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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Bilderschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0133

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Bilderscbau — vou Friedrich pechu

99


schauung, eiueiii Bildnis, wenii mau will, aus, So auch
hier bei seiner heiligeu Jungfrau, der Engel Blumen in
den Schoß geschüttet. Es ist das eine Art mystischer
Berkündigung, welche die Überraschte mit ebensoviel holder
Temut als keuscher Hingebung aufnimmt. Freilich kann
man den so eigentümlich fesselnden Reiz Max'scher Bilder
nie vollständig verstehen ohne den Zauber, welche jeine
nahezii klassische Fürbung über sie breitet. Es ist ihr
wunderbares Licht, das in seinem goldenen Schimmer alles
unharmonische auflöst, selbst die gewöhnlichsten Formen
adelt.
Ächt Norddeutsches Wesen in seiner besten und an-
sprechendsten Form tritt uns dann in Scheurenbergs vom
Gottesdicnst in der Stadt mit ihrer Mutter und Schwester
heimkehrenden Kommunikantin entgegen, wo der ländliche
Mädchencharakter in seiner blöden Ungeschicklichkeit, aber
auch in seiner entzückenden Reinheit, Unschuld und Frömmig-
keit überraschend gut ausgesprochen erscheint, im Verein
mit dem etwas mageren und strengen, aber mit der dürs-
tigen ärmeren Natur so ganz in Harmonie befindlichen
Wesen, das aber eine nachhaltige Charakterkrast erzeugt,
die dem üppigeren Süden unseres Vater-
landes nur zu oft abgeht. Während
aber die Knans, Defregger, Vautier,
Schmidt, ja selbst die Norddeutschen
Lüben und Kauffmann uns süddeutsches
Bauernleben nach allen Richtungen aufs
erschöpsendste geschildert haben, ist dieses
Scheurenberg'sche Bild außer des alten
Meyerheim liehlichen Szenen fast das
einzige, wo norddeutsches Landleben
einigermaßen ächt wiedergegeben ,er-
scheint. Offenbar wartet der
Norden, der doch Fritz Reuter
hervorgebracht, noch seines
Defregger, da seine Maler es
gewöhnlich vorziehen, sentimentale
Rönierinnen, wie sie nie existiert,
oder doch mindestens Hollän-
derinnen, wie Klaus Meyer, zu
malen, nur bei Leibe nicht die
eigenen Landsleute wiederzugeben.
— Und doch hat Menzel die
angeblich so unmalerische Rasse
der Berliner so unübertrefflich
geschildert, und doch ist das
Fischer-, Schiffer- und Bauern-
leben in Holstein, Mecklenburg,
Oldenburg ja überall am Meer
hin noch origineller als das
süddeutsche. Man darf in Ham-
burg oder Lübeck nur in den
Hafen oder auf den Markt gehen, nm sofort die malerisch-
sten Gestalten in Fülle zu finden, wahre Prachtexemplare
von Krast und Eigenart, und nur die dortigen Maler
scheinen sie nicht zu bemerken. Eine gesunde Kunst aber
bleibt immer am liebsten daheim, die der Griechen und
Jtaliener thut es bekanntlich nicht weniger als die der
Spanier, Niederländer und Ältdeutschen.
Weil er das thut, ist ja Defregger der Liebling
der Nation geworden und braucht nicht mit der
ewigen Sehnsucht nach dem Süden oder den schönen
Gegenden wo der Pfeffer wächst, wie eine gekränkte Leber-

wurst herumzulausen, um das Schöne, das ihm vor der
Nase liegt, nicht einmal zu sehen. — Defregger sieht es
im Gegenteil so gut, daß er alle Welt von San Franzisko
bis Petersburg damit entzückt. Oder wer würde uicht direkt
an Rafael erinnert, wenn er den Kops des prächtigen
Buben betrachtet, der jetzt als Mittelster der Tesregger'schen
Abkömmlinge trotzig Bruder und Schwesterchen schützt?
Das ist nun mit solch einem Naturgefühl gesehen, so ohne
jede Spur von Sentimentalität oder Ziererei: der lnstige
Bengel hinter dem Jüngeren lacht den malenden Vater so
schelmisch an, das kleine Schwesterchen drängt sich vor, um
auch von ihm gesehen zu werden, daß einem das Herz

Sludir. von A. v. tverner.
aufgeht vor diesem Bilde stillen Familienglücks und herziger
Kinder-Unschuld.
Ein guter Teil von diesem reinen Naturgefühl,
welches den unwiderstehlichen Reiz Defregger'scher Bilder
ausmacht, finden wir auch in den köstlichen Studien des
Berliner Akademie-Direktors Anton v. Werner, die er uns
freundlich überlassen. Seit seinem ersten Auftreten in
Karlsruhe als Jllustrator seines Freundes Scheffel hat der
Künstler in immer steigendem Maße die Aufmerksamkeit
zu fesseln, immer neue Seiten seiner reichen Begabung zu
entfalten gewußt. Erst anscheinend Nachahmer Anderer,
 
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