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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Vom Weihnachts-Büchertisch, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0119

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)?om !)?eibnacbls-Bücbertiscb I?on ^riebricb pecht.

Hohenschwangaucr schloß" «Leipzig, Alphons Türr)
znm erstenmale vorfnhrk. ,20 M.> Bekannllich hat Schwind
zu diesen Gemalden nur leicht aquarellierte Zeichnnngen ge-
macht, die dann, einer damals besonders beliebten Art
zufolge, von Anderen vergrvßert auf die Wand gemalt nnd
natürlich auch möglichst verdorben wnrden. Zwei Trittel
aller monnmentalen Arbeiten in König Ludwigs Zeit sind
durch dies unsinnige und völlig nnkümtlerische Berfahren
vcrpsnscht worden, sür das nichtsdestoweniger Cornelins,
Schnorr und Heß wie Ichwanthaler nicht geringere Bor-
liebe hatten als König Ludwig selber, besonders aber seine
Architekten. Tas bcste ist, daß hier bei Schwinds Miß-
handlung auch noch dessen köstliche Originale verloren
wurden, so daß die jeyigen von Nane besorgten Nach-
bildungen nach Pausen gemacht werden mußten, die selber
wieder nur Pausen derer waren, die sich Schwind einst
von seinen reizenden Kompositwnen gemacht. Man wundert
sich eigentlich nnr, daß bei dieser dreimaligen Pauserei
Schwind überhaupt nvch zu erkennen ist! Tcnnoch wird
man anch jetzt noch Genuß genug bei diesen reizenden
Erstndungen haben, besonders bei denen zur Wilkina-Sage,
aber auch bei denen znr Geschichte Rinaldo und Armidas,
des Autharis Brautfahrt u. s. f., überall wird man jene
reizende Gestaltenfülle finden, in deren anniutig stilvoller
Erfindung Schwind so unerreicht geblieben ist.
Unter den sehr wenigen deutschen Künstlern der zweiten
Hälfte des vorigen Jahrhunderts, welche bis heute nicht
veraltet sind, dereu Werke man im Gegenteil immer wicder
mit Bergnügen sieht, nimmt Chodwiecki eine der ersten
Stellen ein. Während ihni andere wie Mengs, Carstens,
Knoller, Graff an glünzendem Rnf bei dcu Zeitgenossen
wie sogar an Talent und Können unzweiselhaft weit über-
legen waren, sind sie doch jetzt viel weniger gekannt, werden
vor allen Dingen weniger studiert und benützt als er. —
Es wäre also wohl Zeit, sich über die llrsachen eincr so
aussallenden Erscheinung genaucre Recheuschast zn geben
als es gewöhnlich geschieht. Man könntc sic wohl am
besten dahin zusammensasseu, daß er der Einzige ist, desseu
Werke einen positiven Gehalt haben, weil er allein in jener
bereits von der Wut dcr antikisierenden Richtnng besessenen
Zeit den gesundcu Instinkt hatte, das Leben um sich herum
niit herzlich nüchterner Treue, aber niit jcnem echt künst-
lerischen Sinn sür die Wahrheit der Erscheinung zu schildern,
die heule seiue klciucu Kompositioneu zu einer unvergleich-
lichen Qnelle über das Aussehen, die Sitten und Gewohn-
heiten, den Geschmack und die Tenkungsart unserer bezopsten
Herrn Bäter macht. Gewiß nicht, weil er sie übersehen
hättc, sondern im Gegenteil, weil er genau so empfand
wie sie. Seine Wahrheit ist demnach eine unwillkürliche,
ja der Puder liegt fiugerdick auf allem, was er macht und
selbst der antikisierende Zopf hängt ihm beständig hinten,
am nicisten aber dann, wenn er ihn entfernen und sich
in's Reich des Jdealen erheben will. Hätte das alles
vielleicht kaum ausgereicht, ihn für alle Zeitcn zn erhalten,
so hatte cr freilich überdies noch das große Glück, m der
nnmittelbaren Rähe des Helden jenes Aahrhunderts zu
leben nnd sich seine Erscheinung wie die seiner Taselrunde
so genau und zugleich so echt spießbürgerlich ehrlich ein-
geprägt zu haben, daß er auch da geradezu unersetzlich ist.
Ter alte Fritz selber freilich scheint von dieser Auffassung
seiner Erscheinung nichts weniger als entzückt gewesen zu
sein und seine Ehrlichkeit etwas zu impertinent gefunden
zu haben. Gerade deshalb aber ist Chodwiecki eines

