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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Voss, Georg: Die Berliner Menzel-Feste
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Die Berliner Menzelfeste. Oon Georg voß.

Kunststädten des Vaterlandes die Ausstellnng der Werke
Menzels in der königlichen Akademie der Künste eröffnete.
Der Meister selbst war diesem Feste fern geblieben. Sein
schlichter Sinn geht gern jeder Hnldignng ans dem Wege.
Doch von welch' impvsanter Wirkung die hier aus einem
Fleck vereinigten Gemälde und Aquarelle auf die An-
wcsenden waren, haben ihm seine Freunde erzählt. Jedes
Zeitungsblatt, das in diesen Tagen hier gedruckt wurde,
mußte dem gefeierten Meister von diesem Eindruck Küude
bringen.
Am Festmorgen war auch im Hause des Meisters die
erste Nummer des von Jordan und Dohme herans-
gegebenen monumentalen Prachtwerkes „Das Werk Adolph
Menzels" eingetroffen, eine Publikation, wie sie in ähn-
licher Treue und Schönheit bisher den Werken keines der
lebenden Meister zu teil geworden ist.
Tem der Ausstellung solgenden Festessen des Vereins
Berliner Künstler wohnte Menzel selbst bei. Der be-
gabteste Jnterpret modernen künstlerischen Schaffens —
Max Jordan —- hielt die Festrede. Menzel antwortete
dankbar und bewegt, indem er in seiner bescheidenen Weise
sagte, daß er daran zweifele, in seinem serneren Leben noch
derartige Werke schaffen zu könuen, dnrch die er alle Ehren
dieses Festes erst mit vollem Rechte verdienen köunte.
Die Beschreibung dieser schönen Feier wird eins der
ehreuvollsten Blätter in der Biographie des Meisters
bilden. Und dennoch sollte anch dieses Fest an äußereni
Glanze übcrboten werden durch die Huldigung, welche die
jiingste Künstlerwelt, die Studierenden der Akademie, dem
Meister einige Tage darauf in einem von einigen tausend
Personen besnchten Kostümfest darbrachten. Bienzels
Name ist in Berlin vor allem der Leitstern der jüngeren
Mal.r nnd, obwohl Menzel niemals ein Lehramt auf der
Akadcmie bekleidete, hat seine Art zu schaffen deunoch hier
mehr Schule gebildet, als selbst die begabtesten Lehrtalente
der Akademie. Das Fest der Akademiker bewies, mit
welcher Verehrung die jiingen Künstler zu Menzel enipor-
blicken. Ten Grundgedanken des Festes bildete die Ab-
sicht, rings um den Maler des Zeitalters Friedrichs des
Großen eine Welt aus den Helden jener Tage und im
Stil jener Zeit zu schaffen. Das Zeitalter des Rvkoko,
dessen eigentliche Schönheit uns Menzel in seinen Ge-
mälden gleichsam neuerschlossen hat, sollte dem Meister
selber seine Huldigung darbringen. Einer der größten
Säle Berlins, „die Philharmonie", war durch mächtige
Wandgemälde und Statuen in einen phantastischen
Rokokkozwinger umgewandelt. Jn diesem versammelte sich
die Festgesellschaft. Unten im Saal Alles, was Berlin an
glänzenden Künstlernamen aufzuweisen hat, iu ihrer Mitte
der Kultusniinister mit seinen Räten: obeu in deu Logeu
der Kronprinz und die Frau Kronprinzessin nebst ihren
Töchtern, der Prinz Wilhelm mit sciner Gemahlin und
eine zahlreiche Hosgesellschaft. Ein Genius der Künst sprach
den dem Meister gewidmeten Prolog — eine Dichtung
Ernst vou Wildenbruchs — und legte den für Bienzel
bestimmten Lorbeerkranz auf einem Altar nieder. Von nun
ab entwickelte sich das lebensvolle Bild eines Gartenfestes
am Hofe Friedrichs des Großen. Die Schloßwache, ge-
kleidet in echte alte Uniformen aus dem Bestande des
Berliner Zeughauses, zog mit klingendem Spiel anf und
führte ihre treu nach dem Exerzierreglement von 1743
cingedrillten Exerzitien auf. Jn den Ecken dcs Saales

