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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Grosse, Julius: Ernst Julius Hähnel, [1]: ein Relief nach dem Leben
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Paul, Richard: Dem künftigen Genius
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0332

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26N

Lrnst Iulius ktübuel. von Iulius Grosse — Dem küuftigci! Gcuius. l)on Richard j)aul

heilige Cücilia prangen, wird niich verstehen. Unüberseh-
bar sast ist der Reichtum an Zchönheit und Leben. Hier
die großen Modelle Kaiser Karls IV. in Prag, die ge-
flügelten Pferde twm Opernhaus in Wien, dort die Sta-
tuen Körners für Tresdcn, Leibniz' sür Leipzig, daneben
eine bezaubernde Nymphe, die ihr Haar tracknet, und die
grandiose Eva, auf dereu Knieen sich Abel und Kain um
die Mutterbrust streiten, — wer alle diese Kontraste
auf sich wirken läßt, wird jene Verschmelznng antiken und
modernen Geistes als einzig in ihrer Art bewundern.
Schade, daß wir nicht mehr Memoiren unsrer be-
deutenden Künstler haben. Bei Richters reizendem Buch
stieg mir von neuem Wunsch und Frage auf, warum nicht auch
Hnhnel seine Tenkwürdigkeiten geschrieben? An ihm ist ein
reiches, großes Leben vorübergegangen in München, Florenz,
Rom und Dresden, ein Leben, das ihn mit allen be-
deutenden Männern der Kunst seiner Zeit irgendwie in
Verbindung brachte und auch heute noch so reich und be-
wegt ist, daß jedcr Abend, der die Getreuen bei Seulen
am Antonsplatz oder bei Tiedemann und Grahl ldaher
die „Senlenheiligen" und die „Ritter vom Gral") mit dem
Meister zusammenführt, znm olympischen Fest wird, — iihn-
lich jenen Abenden, wie sie Genelli bei Schimon in
München liebte — zum Fest, wo in unerschöpslicher Fülle
sich Witz auf Witz, Historie auf Historie jagt, wo Epigramme
wie Leuchtkugeln steigen und auch Momus seine Geißel
schwingt über die Thorheit der Welt, — ein Künstlerleben
im vollen Sinne des Worts, noch ein Nachhall jener
römischen Zeit, wo die Cornelius, Reinhardt, Wagner und
Koch, später Genelli, Riedel und Rahl die neue deutsche
Kuust schufen und ihre genialen Saturnalien seierten.

*) Auch das Leben tricb dainals bunte Blaseu. So hatten
sich eiiist Koch uud Neinhardt auf den Tod erzürnl, und jeder
Periöhiiuugsversuch war vergeblich. Endlich brachte es der Zu-
fall zu ivege. An der Rückseile des Monte Pincio, dort wv die
uraltcn Stadtninuern eiiicn tiefen Hohlweg bildeu, sinden sich in
gewissen Tiskanzen Nischen angebracht, uni eine Zuflucht zu ge-
währcn, falls die wilden Herden der Campagna dort durchgetrieben
werden, was immer im Galopp geschieht. Tort in tiefster Ein-
snnikeil begegnete Reinhardt, der von der Jagd kam, eines Tags
seineni Todfeinde Koch. Kaum ersahen sie sich, so flüchtete Rein-
hardt iu eine jeuer Nischen, um deu Gefnhrlicheu vorüberzulasfen.

Wie ich den Äieister nüher kennen lernte? — Das
war beinahe eine kvmische Fügung. Wir kannten uns
zwar längst, standen nns aber nicht näher, bis es eines
Abends bei Seulen zum Anekdotenerzählen kam. Jm
Jahr zuvor hatte ich in Weimar ein Histörchen, Auerbach
betreffend, gehört und gab dies zum besten. Noch war
ich nicht in die Mitte gekommen, als Hähnel mich mit
uuermeßlichem Gelächter unterbrach:
„Aber das ist ja meine Historie, die ich extra auf
Auerbach ersunden. Hier an diesem Tisch habe ich sie
ihm erzählt, und also war es:
„Tamals nämlich, vor zwanzig Jahren, hatte ich
„Joseph im Schnee" gelesen und das Buch hatte mir
außerordentlich gesallen. Ties wollte ich gern Auerbach
sagen, obgleich er mir sonst seiner unerträglicheu Eitelkeit
wegen wenig sympatisch war. An jeneni Abend nun war
auch Gutzkow zugegen, und die beiden Poeten sprachen,
glaube ich, vou der Tauer des litterarischen Namens, von
der sogenannten Unsterblichkeit der Tichter.
„Apropos, lieber Auerbach, sagte ich — ich habe
eineu Traum gehabt, der dies Thema betrifft, aber ich
weiß nicht, ob er Jhnen gefallen wird —
„Erzählen, erzählen! scholl es ringsum.
„Also die Sache war so. Es war gleichsam dreißig
oder vierzig Jahr spüter, uud ich wollte Jhnen sagen, wie
außerordentlich mir Jhr Joseph im Schnee gefallen; aber
Sie waren nicht mehr vorhanden; es hieß, Sie seien längst
in die Heimat zurückgekehrt. Gut, dachte ich, dahin kannst
Tu ja auch wandern in der schönen Sommerzeit. Und
so fragte ich mich wirklich durch bis nach Nordstetten in
Schwaben. Beinahe hatte ich das Dorf erreicht, da be-
geguete mir ein Hirt. „Kennt Jhr den Auerbach?" „Nein!"
daun kam ein Jäger, danu eiu Bauer — auch sie fragte
ich, aber erhielt dieselbe Antwort. Ein Schullehrer end-
lich antwortete: „Ach dcn Auerbach meinen Sie, ja den
können Sie sehen drunten im großen Gasthof."
fFortsetzung solgt.)

Dieser Einfall reizle Koch zu homerisckeiii Gelächter. Beide
wurden von Stund an wieder die besten Freundc nnd blieben es
lebenslang. —

Dem jrünfrigen ^enins.

Hn arger Zeiten tiesster Lrniedrigung,
kvann frech und scffamlos sicff das Genieine spreizt,
Dem goldnen Ualbe N?olkcn kDeibraucbs
Sxenden entartete Taggeschlechter,
Zbr Auge wendcn zürnend die Hinimlischen
Vom Satvrspiele, das mit dem Swigen
Lin zuchtlos wüster Hause spottcnd,
Tempelaltäre entweibend, auffübrt —
Dann rafft erniannend endlich der Genius
Sich aus: mit Uübnbcit bricht er der Mode Bann;
kUit Zeuerbränden reinigt wieder
Sr die geschändeten Heiligtbümer.

Doll blöden Staunens gafft ibni die Alenge zu —
Lin stet' Gebeimnis bleibt ibr das Göttliche,
Das groß und einfach, sormvollendet,
Sterblichem Blick sich als Äunstwerk darstellt.
Doch edlerm Sinne löst sich das Räthsel auf,
Sr grüßt mit Andacht freudig das neue lkicht:
Im Rlorgenglanze fübre strablend,
Held! uns kwrauf der Lrneurung Zukunft!
Schlägt dir an's Gbr auch lockend Sirenenton —
Du aber wandle einsam die steile Babn;
Bach bebrem Ziele zieb' empor dich
Alächtig begeisterter Seele Sebnsucht.

Nit keuschen Händen walte.des priesteramts!
Diel' sind berufen — kvenige auserwäblt:
Oon ibren Züngern beischte niemals
Reinere Vpfer die ernste Muse.

Richard Paul
 
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