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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Ludwig Richters Selbstbiographie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0074

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Vou Friedrich Pecht.


den malenden deutschen Nazarencrn im Anfange des nennzehnteu Jahrhunderts oder dcn Sozialisten an dessen
Endc, gab es immer Leute genug, die vom Glauben verlangten, daß er ihnen die gebratenen Tauben in den
Mund sliegen lasse. So marschiertc denn anch nnser Richter mit dem neugefundenen Rezept in der Tasche iiber
den Brenner, komponierte Bilder in Gedanken statt auf dem Papier und bereicherte höchstens sesn Skizzenbuch
mit jenen flüchtigen Arbeiten, wie sie dem Künstler sast nie etlvas helfen.
Den ersten großen bleibenden Eindrnck machte ihm in Verona die herrliche Madonna des Girolamo
dai Libri in St. Giorgio und er schwärmte mit Recht für das herrliche Werk. Welches himmlisch reine Natui>
gefühl und welche Meisterschaft der Technik aber dazu gehören, daß ein Jahrhnndert der emsigsten Arbeit vor-
ausgehen mußte, bis ein besonders begabler Mensch eudlich so ctwas vollendetes hervorbringen konnte, das fällt
ihm nicht^ein, dasür hatten Tieck und Wakenroder gesorgt, daß er meinte, Gotl gebe'es den Seinen im Schlas. —
Jn Florenz angelangt, lernt er mit Entzücken den der eigenen Sinnesart so verwandten Fiesole kennen, be-
wundert die übrigen Florentiner, ist aber wie in allem anderen doch auch in Bezug aus Technik viel zu
unvorbereitet, um einen eigentlichen Nutzen daraus ziehen zu können. Daß man in Teutschland von jeher
Jtalien als eine Art Nürnberger Trichler für Künstler betrachtet hat, das ist gerade das Schlimmste,
da die jungen Leute völlig unreis dahin gehen. Dem fertigen Meister kann es ja nützen, den Schüler
verwirrt es bloß und Unzählige haben diesen Jrrtum mit einem verpfuschten Leben bezahlt. — Das sollte
nun anch unser Richter alsbald erfahren. Tenn in drei Jahren emsigen aber planlosen Stndiums brachte er
es absolut zn gar keinem Resnltat als ctwa dem, seinen Geschmack und sein Stilgcfühl anszubilden, was
ihm aber recht wenig Hals, da er weder malen noch zeichnen konnte, am wenigsten aber die Natur naiv und
vorurteilslos beobachten gelernt hatte. Bald mit Koch und Reinhard bekannt geworden, mühte er sich nun
vergeblich ab die Natur zu sehen wie sie und gab sie einstweilcn bloß ebenso manieriert wieder. Dasür zeichnete
er wenigstens in einer Privat-Akademie römische Modelle und macht dabei — freilich fünszig Iahre spätcr, —
die sehr richtige Bemerknng „Taheim wurde eine solche Figur immer in eine gewisse Tchablone gebracht, es
fehlte der Respekt vor der Natnr und ihren konsequenten Bildungen, man setzte dasür ein Allge-
meines, ich möchte sagen eine abstrakte Menschengestalt, an deren Existenz man nicht zn glanben genötigt war.
Es war eben ein Mensch, ein manierierter Mensch dazu, ^aber nicht der Hans oder Peter, der Beppo oder
Cecco, der dem Zeichner gesessen hatte". „Hier zeichnete man mit der größten Sorgsalt, mit unendlichem Fleiß
und großer Strenge in der Ausfassung der Jndividualität" .... aber nicht breit nnd großartig wie die alten
Meister, die vor allem das Charakteristische, die Grnndzüge der ganzen Erscheinnng wiedergeben, sondern wie
ein ängstlicher nnd pedantischer Kupferstecher, der das perspektivische der Fvrm nie wiedergibt nnd den Karton
zum Selbstzweck macht, dürsen wir hinznsetzen. — Ebenso macht er bald die Bemerknng, daß das viele Reden
über die Kunst, wie es in Rom erst recht im Schwnnge war, nichts taugt. „Wohl jeder Künstler hat schon
das Gesühl gehabt, daß er über eine Jdec, die noch nicht reis war, eine Kompositiou die äußerlich noch nicht
sestgestellt ist, sich nicht ungestrast lang und breit anssprechen darf. Viel Redens darüber kühlt die Empfindung
nnd die Kraft des plastischen HervorbringenK, ja schließlich verliert man leicht die Lust, sich weiter damit zn
beschäftigen". —
(fzartsebunq fokp.t


Illustration zu „Hrbels allrman. Grdichlen" von Ludwig Richter.
(Aus „Richter-Album.")
 
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