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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Lang, Heinrich: Ein Tag aus meiner Sommerfrische
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0153

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Oon tieinrich Lanq.

freundlich uach allen Seiten grüßend lheuke ohne die vom
Feldzug her fo gewohnte Pfeife), eine wirklich ritterliche,
jeden erfreuende, mcinnlich schöne Erscheinung, und biegt
über die Chansfee nach der nüchsten Höhe ab. Gleich
darauf gehl eS beiderseits wieder vorwärts. Tiesmal sind
wir nicht in der Avantgarde und können von unserem
Standpunkte aus die Entwickelung des Gefechtes zwischen
zwei Kavalleriedivisionen beobachten. Selten sieht man
solche Reitermassen beisammen und die Raschheit und das
exakle Jneinandergreifen des modernen Manöverierens mag
wohl den Beschauer verblüssen, wenn urplötzlich, wie aus
dem Boden gestampft, die slinken Eskadrons, sich von ver-
schiedenen Seiten vereinigend, die ganze weite Ebene be-
decken. Auch unsere Batterie geht vor. Ter Herr Major
ist brreits^ voran, hat sich in Galopp geseyt und in
eleganrem >Lprung deu Chausseegraben genommeii, der ihm
folgende Trompeter, ein
Teuselskerl, der wahr-
scheinlich das Publikum
schärfer beobachtete, als
den Herrn Batteriechef,
Wendet zu kurz und
liegt mit seinem Fuchs
im Graben. Ter Herr
Major schreit ihm etwas
zu — wohl kauni' ein
Trosteswort—indessen,
der Katzensteiner ift ein
sorscher Kerl, gleich
wieder auf dem Gaul
und fegt nach, was
das Zeug hält. Bald hören wir auch „Trab" blasen und
nun kommt an uns der Graben, dicht umdrängt vom
Publikum, unter welchen ich auch einen gewissen Wagen
mit zwei Schimmeln erblicke, welchen ich vorgestern mit
seinen lieblichen Jnsassinnen aus dem eleganten „Tambour"
geleitete. Jn meiner heutigen „Kommiß-Erscheinung" nehme
ich jedoch billig Anstand, mich blicken zu lassen und drücke
inich mit der „Viarda" hinter eine Geschützbedienung,
wAche uns auch vollständig deckt. Ter Graben wird famos
genommen, laute Jubelrufe im Publikum belohnen die
braven Artilleristen und jetzt sahren wir in lebhastem Trab
die gute Chaussee hinab zwischen Massen von Zuschauern,
unter denen manches. bekannte Gesicht aus meiner lieben
Vaterstadt R., in deren Nähe wir das edle Schlachten-
spiel treiben, mir grüßend zunickt. Jetzt geht es wieder
querfeldein und flotr eine Höhe hinan, aus welcher Posi-
tion genommen wird. Schuß aus Schuß kracht hinaus,
seitwärts hinter uns marschiert ein Zug schwerer Reiter
auf, die Portikularbedeckung für die Batterie. Wir haben
einen prächtigen Ausblick auf die sich zu einer großen
Linien-Attaque formierenden Divisionen, zwischen deren
Massen sich schon wieder leichter Staub bemerkbar macht.

U5
Beim Vorgehen passiert ein Chevauxlegers-Regiment unseren
rechten Flügel — eben setzt es zur Attaque an und zwar
über ein kleines Ravin hinab, es braust und klappert an
uns vorbei, wie die wilde Jagd. alles kommt glücklich
hinunter. Halt, da liegt doch einer —. aber es ist nichts
Schlimmes. Der „Schwoli" ist schon wieder aus den
Beinen und mahnt seinen gestürzten Schimmel noch mit
sreundlichen Worten und leichten Zügelhülfen, sich auch ge-
fälligst zu erheben. Der Gaul reagiert absolut nicht, auch
nicht aus stärkere und strengere Mittel: der grüne Reiter
flucht wie ein Türke, Publikum ist hingelaufen, zerrt mit
an dem Gaul — nichts hilft! Es ist auch ganz natür-
lich, denn ein herbeigeeilter Veterinär, der abgesessen und
das Pserd angesehen, erteilt ganz trocken dem Chevaux-
leger den Befehl, Sattel und Zeug abzunehmen und heim-
znbriiigen. da sein Bucephalus das Genick gebrochcn habe!
Während dieser Epi-
sode hat sich indessen die
Sitnation der Batterie
etwas verändert: feind-
liche Iklanen kommen
in Sicht, die wohl mit
Kartätschen angeschossen
werden, aber andere,
die man nicht gesehen,
sind plötzlich an der
Flanke im vollstem
Marsch —Marsch auf
die Artillerie eingedrun-
gen, die schweren Reiter,
unsereBeschützer, werfen
sich ihnen entgegen, ein erbitterter Kampf — — — ta
— ta — ta — ta — tata: das Ganze halt!
Es bläst ab! Nun ergeht man sich zuerst in allen
möglichen Möglichkeiten, wie das wohl im Ernstsalle aus-
gegangen wäre, jeder sucht seine Gründe sür und wider
bestens zu motivieren, da bläst es wieder: „Kommarcheure!"
Tas Manöver ist aus, dje Kritik beginnt, von der ich
höchstens aus weiter Ferne meinen naseweisen Bleistift
einiges zeichnen lassen dars, z. B. ein kleines Gedränge,
ein bischen Tumult mit Gequietsche, das ein Schlüger ver-
ursacht u. s. w. Wir aber freuen uns, daß es so nahe
an L. abgeblasen, wir haben nicht mehr weit zu dem
„2 Kilometer-Wirtshause", wo uns ein srugales Mittagessen
erwartet. Heute ist es etwas solenner: es ist ja Sedanstag
und die schönen Erinnerungen werden mit Sekt ausgefrischt.
Mein Tischnachbar stößt mit mir an und benrerkt
schmunzelnd: „Aber Jhr Schlachtenmaler habt doch auch
einen ordentlichen Profit von Euren Studien; die mögen
sich ausgiebig rentieren, was?" „„Ja, antwortete ich,
lieber Frennd, ich kanns nicht leugnen, daß der letzte Krieg
ein paar Schlachtenmaler zu Millionären gemacht hat —
freilich warens Franzosen!""



Publikum. von Leinrich Lang.
 
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