wurden die Posten bezogen. Dann teilte sich der Vor-
hang, nm ein Rokokozimmer zu zeigen, iu welchem sich nach
und nach der Hof Friedrichs versammelte. Alle Gestalten
ans diesem Kreise, die Menzel so oft gezeichnet hat, traten
ein, der große König, die Prinzen und Prinzessinnen,
Ziethen, Seidlitz und die übrigen Paladine. Auch Voltaire
und die französischen Gelehrten am Hofe von Sanssouci
waren nicht vergessen. Vor diesem Kreise versammelte sich
dann der Zug der zum Feste geladeneu Vertreter aus allen
Ständen des Bolkes. Voran schritten die Musikkapellen
in eleganten Kavaliertrachten, sodann eine Reihe von
Offizieren aller Regimenter, Schäser und Schäferinnen,
nach Gemälden Watteaus gekleidet, mitten unter ihnen
Kinder, die den Maienbaum trugen nnd unter einem Bal-
dachin von Blumengewinden die Königin der Rosen. Tanu
ein langer Zug von Bürgern und Frauen, Geistliche und,
um das Treiben dieses Zuges noch bunter zn gestalten,
ein TruPP von Zigeunern und allerlei fahrendem Gesindel.
Den Schluß bildete eine orientalische Gesandtschaft, für
deren Einführung eine tatarische Gesandtschaft aus der
Zeit nach dem zweiten schlesischen Kriege und eine türkische
Botschaft, die im Jahre 1763 am Hofe Friedrichs erschienen,
willkommenen Vorwand boten. Den Glanzpunkt dieses
Zuges machten die Frauen der Botschaft, die den kenschen
Schleier des Korra so geschickt über das Haupt und den
Nacken geworfen hatten, daß auch die Welt der lkugläu-
bigen an diesen Töchtern des Südens ihre Freude habeu
konnte. Dieser ganze aus mehreren Hunderten von Per-
sonen bestehende Zug nahm im Zimnier des Könizs und
auf der mächtigen Terasse, die vvu dort in den Saal
hinabführt, Aufstellung. Es folgten die Ansprachen der
Gesandtschaft und die Antwort des Königs nach einer
Dichtung Wildenbruchs. Auf wenige Minuten füllte sich
darauf der Vordergrund der Bühne mit dem bunten Ge-
wimmel der Kostüme, und als die Menge wieder auseinander
ging, hatte nian dahinter ein lebendes Bild nach Menzels
Gemälde „Das Flötenkonzert am Hofe Friedrichs des
Grvßeu" gestellt. Genau wie in dem berühmten Gemälde
stand König Friedrich, die Flöte an den Lippen, vor dem
Notenpult. ?lm Klavier saß Philipp Emauuel Bach, da-
neben mit ihren Jnstrumenten die übrigen Spieler. ?lu
der Seite Quanz, der Flötenmeister des Königs. Jni
Hiutergrunde auf dem roten Sopha die Schwester Friedrichs
und die Gräfin Camas. Auf der anderen Seite die
Prinzessin Amalie mit einer Hofdame. Vorn links Graf
Gotter und Bielfeld. Weiter zurück Maupertuis nnd
Graun. Jn diesem Kreise beganu dann der Vortrag eines
wirklichen Flötenkvnzerts. Ter König setzte ein und trug
unter der Begleitung der Kapelle das Andante aus einer
Shmphonie von Philipp Emanuel Bach vor. Tas Zu-
sammenwirkeu der Musik und des Bildes machte einen
außerordentlichen Eindruck. Was dem Bilde fehlte, war
nur die Schöuheit der Menzel'schen Farben, der leise durch
den ganzeu Raum verglühende Schimmer der Kerzen, den
die elektrische Beleuchtung des Saales unmöglich machte.
Tas Hosfest löste sich in einen großen Kostümball
aus, dem das beständige Älufziehen nnd Ablösen der Schloß-
wache, zu denen die Künstlerschast ihre längsten Mit-
glieder gestellt hatte, sein eigenartiges altpreußisches Ge-
präge gab. Der still im Saale herumivandernde Fubilar
nahm dcr Wache den Parademarsch ab nnd schritt mit
zufriedenem Lächeln die Front der Soldaten entlang, die
sein Stist so oft gezeichnet hat. Wie wohl ihm hier mitten
 
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