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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 1.1885-1886

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Pecht, Friedrich: Moderne Kunst, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9416#0169

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)28 Moderne Kunst.
lischen Städtchens eben so passend verbunden, als die
Jndividualisierung der Einzelnen und das Festhalten des
jüdischen Typus bei Allen gut durchgeführt. Selbst die
Behandlung des Nackten zeigt sogar entschiedene Eigentüm-
lichkeit, wie das Ganze eine harmonische und dem Gegenstand
entsprechende tiefernste Stimmuug, hier, wo uns der Nkensch-
heit ganzer Jammer vorgeführt wird. Die jugeudliche
Wärme des Gefühls, mit der das geschieht, wirkt besonders
wohlthätig und läßt all das Elend nicht widerwärtig er-
scheineu, wie ergreifeud es auch dargestellt sei. Leider
hatte der Künstler sein Bild so stark impastiert, daß es
unmöglich war, eine gute Photographie zu erhalten, aber
selbst diese unvollkommene Nachbildung wird ausreichen,
solchem Erstlingswerk eines jungen Talents die Ausmerk-
samkeit unserer Leser zu sichern, wie es bei seiner Ausstellung
in München entschiedenes Aufsehen machte.
Der Schöpfer desselben, der 1863 auf einsamem
Bauernhof bei Ravensburg geborene Gebhard Fugel, kam
als 16jähriger Bauernjunge nach Stuttgart fast völlig
mittellos an die Kunstschule, wo er bei Professor Grünenwald
sein Stilgefühl ausgebildet zu haben scheiut, erhielt bald
ein Jahres-Stipendium von — 350 Mk. — von dem er
nun leben mußte. Nach zwei Jahren kam er zu Direktor
Lieze-Mayer in dessen Malklasse, der ihm auch ein neues
Stipendium von 600 Mk. erwirkte. Nach dessen Abgang


Sludir. von Uol. Döry
(Zu dem Vollbilde dieses Hestes: „Die Herausforderung".)

von Fr. Pecht.


L>tudir. von Aol. Dsr^>
(Zu dem Vollbilde dieses Hestcs: „Die Heraussorderung")

1882 ging er zu Schraudolph über, wo er daun bald
dieses Bild ansing, und dasselbe ziemlich unbeeinflußt durch-
führte; wenigstens wird man durch das Gemälde weit eher
an Neher als au die bisherigen Lehrer Fugels erinnert.
Hosseutlich lüßt man ein so aussallendes Talent jetzt in
Stnttgart nicht ohne llnterstützuug verkommen, nachdem es
derselben uuiimehr am meisteu bedarf und doch wahrhaftig
hinreichend bewiesen hat, daß es sie verdiene. Oder läge
es nicht nahe, ihm dies Werk abzukausen und irgend einer
Kirche zu schenken, wo es mehr zur Erbauung beitragen
kann, als unzählige schlechte Predigten.
Tas aber beweist dieses Bild offenbar: daß alle
religiösen Stoffe eben unserem Volke immer noch am nächsten
liegen, ihm allein wahrhaft lebendig und verständlich sind.
Wie käme sonst dieser Jüngling zu einer so reich gegliederten
und doch in allem Einzelnen so tief empfundenen Kompo-
sition, wo aber auch gar nichts leere Phrase, oder pathe-
tischer Schwulst ist? Dennoch kann man es an unseren
Akademien nichtuntcrlassen, den Schülern immer wicder antcke
Stoffe znr Komposition aufzugeben, von denen sie gar nichts
verstehen, und die sie daher lediglich zum Theatralischen
mit Gewalt hinsühren. —
Da ist uns eine gesunde Rauferei, deren Einleitung
durch die „Heraussorderung" in einer ungarischen Schenke
uns Kol. Tery, ein Schüler erst der Wieuer Akademie,
dauu des Prof. Löfftz hier, vorführt, immer noch nnendlich
lieber, als wenn derselbe junge Mann nns den göttlichen
Achilleus zu zeigen versucht hätte, wie er Hektor zum
Kampfe fordert und ihn unfehlbar sich dabei wie cin
schlechter Komödiant hätte geberden lassen. Denn diesen
handsesten Landsmann, der gleich bereit ist zum Zuschlagen,
den begriff er, weil er ihn hundertmal gesehen und wußte
 
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