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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Künstlerisches aus Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0053

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Aüiistlerisches aus Karlsruhe.



Vlllkl SchinieÄer. Von Gberbaurat Dur III.

hat, welche in ihren Wcrken die charakteristische Landesart nach und nach vollkommen auszusprechen gelernt
haben, sobald ihnen der große Ausschwung der Residenz cine ganz natürliche Gelcgenheit bot, sich dieser
Landesart entsprechende Formen zu suchen. — Hier wäre denn in erster Linie als der Chorführer in dieser
naturwüchsigcn Kunstentwickelung der Architekt Durm zu ncnnen, dem das neue reiche und industriell auf-
strebcnde Karlsruhe seit 1870 seine schönsten Zierden verdankt, wie die armselige kleine Bcamtenstadt vom
Anfange des Jahrhunderts Weinbrenner, dann dem Romantiker Hübsch und dem Realist Eisenlohr in der Mitte
desselben. — Hätte jener Zeitgenosse Klcnze's, dem alle architektonische Entwickelung mit dem Pantheou auf-
hörte, am licbsten blos im cgyptischen Styl gebaut und sich gar nicht darum bckümmert, ob heiduische
Hellenen oder gutgetaufte Alemannen in seinen Tempeln ein- und aus- und unter seinen dorischcn Thoren durch-
gingen, so war der liebenswürdige Schwärmer Hübsch geneigt, im Gegenteil die Taufe für die Hauptsache
zu halten und hätte die Karlsruher am liebsten zum altchristlichen Styl bekehrt, während sie es höchstens
zu einigem Byzantinismus brachten. Jndes sieht man bei seinen Bauten doch bereits sehr stark und gewiß
sehr zu ihrem Borteile die Einwirkung der Besteller und der Zeit überhaupt, wie denn sein heitercs, farbcn-
freudiges Thcater osfenbar schon weit mehr der Landesart entspricht. Durm, der ihm folgte, ursprünglich
auch wie Neureuther in Münchcn ein Hellenist vom reinsten Wasser, sah sich aber, dank der immer gebie-
terischer auftretenden Zeit, sehr bald veranlaßt, dies attische Wasser mit einer ganz gehörigen Portion Mark-
gräfler Wein zu versetzen.
Daß die stylbildende Krast niemals in den Künstlern allein steckt, sondern sich lediglich aus der
Gegenwirkung des Volks und der Künstler erzeuge, habe ich nie so deutlich gesehen als in Karlsruhe. Wo
die Bevölkerung nicht mitbaut, meißelt und malt, sondern, wie so oft geschah, die Kaprizen Einzelncr, wohl
gar der Künstler selber, nur bezahlen muß, da kann niemals eine gesunde Kunst entstehen! Denn diese ist
und bleibt immer die Tochter des Bedürfnisses, diese Mama hat aber den ganzen Volksstamm zum Gatten.
Weil der auf tausenderlei Weise sich sehr entschieden geltend machtc, so entstunden nun durch Durm und
Andere eine Anzahl Bauten in der badischen Metropole, die in wahrhaft seltener Weise lebenskräftig sind,
d. h. das Gepräge des Orts, der Zeit und der Verhältnisse tragen, in denen sie entstunden. Was hat man
nicht in München beim Bauen ein halbes Jahrhundert lang alles versucht, wie viel Lebloses hat man geschaffen,
 
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