher auch seine Sympathie sür die
orientalischen Baustile. Es ist daher nur gut, daß er in
seiner Stellung als Tirektor der Nürnberger Kunstschule
in Hammer einen Nachfolger gesunden hat, der ihni nach
dieser Seite hiu vielsach verwandt ist und zugleich das
spezifisch nationale Temperament, aus dem heraus ganz
allein eine gesunde Stilbildung erfolgen kann, unzweifel-
hast in noch höherem Maße besitzt. Taß Klenze, infolge
seiner Lebensgeschichte, bei all seiner Begabung diese nationale
Empfindung gänzlich fehlte, das gab seiner Ausstellung
voriges Jahr bei aller Großartigkeit das kühle doktrinäre
Weseu, zu dem die Gnauth'sche in so anffallendem Gegen-
satz steht. Das wird man aber bei der Mehrzahl aller
wahrhast klassischen Künstler finden, daß sie das Tempera-
meut ihres Volkes, ja oft selbst das ihres speziellen
Stammes oder Gebnrtsortes, nicht nur in ihren Werken,
sondern anch in ihrer ganzeu Art reiner darstellen, als
irgend welche andere Sterbliche. Gerade es ist die eigent-
liche Suclle ihrer Lrigiualität, wie der Boden auf dem
er gewachscn, dem Wein erst seine Blume giebt.
Uniere Bilder.
von Fr. pccht
aß Wilhelm Lindenschmit zu nnsereu origincUsten
und selbständigsten Historienmalern zähle, das hat
er nie gläuzender bewiesen, als durch die Wandgemälde,
mit denen er den von Hauberisser neuerbauten Rathaus-
saal von Kaufbeuren vor zwei Jahren geschmückt hat.
Der Auftrag hiezu war ihm durch eine Preisbewerbung ge-
worden, aus der er als Sieger hervorging. Gänz sach-
gemäß schniückte er dcn Saal mit den Figuren der Bürger-
tugenden, um dieselben deu da tagenden Ratsherrn fort-
während gegenwürtig zu halten. Da das Rathaus in
deutscher Renaissance ausgeführt ward, so kleidete er diese
Tugenden auch alle in die Tracht der Zeit. Dabei blieb
er nicht nur in Harmonie mit dem Bau, sondern erreichte
auch eine uni so größere Lebendigkeit, als er den Tamen
gleichzeitig ein scharf ausgeprägtes deutsches, ja schwäbisches
Aussehen und Benehmen verlieh. — Tas ist nun um so
richtiger, als Religiofität, Fleiß, Gerechtigkeit, Wohlthätig-
keit :c. sicherlich in einer kleinen schwäbischen Reichsstadt
ein ganz anderes Aussehen und Gebahren zeigten als in
Athen und Rom, woher dergleichen allegorische Frauen-
zimmer von unserer klassizistischen Malerei gewöhnlich be-
zogen wurden. Ebenso find die Kinder, mit denen er sie
nmgab, ächt schwäbische Flachsköpfe. Dic notwendige Folge
dieses Versahrens, ivie wir es bci der hierneben mitgeteilten
Fignr der Wvhlthätigkeit sehr hübsch ausgesprochen sinden,
war aber gerade jenc Würme und Vertraulichkeit, jenes an-
heimelnde Wesen, wclches die Knnstwerke erst recht lebendig
und glaubwürdig, also auch uni so wirksamer macht. Denn
wenn wir unsere offenbaren Ahnen mit solchen Tugenden
geziert sehen, so werdcn wir sicherlich weit mehr Lust
empfinden sie uns anzueignen, als wenn sie nur der König
Priamos oder die Königin von Saba besessen hätten.
Tie lange Wand, den Fenstmi gegenüber, verzierte
Lindenschniit dann mit der Erzählung einer anmutigen