der glänzendsten Beispiele sür den Satz, daß auch m der
Kunst die Ehrlichkeit am längsten währt, selbst ivenn sie
ein bischen borniert und philisterhast seiu sollte. Wenigstens
so lauge sie ruhig daheim bleibt und sich an's Nächstliegende
hült, an das, was sie verstcht. Tenn wenn der Herr
Tirektor der Berliner Akademie antike Helden schildern
will, statt derer, die er selbst gesehen und geniacht hat,
dann wird er allerdings surchtbar, ivenn auch schwerlich
komischer als die Römer und Trojaner vieler anderen
Akademie-Tirektvren nach ihm unseren Nachkommeu erscheinen
dürften, sofern sie es nicht jetzt schon thun. — Spukt der
Gypssaal kaum weuiger in Chodowieckis Zeichnungen
und verdirbt ihm mit seinen leeren Maskeu oft dic schönsten
und individuellsten Figuren, besouders der Frauen, wie
allen seinen nach Winkelmauns Rezept sür die Antike
schwärmenden Zeitgenossen, so nnterscheidet er sich doch
gerade durch deu größeren Gehalt an positiver und sehr
individueller Wahrheit von ihnen.
Es sind zwei allerliebste und sehr interessante Werke,
die uns diese Betrachtungen niachen ließen*), und nian ist
den Herren Amsler n. Rnthardt nnd R. Mitscher
wahrhasl verpflichtet, daß sie uns durch dieselben sowohl
die größte eristierende Sammlung Chodow ieckischer Hand-
zeichnungen, die des Dr. Hebich in Hamburg, als eiue
Menge seiner besten Stiche erst zugänglich geniacht habeu,
nachdem sie uns vorher mit des Meisters Reise nach Dauzig
sowie der ersten Folge der Stiche überraschten. Wie
interessant dieselbeu anch waren, so reichen die jetzigen
Publikativnen doch noch weit über jene hinaus, da sie vicl
mannichfaltiger sind und deu Künstler vor den verschiedensten
Aufgaben zeigte, die er, der den Berliner Philister niemals
los wird, natürlich auch mit verschiedenem Glücke löst.
Wie könnten wir unsere schon allzulange Heerschau
befriedigender schließen als mit dem „Oberländer-Album",
dessen eben erschienener zweiter Teil lMünchen, Braun
u. Schneider wiederum jene zwerchsellerschütternde Kraft
im höchsten Grade besitzt, durch die sich der Berfasser
längst zum Liebling des dentschen Volkes gemacht, sich im
Palast wie in der Hütte einzubürgern gewußt hat. Von
allen trefflichen Humoristen der „Fliegenden Blätter" ist
keiuer so durchaus eigenartig und echt deutsch geblieben als
dieser, weil keiner mit so geringeu Mitteln so umvider-
stehliche Wirkungen hervorzubringen versteht und zugleich
eine so reiche Bildung besitzt, um allen sozialen Ver-
hältnissen wie allen Zeitereignissen ihre komische Seite
abgewinuen zu können. Tieser Vereinigung von schalkhafter
Kindlichkeit nnd Scharfblick kann absolut niemand widerstehen.
- Fr. Pecht.
Der rührige Grote'sche Verlag in Berlin hat mit
seinen wohlfeilen Prachtwerken entschiedenen Ersolg gehabt.
An die Ramberg'sche Herrmann und Dorothea, sraglos
eines der begehrtesten Festgeschenke der letzten Jahre, reihte
sich Voß' Luise, illustriert von Ramberg und Thumann,
Teguer Frithiofsage, mit Bildern von Roeber, an, nnd in
diesem Herbst ist eine 15 Mark-Bnchausgabe derShake-
spearegalerie erschienen. Kunstfreunden sind die Anfang

ch Aus Daniel Chodowieckis Künstlermappe.
98 Handzeichnungen und Aquerelle in F-acsimlledruck nach den
Originalen im Besitze des Herni I. C. D. Hebich in Hamburg.
Jn eleg. Mappe M. 30. Berlin, Amsler und Ruthardt. — Cho-
dowiecki. Auswahl aus des Künstlers schönsten Knpserstichen.
135 Stiche auf 30 Kartonblättern. Neue Folge in eleganter
Mappe M. 20. Berlin, R. Mitscher.
 
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